Berichte Jugendaustausch
Vorbereitungsfahrt im März 22 in Israel-Palästina
Nach der Ankunft am Flughafen Ben Gourion um kurz nach 9 Uhr ging die Passkontrolle dank maschineller Lesegeräte für die Reisepässe und Ausgabe der blauen Visakärtchen bei Ein- und Ausreise sowie Wegfall der unsinnigen und langwierigen Befragungen durch die Sicherheitsbeamten jetzt viel einfacher und schneller als bei unseren früheren Fahrten bis 2019. Auch der PCR-Test am Flughafen Tel Aviv erfolgte sehr zügig, sodass wir ohne große Verzögerung unseren Minibusfahrer Husam treffen konnten, der – mangels Tourismus – vorerst noch Taxi fährt und uns während unseres gesamten Aufenthalts immer dann zur Verfügung stand, wenn wir ihn brauchten.
Wir fuhren zunächst nach Jerusalem zum Birgittinnen-Kloster am Ölberg, wo wir von den noch verbliebenen 6 Schwestern überaus herzlich empfangen wurden, die sich nochmals überschwänglich für unsere Spenden über 20.000 € bedankten, mit deren Hilfe sie u.a. ihre Heizungs- und Klima-Anlage reparieren und ihrem 2. Kloster in Bethlehem ebenso helfen konnten.
Birgittinnen-Kloster am Ölberg
Die Birgittinnen (vorne im Rollstuhl: ehem. Oberin Teresa)
Jerusalem: Klagemauer
Auf dem Weg zur Klagemauer wegen Bar-Mizwa-Feier
Nach dem Einchecken zeigte ich Roland einige mir seit vielen Jahren sehr vertraute zentrale Sehenswürdigkeiten der Altstadt (Souk, Tempelberg, Klagemauer, Löwentor, Damaskustor, Via Dolorosa, Österreichisches Hospiz – eine erhöht gelegene Oase der Ruhe mit Gastronomie in einem wundervollen Garten inmitten von Palmen u. Kakteen -, Grabes- und Erlöserkirche, Abendmahlssaal, Davidsgrab, das Grab von Oskar Schindler etc.). Vor dem Gespräch mit Pater Simeon in der Dormitio- Abtei wollten wir noch die Kirche mit Krypta besuchen. Da diese aber (ebenso wie Cafeteria u. Souvenir-Shop) wegen Renovierung geschlossen waren, standen wir infolge des nasskalten Wetters eine Zeitlang buchstäblich im Regen, bis Pater Simeon uns sehr herzlich empfing (Während der gesamten Fahrt war es recht kühl und nur teilweise sonnig. Dafür ist es Im Oktober während unseres Austauschs immer sehr warm und trocken).
Grabeskirche in der Altstadt: Eingang zu Jesu Grab
Via Dolorosa: Blick auf Österrreichisches Hospiz
Jerusalemer Tempelberg mit Felsendom
Damaskustor: Eingang zum muslimischen Viertel
Blick auf Altstadt und Dormitio-Abtei (ganz hinten)
Roland, Pater Simeon und ich vor der Abtei
Abends fuhren wir dann zum Abraham‘s Haus in Ost-Jerusalem (mit toller Aussicht auf Altstadt und Ölberg), einem ehemaligen Benediktiner-Kloster, das jetzt als Pilgerhotel von der französischen Caritas und Dominikanerinnen geleitet wird, wo wir mit Husam und Angela Goldstein (britische Jüdin, die schon lange in Israel lebt und sich mit ihrer Organisation gegen Häuserzerstörung und Vertreibung von Palästinensern bzw. auch Beduinen einsetzt, www.jahalin.org ) zu Abend aßen und uns über unsere Projekte, Aktivitäten und Vorhaben austauschten. Danach fuhren wir ins Birgittinnen-Kloster zurück, wo wir übernachteten.
Blick auf Altstadt vom Abraham’s Haus
Unser Fahrer Husam und Angela Goldstein
Am nächsten Tag besuchten wir vormittags in Bethlehem zunächst die katholische Universität, wo wir wieder von Amjaad, der mir gut bekannten Pressesprecherin, empfangen wurden. Je 75% der StudentInnen sind weiblich bzw. muslimisch. Während der Corona-Zeit konnten keine deutschen Volontäre kommen. Auf unserer Fahrt im Oktober werden wir aber wieder auf einen neuen deutschen Volontär treffen. Nach einer kurzen Führung durch Hauptgebäude, Kirche und Außengelände trafen wir einige StudentInnen, die uns etwas über sich, ihr Studium und ihre Berufswünsche erzählten.
Bethlehem Universität: Außengelände
Amjaad und StudentInnen der Universität
Tora Schule vor ToN, Siedlung Neve Daniel (Hintergrund)
Husam + Nethanel vor dessen Haus in Neve Daniel
Roadblock: ToN von hier nur zu Fuß erreichbar
ToN-Motto: Wir weigern uns, Feinde zu sein
Mit Daoud Nassar auf dem ToN
Daoud mit seinen Brüdern Daher und George
Eine der vielen Zisternen (insges. 500.000 Liter)
unterirdischer Meeting-Raum des ToN
ToN: Blick auf die Tausenden verbrannter Bäume
Solaranlagen auf dem ToN
Anschließend fuhren wir nach Hebron zur Abrahams Moschee, wovon wir aber nur den streng militärisch abgeriegelten, kleineren jüdischen Teil besichtigen konnten. Das israelische Militär ließ uns zwar auch bis zum muslimischen Eingang der Moschee, aber ein muslimischer Wächter uns wegen des muslimischen Freitags nicht hinein (Manchmal darf man auch freitags außerhalb der Gebetszeiten in die sehr schön bemalte Moschee, manchmal und diesmal eben nicht.). Wir besuchten anschließend noch den ebenfalls militärisch kontrollierten Souk (elektrische Drehtüren mit Kontrolle durch israelisches Militär), der wie immer einen sehr deprimierenden Eindruck hinterließ, da wieder – mangels Tourismus auch schon vor Corona – über 90% der Läden geschlossen waren. Viele Häuser sind zerschossen oder verfallen. Immer mehr Palästinenser/-innen verlassen daher ihre Wohnungen zumeist in den oberen Stockwerken, in die dann nach und nach israelische Familien einziehen. Auf diese Weise gibt es mittlerweile schon viele neu renovierte Häuser, über denen dann stolz die israelische Flagge weht.
Hebron: Abrahams Moschee
jüdischer, abgetrennter Teil der Moschee als Synagoge
Blick von Synagoge auf Abraham-Kenotaph
Hebron: menschenleerer Souk mit Auffangnetzen
Diese neuen israelischen Bewohner werfen dann ihren Abfall und Unrat auf die unter ihnen lebenden Palästinenser/-innen, die eigens Netze aufspannen müssen, um sich vor diesem Unrat zu schützen – ein Verhalten, das wirklich zutiefst beschämend ist, aber leider vom israelischen Militär geduldet wird. Wir fuhren dann zurück nach Beit Jala, einem Stadtteil von Bethlehem, wo wir zunächst im Gästehaus der Talitha-Kumi-Schule eincheckten und dann mit Matthias Wolf, dem Leiter dieser Schule sowie der Lehrerin Sanaa und den Lehrern Hanna und Jousef ins exzellente, aber leider schon recht teure Al- Hakoura-Restaurant nach Beit Sahour („Hirtenfelder“) fuhren, in dem auch unsere Gruppe im Oktober wieder zu Abend essen wird. Dabei lernten wir neben Matthias, mit dem wir schon länger eng zusammenarbeiten, auch die anderen 3 am Austausch beteiligten Lehrer/-innen kennen und sprachen über das jeweilige Programm der zweiseitigen Begegnungen im Juni und Oktober 22. Danach waren wir noch bei der Familie von Tony Nassar zu Gast, ehe wir im Gästehaus der Talitha-Kumi-Schule übernachteten.
Talitha-Kumi-Schule in Beit Jala
Gästehaus der Talitha-Kumi-Schule
Mattias Wolf, Lehrer/-in Sanaa, Hanna und Jousef
Familie von Tony Nassar (ohne Basil, 2 J.) + Roland
Um 8 Uhr besuchten wir die Talitha-Kumi-Schule und sprachen auch mit allen 16 am Gegenbesuch bei uns beteiligten SchülerInnen, die sich schon sehr auf ihren Besuch bei uns freuten, über deren Erwartungen an diesen Austausch. Danach trafen wir Tony, den jüngsten Bruder von Daoud, in der Dar Al Kalima Schule in Bethlehem, mit dem wir von 2013-19 den Jugendaustausch durchgeführt haben. Er zeigte uns seine Schule mit integriertem Kindergarten und gab uns die Gelegenheit, in einigen Klassen kurz am Unterricht teilzunehmen. Wir werden diese Schule auf jeden Fall im Oktober 22 wieder besuchen und hoffen, dass sie ab 2023 wieder am Austausch teilnehmen kann.
Musikraum der Talitha-Kumi-Schule
Jousef mit am Austausch beteiligten SchülerInnen
Schulhof der Dar Al-Kalima-Schule
Kindergarten der Dar Al-Kalima-Schule
Alle christlichen Schulen (meist mit einem Anteil von ca. 75% an muslimischen SchülerInnen) haben übrigens am Freitag (Feiertag der Muslime) und Sonntag (Feiertag für Christen) unterrichtsfrei. Am Samstag (Schabbat und jüdischer Feiertag) haben sie dagegen Unterricht.
Danach trafen wir George Bassous, ein syrisch-aramäischer, palästinensischer Christ und Generalmanager des riesigen Kongresspalasts „City of Cultures and Civilizations“ bei Solomon’s Pools im Süden von Bethlehem.
Der Kongresspalast („Convention Palace“), eine gemeinsame Investition der Consolidated Contractors Company „CCC“ und des Palestine Investment Fund „PIF“, war eines der Projekte, die Teil der Vorbereitungen von Bethlehem waren, um das neue Jahrtausend willkommen zu heißen. Die Architektur wurde mit den nahegelegenen Sehenswürdigkeiten wie dem „Murad Castle“, dem Museum und den historischen „Solomon-Pools“ synchronisiert, wodurch die historische und archäologische Natur der Region erhalten blieb. In den Räumlichkeiten am südlichen Stadtrand von Bethlehem befinden sich ein riesiges Auditorium, eine Ausstellungsgalerie, ein Theater mit über 2.200 Sitzplätzen und modernster Technik, Tagungsräume und eine Cafeteria. Der Palast beherbergt im Laufe des Jahres mehrere wichtige lokale und internationale Veranstaltungen und hat es geschafft, den internationalen Standard der Gastlichkeit zu wahren. Die Gegend im und um den Kongresspalast empfing jedes Jahr (bis 2019) Tausende von Besuchern, die die Geschichte und das Erbe des Ortes erkunden und die interessante Mischung von Veranstaltungen und Aktivitäten genießen möchten, insbesondere die im Sommer durchgeführten Programme. Das Schlossmuseum beherbergt eine der größten ethnografischen Sammlungen palästinensischer Geschichte und Kultur.
Mit George Bassous vor dem Kongresspalast
Theater des Kongresspalastes
Eingangsbereich des Kongresspalastes
Außengelände
Nach einem kurzen Besuch der Geburtskirche (Diesmal gab es zum 1. Mal keine Warteschlange vor der Geburtsgrotte!), fuhren wir zur Bethlehemer Mauer, die die Stadt wie ein Gefängnis umschließt. Die vielen früher sehr sehenswerten und zum Teil auch berührenden Graffiti u.a. vom berühmten Künstler Banksy sind jetzt leider meist sehr unprofessionell mit neuen Graffitis übersprüht, um nicht zu sagen verschandelt, so dass das Fotografieren kaum noch lohnt.
Bethlehemer Mauer
Wallet-Hotel direkt an der Mauer
Mit Dr. Hiyam Marzouqa vor dem Caritas Baby Hospital
im Kreis der Familie unseres Fahrers Husam Moner
Frühmorgens fuhren wir nach Ramallah, der inoffiziellen Hauptstadt Palästinas, in dem auch der Palast der derzeitigen Präsidenten Abbas liegt. Direkt davor befindet sich das Grabmal von Jassir Arafat, das wir kurz besichtigten. Danach stand ein Kurzbesuch der Al Jalazoon Secondary Girl’s School (mit KFW-Mitteln erbaut) im Flüchtlingslager von Ramallah auf unserem Programm, der erst nach mehrfacher Intervention bei der Palästinensischen Autonomiebehörde zustande kam, die wegen der Corona-Pandemie eigentlich alle Besuche in der Schule und auch bei uns untersagt hatte. Mit dieser Schule hat die Idee für Jugendbegegnungen mit Israel-Palästina zuerst auf schulischer Ebene für mich als ehemaliger Lehrer des Berufskollegs Opladen (ab 2008) und dann später auch mit JIK (seit Vereinsgründung 2011) begonnen. Obwohl Husam eigentlich der beste Fahrer der Welt ist und schon öfter dort war, verfuhr er sich mehrfach in diesem vollkommen undurchsichtigen Gassengewirr, bis wir die Schule (errichtet auf einer ehemaligen Müllkippe) endlich erreichten. Da diese Schule – wie die israelischen Schulen – freitags und samstags frei haben, konnten wir sie am Sonntag während der Schulzeit besuchen.
Ramallah: Grabmal Arafats; links: Präsidentenpalast
Flüchtlingslager: Al Jalazoon Secondary Girl’s School
Schulleiterin, Generaldirektor (3.v.l.), Rabeeha (rechts)
Mathematik-Unterricht in der 6. Klasse
Vom Damaskustor fuhr Husam uns dann zur Reformsynagoge Kol Haneshhama, die wir ebenfalls seit Beginn unseres Jugendaustauschs besuchen. Hier wurden wir vom neuen Rabbi Oded und seiner Assistentin Anna sehr herzlich empfangen.
Da diese Reformsynagoge sehr offen und liberal ist, konnten wir problemlos darüber sprechen, dass wir vorher in Ramallah waren und das ToN unterstützen. Leider führt bei vielen Israelis allein die Erwähnung von Kontakten zu Palästina zum Abbruch des Gesprächs bzw. des Kontakts. Dies haben wir vor einigen Jahren beim berühmten, interkulturellen und sich eigentlich liberal gebenden Leo Baeck Education Center in Haifa erleben müssen, wo uns deshalb Antisemitismus und die Befürwortung der Auslöschung Israels vorgeworfen wurden, nur weil wir das ToN des christlichen Palästinensers Daoud Nassar unterstützen!
Reformsynagoge Kol HaNeshama
mit Rabbi Oded in der Synagoge
Wegen Sukkot (inkl. Vorbereitungen) und Jom Kippur im Oktober ist laut Rabbi Oded eine Begegnung mit anderen Jugendlichen der Reformsynagoge unsicher, aber vielleicht klappt es ja doch noch. Nach dem Besuch der Reformsynagoge brachte uns Husam zur oberen Aussichtsplattform des Ölbergs, von wo aus wir bei herrlichem Ausblick auf Altstadt und Felsendom bis zur Stadtmauer heruntergingen und u.a. das Mariengrab, den Garten Gethsemane, die Kirche der Nationen und „Absaloms Grab“ (in Wahrheit das Grab einer aristokratischen jüdischen Familie aus dem 1. Jh. n. Chr.) im Kidrontal besichtigten, von wo man die Siedlung Silvan (ca. 35.000 Palästinenser/-innen) sieht, deren Häuser mangels Genehmigungen Israels ebenfalls vom Abriss bedroht sind, ehe wir zu den Birgittinnen zum Abendessen zurückkehrten und dort übernachteten.
Morgens besuchten wir das Paulushaus und die Schmidt-Schule (auch von JIK gefördert) in Ost- Jerusalem, wo wir von der Schulleiterin Dr. Eva Schönemann sehr herzlich begrüßt wurden. Sie war übrigens vorher Leiterin der Gesamtschule in Troisdorf und kennt Bonn und den RSK daher sehr gut. Sie zeigte uns einige Räumlichkeiten der Schule, erklärte uns das Schulsystem und berichtete über die momentan immer noch sehr schwierige finanzielle Lage der Schule, vor allem aber der immer noch oft arbeitslosen muslimischen Eltern (ca. 75%), die häufig das Schulgeld nicht bezahlen können. Auch in dieser Schule möchten wir mit unserer Gruppe im Oktober einen Workshop durchführen.
Mit Dr. Schönemann vor der Schmidt-Schule
Schulhof der Schmidt-Schule
Blick vom Schulhof auf das Paulushaus
Blick vom Paulushaus auf Damaskustor und Altstadt
Mit Aid Jahalin und Tochter
alte Autoreifen als Baumaterial
Autoreifenschule der Jahalin-Beduinen
Blick in einen Klassenraum
Wasseranschluss nur für Israelis am Schulzaun
geplanter Funpark nach Zwangsumsiedlung der Beduinen
In Jericho besuchten wir dann zunächst den riesigen Hisham-Palast, der kurz nach der Fertigstellung durch ein Erdbeben 749 n. Chr. zerstört wurde. Dank einer Überdachung des gesamten Palasts können die riesigen, wundervollen Mosaiken seit Ende 2021 zum 1. Mal besichtigt werden.
Nach dem Besuch des Bergs der Versuchung und dem griechisch-orthodoxen Felsenkloster mit Hilfe der Seilbahn sowie der Ein-Sultan-Quelle, bei der sich auch Jesus aufgehalten haben soll, besichtigten wir die 2011 erbaute, prachtvoll bemalte rumänisch-orthodoxe Kirche.
Jericho: Hisham-Palast
Hisham-Palast: Mosaik des paradiesischen Lebensbaums
Jericho: griechisch-orthodoxes Felsenkloster
Eingang zum Kloster
Kirche im Felsenkloster
Jericho: Ein-Sultan-Quelle
Jericho: Rumänisch-orthodoxe Kirche
Das Innere der Kirche
Danach fuhren wir zum palästinensischen Hauptquartier (das in Wahrheit aus Wellblechhütten besteht), wo wir seit vielen Jahren Colonel Hamza Jayyab besucht haben, der aber jetzt in Hebron stationiert ist. (Er berichtete uns stets relativ neutral über die jeweilige aktuelle politisch-militärische Lage, seine Arbeit als Vermittler bei Konflikten zwischen PalästinenserInnen und israelischen SoldatInnen an den Checkpoints, ohne dauernd lauthals das palästinensische Schicksal zu beklagen und einseitig Israel als allein Schuldigen darzustellen). Stets zeigte er sich sehr an unseren Projekten, erzählte von den beruflichen Fortschritten seiner Kinder (Keiner ist Soldat geworden, alle haben soziale und medizinische Berufe!), war immer gut gelaunt, lachte viel und sagte bezüglich der Zukunft stets lächelnd „Inschallah“ (so Gott will). Ich wünsche mir oft, dass die SoldatInnen an den Checkpoints trotz ihrer durchaus nicht immer ungefährlichen Arbeit noch öfter freundlicher auftreten und mehr lächeln würden, zumal wir deutsche Touristen ja sicher keine Gefahr darstellen. Im Oktober möchten wir seinen Nachfolger besuchen, der dann hoffentlich genauso gut drauf ist.
Da das Gespräch mit der wunderbaren evangelischen Pfarrerin Gabi Zander in der Kaiserin-Auguste- Viktoria-Stiftung in der Nähe unseres Birgittinnen-Klosters ausfiel (Sie kehrte am 9. März nach 6 Jahren wieder nach Deutschland zurück und musste noch so viel erledigen.), konnten wir schon am frühen Abend durch die Fußgängerzone von West-Jerusalem schlendern, wo wir auch zu Abend aßen, aber – ähnlich wie in Ost-Jerusalem und Bethlehem – feststellen mussten, dass sich die Preise in vielen Lokalen wohl fast verdoppelt haben.
Vormittags nutzten wir die letzte Gelegenheit, die Jerusalemer Altstadt zu besuchen, auch für den Kauf von Souvenirs. Danach trafen wir den Propst Joachim Lenz in der Propstei neben der Erlöserkirche und eine Praktikantin, die erst seit ein paar Tagen in Jerusalem war. Auch hier war die Propstei wegen der laufenden Renovierungsarbeiten noch eine Großbaustelle wie die Dormitio Abtei. Wir erzählten ihm von unseren bisherigen Besuchen bei den verschiedenen Organisationen und Einrichtungen, wobei der Propst praktisch alle Einrichtungen selbst kennt. Nachdem er uns über die schwere Zeit seit 2020 auch für die evangelischen Christen im Heiligen Land informierte, tauschten wir uns gegenseitig aus über die aktuelle Situation auf dem ToN u. das Projekt des interreligiösen Engel-der-Kulturen-Dachgartens, der direkt an das Café des evangelischen Gästehauses grenzt. Laut Propst (ähnlich äußerte sich auch George Bassous, s.o.) haben die Jerusalemer Stadtverwaltung und die verschiedenen Eigentümer des Dachgartens (neben der evangelischen Kirche auch radikale jüdische Siedler) zurzeit weder Geld noch großes Interesse daran, dieses sehr unebene Gelände mit tiefen Stufen als Stolperfallen zu begradigen und als gut begehbaren Fußgängerbereich im Schnittpunkt zwischen den Vierteln der Altstadt auszubauen (trotz mehrerer schwerer Unfälle mit Querschnittslähmung bei Nacht wegen schlechter Beleuchtung!). Auch die immer noch angespannte politisch-religiöse Lage spielt hierbei sicherlich eine Rolle. Das ist natürlich sehr schade, da dies ein wegweisenden interkulturelles Friedensprojekt für die das Heilige Land wäre.
Jerusalemer Altstadt: Souk muslimisches Viertel
Mit Propst Lenz und Praktikantin
Dachgarten
Dachgarten über der Jerusalemer Altstadt
Israel-Museum: Schrein des Buches
Israel-Museum: Model Jerusalems zur Zeit des 2. Tempels
Danach aßen wir wieder in Ost-Jerusalem zu Abend, wobei das an der Nablus Road gelegene, nicht weit von der Schmidt-Schule entfernte Hotel-Restaurant auch inzwischen umgebaut wurde und leider ebenfalls fast doppelt so teuer wie 2019 ist. Da wir Husams Hilfe so spät nicht mehr in Anspruch nehmen wollten, orderten wir einen lokalen Taxifahrer, der uns aber mangels Kenntnissen der Straßen sowie des Birgittinnen-Klosters auf dem Ölberg 30 Minuten durch Ost-Jerusalem kutschierte, obwohl es einen einfachen und kurzen Weg mit maximal 10 Minuten Fahrtzeit gab.
Frühmorgens fuhren wir nach Haifa. Unsere erste Station waren die Bahai-Gärten mit dem Schrein des Bab, den ich zum ersten Mal auch von Innen sehen wollte.
Feiern ohne Rituale
An den heiligsten Tagen der Ridvanzeit, dem ersten, als Baha’u’llah, der Nachfolger des Bab verkündete, dass er der Verheißene sei, dem neunten, als ihn seine Familie im Garten Ridvan besuchte, und dem zwölften, als er den Garten verließ, arbeiten die Bahai nicht. Sie treffen sich an diesen Tagen, um Andachten abzuhalten und zu feiern. In manchen Ländern wie in Indien haben auch die Kinder schulfrei. Exakter Beginn des Ridvan-Festes ist der 21. April, 2 Stunden vor Sonnenuntergang. Zum Fest finden religiöse Zusammenkünfte in Andachtsräumen mit gemeinsamen Gebeten und Feiern statt. Die Geschichte über die Zeit, die Baha’u’llah im Garten Ridvan verbrachte, wird erzählt, vorgelesen oder von den Kindern als Theaterstück dargestellt. Anschließend feiert man zu Hause bei einem guten Mahl. Auch wenn es keine festgelegten Rituale für die Feier gibt. Denn solche kennen die Bahai nicht. Ebenso gibt es weder zeremonielle Gottesdienste noch einen religiösen Klerus. Gemeindebelange werden auf örtlicher, nationaler und internationaler Ebene von demokratisch gewählten Körperschaften wahrgenommen. Ebenfalls am ersten Ridvan-Tag werden lokale Gremien einberufen, die „geistigen Räte“, die jeweils aus 9 Personen bestehen. Zuvor müssen sie aus der Gesamtheit der Gemeinde gewählt werden und üben dann ihr religiöses Amt für ein Jahr aus.
Leider hatte es vorher etwas geregnet. Die Sicherheitsbeamten am unteren Einlass der Bahia-Gärten meinten daher, dass die Treppenstufen für Touristen zu glatt seien, sodass nur Angehörige der Bahai- Religion eingelassen wurden. Es war also schon wieder nichts mit der Besichtigung des Bab-Schreins.
Wir fuhren nun hoch zum Pilgerhaus des Karmeliten-Klosters „Stella Maris“ am Hang des Karmelgebirges, wo wir seit vielen Jahren mit unserer Gruppe übernachten, und besuchten Schwester Edith, die ebenfalls von den vergangenen schweren Corona-Jahren berichtete und unsere Gruppe sehr vermisst hatte. Von hier hat man einen tollen Ausblick auf Haifa, den Hafen und das Mittelmeer. Nach Besichtigung der Hauptkirche und der Elias-Höhle im Inneren, fuhren wir zum oberen Eingang der Bahai-Gärten, von wo wir nochmals einen traumhaften Ausblick auf die Gärten, den Schrein des Bab (Wahrzeichen von Haifas) und das Mittelmeer hatten.
Haifa: Bahai-Gärten mit Schrein des Bab
Klosterkirche Stella Maris
Blick auf Haifa und Mittelmeer
Blick vom Hang des Karmelgebirges auf Haifa und Mittelmeer
Von Haifa fuhren wir zur ehemaligen Kreuzfahrerstadt Akko, wo wir u.a. neben der gut erhaltenen Stadtmauer, der wunderbar bemalten Al-Jazzar-Moschee sowie der berühmten, immer weiter ausgegrabenen, riesigen unterirdischen Kreuzfahrerstadt (bisher erst ca. 15% frei gelegt) auch die unterirdischen Gänge besichtigten, die bis zum Meer führen und den Belagerten die Flucht bzw. die Versorgung mit Lebensmitteln etc. ermöglichten, weshalb diese Festung erst 1291 von den Mamluken erobert und 1799 von Napoleon sogar vergeblich belagert wurde. Ich wollte Roland noch den Hafen mit seinem wundervollen Panomara und Blick auf das Mittelmeer zeigen.
Akko: Unterirdische Kreuzfahrerstadt
mittelalterliche Stadtmauern von Akko
Akko: Blick auf Al-Jazzar-Moschee
die Al-Jazzar-Moschee von innen
Jedoch blieb dafür nur sehr wenig Zeit, da wir unbedingt noch nach Tiberias und den Sehenswürdigkeiten am See Genezareth fahren wollten. Wir besuchten dort zunächst den wunderschön am See gelegenen „Berg der Seligpreisungen“ mit der Kirche aus den 60er Jahren, dann Kapernaum, die Stadt, in der Jesus in der Synagoge gelehrt (Grundmauern der schwarzen Synagoge aus dem 1. Jh. n. Chr. unter den Ruinen der byzantinischen Synagoge noch sichtbar), im Haus der Schwiegermutter des Petrus eine Zeitlang gelebt und wohl erste, später christlich genannte Rituale mit seinen JüngerInnen durchgeführt hat. Über den Ruinen dieses Hauses ist 1990 eine Petrus-Kirche mit Glasboden errichtet worden, sodass man diese Überreste von oben sehr gut sehen kann.
Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen
Blick auf den See Genezareth
Kapernaum mit Resten der byzantinischen Synagoge
Kirche über den Ruinen des Petrus-Hauses
Nach dem Besuch des Gästehauses und der Brotvermehrungskirche in Tabgha fuhren wir nach Tiberias, wo wir wegen der vergeblichen Reservierung von Unterkünften für unsere Gruppe im Oktober bei Hotels bzw. Hostels selbst nachfragen wollten. Es stellte sich heraus, dass wegen Sukkot inkl. Ferien in dieser Zeit einige Reiseunternehmen vorsorglich sehr viele Zimmer geblockt haben, sodass Buchungen aus dem Ausland nur schwer möglich waren. Schließlich fanden wir nur noch im neu errichteten Aviv-Hostel (nicht weit entfernt von der weitläufigen Seepromenade) freie Zimmer, jedoch für durchschnittlich 120 € (allerdings mit tollem Frühstücks- und Abendbuffet). Leider sind auch die Preise für Benzin, Gastronomie etc. sehr stark gestiegen, sodass sich bereits unsere Fahrt im Oktober erheblich verteuern wird.
Bevor wir wieder nach Jerusalem zurückfuhren, machten wir noch kurz hinter Tiberias an einer Brücke über den Jordan Halt, von der man aus eine sehr gute Sicht auf diese früher ausschließlich und heute noch gelegentlich von Pilgergruppen (in weiße Taufgewänder gekleidet) als angebliche Taufstelle Jesu verehrten Ort hat (Yardenit). Seit 2015 kann man die wirkliche Taufstelle Jesu Qasr El Yahud südlich von Jericho besuchen, da sie kein militärisches Sperrgebiet mehr ist.
Tiberias: Promenaden-Blick auf See Genezareth
angebliche Taufstelle Jesu am Jordan bei Tiberias (Yardenit)
Da es mittlerweile schon fast dunkel war, fuhren wir auf direktem Wege zurück nach Jerusalem, wo uns Husam wieder in Ost-Jerusalem absetzte, wir schließlich in einem schönen, sehr teuren Restaurant landeten und dann wieder einen lokalen Taxifahrer nahmen, der das Birgittinnen-Kloster diesmal jedoch schneller fand. Am Donnerstag, 10. März brachte uns Husam zum Flughafen Ben Gourion, von wo wir zurück nach Deutschland zurückflogen.
Roland – zum ersten Mal in Israel-Palästina und wie immer ein sehr angenehmer, interessierter Begleiter und Gesprächspartner – hat unheimlich viele neue Eindrücke gewonnen – und tolle Bilder gemacht (s.o.). Da er im Oktober auch an der 16-tägigen Fahrt im Oktober teilnimmt, kann er diese vielfältigen Erfahrungen und Begegnungen dann noch weiter vertiefen.
So schön es war, mangels Touristen- und Pilgergruppen nirgendwo lange warten zu müssen, so sehr wünschen wir natürlich dem Heiligen Land wieder so viele ausländische Besucher/-innen wie 2019. Über Ostern sollen schon über die Hälfte der früheren Touristen- und Pilgergruppen gekommen sein. Im Oktober wird es dann in Israel-Palästina wohl wieder ähnlich voll werden wie vor Corona.
Viele Einrichtungen und Organisationen, die wir auch im Oktober besuchen möchten, hatten in der Corona-Zeit große Probleme, die jetzt so langsam überwunden werden, sodass wir unser geplantes Programm im Oktober weitestgehend durchführen können. Einige Programmpunkte werden wir neu aufnehmen (z. B. Jahalin-Beduinen, Workshops an Talitha-Kumi- und Schmidt-Schule statt Dar Al Kalima Schule, EAPPI), andere wie die Übernachtung in der großen Beduinen-Zeltstadt Kfar- Hanokdim in der Negev-Wüste (wegen Sukkot keine Übernachtung möglich), evtl. auch Caesarea oder den Besuch im christlichen Kibbuz Nes Ammim werden wir wohl zugunsten eines hoffentlich möglichen längeren Besuchs der Bahai-Gärten und des Bab-Schreins für dieses Jahr zurückstellen. Sehr viel hängt natürlich auch davon ab, dass der schreckliche Ukraine-Krieg sich nicht immer weiter ausdehnt und solche Begegnungsfahrten weiter zulässt.
Gregor Schröder