Berichte Jugendaustausch

Vorbereitungsfahrt im März 22 in Israel-Palästina

Vorbemerkung: Weitere Infos zu den besuchten Einrichtungen und Organisationen findet ihr unter Spendenaktionen bzw. Projekte.
Vom 3.-10. März 22 war ich mit Roland Gras, einem JIK-Mitarbeiter (als ehemaliger St. Georgs- Pfadfinder vielseitig einsetzbar und allzeit bereit sowie Fotograf – siehe die folgenden Bilder), in Israel-Palästina, um unsere zahlreichen Spendenaktionen u. Projekte zu betreuen sowie – nach 2,5 Jahren Corona bedingter Abwesenheit – die aktuelle Lage vor Ort zu erkunden und den zweiseitigen Austausch mit der Talitha-Kumi-Schule im Juni und Oktober vorzubereiten. Vor Reiseantritt mussten wir noch einen PCR-Test machen und das israelische Einreiseformular ausfüllen.
1. Tag: Donnerstag, 3. März – Jerusalem

Nach der Ankunft am Flughafen Ben Gourion um kurz nach 9 Uhr ging die Passkontrolle dank maschineller Lesegeräte für die Reisepässe und Ausgabe der blauen Visakärtchen bei Ein- und Ausreise sowie Wegfall der unsinnigen und langwierigen Befragungen durch die Sicherheitsbeamten jetzt viel einfacher und schneller als bei unseren früheren Fahrten bis 2019. Auch der PCR-Test am Flughafen Tel Aviv erfolgte sehr zügig, sodass wir ohne große Verzögerung unseren Minibusfahrer Husam treffen konnten, der – mangels Tourismus – vorerst noch Taxi fährt und uns während unseres gesamten Aufenthalts immer dann zur Verfügung stand, wenn wir ihn brauchten.

Wir fuhren zunächst nach Jerusalem zum Birgittinnen-Kloster am Ölberg, wo wir von den noch verbliebenen 6 Schwestern überaus herzlich empfangen wurden, die sich nochmals überschwänglich für unsere Spenden über 20.000 € bedankten, mit deren Hilfe sie u.a. ihre Heizungs- und Klima-Anlage reparieren und ihrem 2. Kloster in Bethlehem ebenso helfen konnten.

Birgittinnen-Kloster am Ölberg

Die Birgittinnen (vorne im Rollstuhl: ehem. Oberin Teresa)

Jerusalem: Klagemauer

Auf dem Weg zur Klagemauer wegen Bar-Mizwa-Feier

Nach dem Einchecken zeigte ich Roland einige mir seit vielen Jahren sehr vertraute zentrale Sehenswürdigkeiten der Altstadt (Souk, Tempelberg, Klagemauer, Löwentor, Damaskustor, Via Dolorosa, Österreichisches Hospiz – eine erhöht gelegene Oase der Ruhe mit Gastronomie in einem wundervollen Garten inmitten von Palmen u. Kakteen -, Grabes- und Erlöserkirche, Abendmahlssaal, Davidsgrab, das Grab von Oskar Schindler etc.). Vor dem Gespräch mit Pater Simeon in der Dormitio- Abtei wollten wir noch die Kirche mit Krypta besuchen. Da diese aber (ebenso wie Cafeteria u. Souvenir-Shop) wegen Renovierung geschlossen waren, standen wir infolge des nasskalten Wetters eine Zeitlang buchstäblich im Regen, bis Pater Simeon uns sehr herzlich empfing (Während der gesamten Fahrt war es recht kühl und nur teilweise sonnig. Dafür ist es Im Oktober während unseres Austauschs immer sehr warm und trocken).

Grabeskirche in der Altstadt: Eingang zu Jesu Grab

Via Dolorosa: Blick auf Österrreichisches Hospiz

Jerusalemer Tempelberg mit Felsendom

Damaskustor: Eingang zum muslimischen Viertel

Blick auf Altstadt und Dormitio-Abtei (ganz hinten)

Roland, Pater Simeon und ich vor der Abtei

Natürlich war die Corona-Pandemie mit dem ausbleibenden Tourismus auch für die Dormitio-Abtei eine schwere Zeit, die aber durch umfassende und noch bis 2023 dauernde Renovierung der Abtei genutzt wurde. Pater Simeon selbst hat während dieser Zeit angefangen, seine Doktorarbeit zu schreiben, neben seinen umfangreichen Aufgaben u.a. in der Klosterbibliothek. Am Schluss zeigte er sich sehr beeindruckt von unseren Projekten und Spendenaktionen und empfahl uns die Förderung der Jugendbegegnungsstätte Beit Noah in Tabgha neben der Brotvermehrungskirche und dem Kloster, das ebenfalls zur Dormitio-Abtei gehört. Diesen Wunsch hat JIK bereits erfüllt.

Abends fuhren wir dann zum Abraham‘s Haus in Ost-Jerusalem (mit toller Aussicht auf Altstadt und Ölberg), einem ehemaligen Benediktiner-Kloster, das jetzt als Pilgerhotel von der französischen Caritas und Dominikanerinnen geleitet wird, wo wir mit Husam und Angela Goldstein (britische Jüdin, die schon lange in Israel lebt und sich mit ihrer Organisation gegen Häuserzerstörung und Vertreibung von Palästinensern bzw. auch Beduinen einsetzt, www.jahalin.org ) zu Abend aßen und uns über unsere Projekte, Aktivitäten und Vorhaben austauschten. Danach fuhren wir ins Birgittinnen-Kloster zurück, wo wir übernachteten.

Blick auf Altstadt vom Abraham’s Haus

Unser Fahrer Husam und Angela Goldstein

2. Tag: Freitag, 4. März – Bethlehem, Neve Daniel, ToN, Hebron, Beit Jala, Beit Sahour

Am nächsten Tag besuchten wir vormittags in Bethlehem zunächst die katholische Universität, wo wir wieder von Amjaad, der mir gut bekannten Pressesprecherin, empfangen wurden. Je 75% der StudentInnen sind weiblich bzw. muslimisch. Während der Corona-Zeit konnten keine deutschen Volontäre kommen. Auf unserer Fahrt im Oktober werden wir aber wieder auf einen neuen deutschen Volontär treffen. Nach einer kurzen Führung durch Hauptgebäude, Kirche und Außengelände trafen wir einige StudentInnen, die uns etwas über sich, ihr Studium und ihre Berufswünsche erzählten.

Bethlehem Universität: Außengelände

Amjaad und StudentInnen der Universität

Danach fuhren wir Richtung Hebron zur israelischen Siedlung Neve Daniel, wo wir bei Nethanel Boxberg zu Hause eingeladen waren – ein ehemaliger Bonner, der dort seit langem mit einer Israelin verheiratet ist (2 Söhne) und deshalb zum jüdischen Glauben (zu 150%) konvertierte, was jahrelang gedauert hat. Wir schätzen uns, obwohl wir sicher sehr unterschiedliche Ansichten bezüglich des Nahost-Konflikts und speziell der prekären Situation der Palästinenser/-innen haben. Für uns ist es ein großer Vorteil, einmal eine israelische Siedlung besuchen und die Meinung eines – alles in allem – doch noch recht gemäßigten jüdischen Siedlers zu erfahren, zumal diese Siedlung direkt neben dem Tent of Nations (ToN) liegt, das wir gleich danach besuchten.

Tora Schule vor ToN, Siedlung Neve Daniel (Hintergrund)

Husam + Nethanel vor dessen Haus in Neve Daniel

Nachdem wir den vom israelischen Militär errichteten Roadblock zu Fuß überwunden hatten, wurden wir von Daoud und Daher Nassar empfangen, die beide noch unter den Folgen des auf sie verübten Attentats vom 28.1.22 leiden (z.B. starke Schmerzen in den Beinen bei längerer Arbeit auf dem 42 ha großen Land). Daoud zeigte uns die großen Zerstörungen und Brandschatzungen an Gebäuden, Solaranlagen und Tausenden Bäumen. Jedoch war er zuversichtlich, dass seine Familie den 31-jährigen Prozess am 2. Mai gewinnen könnte. Leider konnten wir die deutschen Freiwilligen von EAPPI (auch von JIK unterstützt), die versuchen, durch regelmäßige Besuche das ToN vor weiteren Angriffen zu schützen, diesmal aus Termingründen nicht treffen.

Roadblock: ToN von hier nur zu Fuß erreichbar

ToN-Motto: Wir weigern uns, Feinde zu sein

Mit Daoud Nassar auf dem ToN

Daoud mit seinen Brüdern Daher und George

Eine der vielen Zisternen (insges. 500.000 Liter)

unterirdischer Meeting-Raum des ToN

ToN: Blick auf die Tausenden verbrannter Bäume

Solaranlagen auf dem ToN

Anschließend fuhren wir nach Hebron zur Abrahams Moschee, wovon wir aber nur den streng militärisch abgeriegelten, kleineren jüdischen Teil besichtigen konnten. Das israelische Militär ließ uns zwar auch bis zum muslimischen Eingang der Moschee, aber ein muslimischer Wächter uns wegen des muslimischen Freitags nicht hinein (Manchmal darf man auch freitags außerhalb der Gebetszeiten in die sehr schön bemalte Moschee, manchmal und diesmal eben nicht.). Wir besuchten anschließend noch den ebenfalls militärisch kontrollierten Souk (elektrische Drehtüren mit Kontrolle durch israelisches Militär), der wie immer einen sehr deprimierenden Eindruck hinterließ, da wieder – mangels Tourismus auch schon vor Corona – über 90% der Läden geschlossen waren. Viele Häuser sind zerschossen oder verfallen. Immer mehr Palästinenser/-innen verlassen daher ihre Wohnungen zumeist in den oberen Stockwerken, in die dann nach und nach israelische Familien einziehen. Auf diese Weise gibt es mittlerweile schon viele neu renovierte Häuser, über denen dann stolz die israelische Flagge weht.

Hebron: Abrahams Moschee

jüdischer, abgetrennter Teil der Moschee als Synagoge

Blick von Synagoge auf Abraham-Kenotaph

Hebron: menschenleerer Souk mit Auffangnetzen

Diese neuen israelischen Bewohner werfen dann ihren Abfall und Unrat auf die unter ihnen lebenden Palästinenser/-innen, die eigens Netze aufspannen müssen, um sich vor diesem Unrat zu schützen – ein Verhalten, das wirklich zutiefst beschämend ist, aber leider vom israelischen Militär geduldet wird. Wir fuhren dann zurück nach Beit Jala, einem Stadtteil von Bethlehem, wo wir zunächst im Gästehaus der Talitha-Kumi-Schule eincheckten und dann mit Matthias Wolf, dem Leiter dieser Schule sowie der Lehrerin Sanaa und den Lehrern Hanna und Jousef ins exzellente, aber leider schon recht teure Al- Hakoura-Restaurant nach Beit Sahour („Hirtenfelder“) fuhren, in dem auch unsere Gruppe im Oktober wieder zu Abend essen wird. Dabei lernten wir neben Matthias, mit dem wir schon länger eng zusammenarbeiten, auch die anderen 3 am Austausch beteiligten Lehrer/-innen kennen und sprachen über das jeweilige Programm der zweiseitigen Begegnungen im Juni und Oktober 22. Danach waren wir noch bei der Familie von Tony Nassar zu Gast, ehe wir im Gästehaus der Talitha-Kumi-Schule übernachteten.

Talitha-Kumi-Schule in Beit Jala

Gästehaus der Talitha-Kumi-Schule

Mattias Wolf, Lehrer/-in Sanaa, Hanna und Jousef

Familie von Tony Nassar (ohne Basil, 2 J.) + Roland

3. Tag: Samstag, 5. März – Bethlehem – Jerusalem

Um 8 Uhr besuchten wir die Talitha-Kumi-Schule und sprachen auch mit allen 16 am Gegenbesuch bei uns beteiligten SchülerInnen, die sich schon sehr auf ihren Besuch bei uns freuten, über deren Erwartungen an diesen Austausch. Danach trafen wir Tony, den jüngsten Bruder von Daoud, in der Dar Al Kalima Schule in Bethlehem, mit dem wir von 2013-19 den Jugendaustausch durchgeführt haben. Er zeigte uns seine Schule mit integriertem Kindergarten und gab uns die Gelegenheit, in einigen Klassen kurz am Unterricht teilzunehmen. Wir werden diese Schule auf jeden Fall im Oktober 22 wieder besuchen und hoffen, dass sie ab 2023 wieder am Austausch teilnehmen kann.

Musikraum der Talitha-Kumi-Schule

Jousef mit am Austausch beteiligten SchülerInnen

Schulhof der Dar Al-Kalima-Schule

Kindergarten der Dar Al-Kalima-Schule

Alle christlichen Schulen (meist mit einem Anteil von ca. 75% an muslimischen SchülerInnen) haben übrigens am Freitag (Feiertag der Muslime) und Sonntag (Feiertag für Christen) unterrichtsfrei. Am Samstag (Schabbat und jüdischer Feiertag) haben sie dagegen Unterricht.

Danach trafen wir George Bassous, ein syrisch-aramäischer, palästinensischer Christ und Generalmanager des riesigen Kongresspalasts „City of Cultures and Civilizations“ bei Solomon’s Pools im Süden von Bethlehem.

Kongresspalast von Bethlehem

Der Kongresspalast („Convention Palace“), eine gemeinsame Investition der Consolidated Contractors Company „CCC“ und des Palestine Investment Fund „PIF“, war eines der Projekte, die Teil der Vorbereitungen von Bethlehem waren, um das neue Jahrtausend willkommen zu heißen. Die Architektur wurde mit den nahegelegenen Sehenswürdigkeiten wie dem „Murad Castle“, dem Museum und den historischen „Solomon-Pools“ synchronisiert, wodurch die historische und archäologische Natur der Region erhalten blieb. In den Räumlichkeiten am südlichen Stadtrand von Bethlehem befinden sich ein riesiges Auditorium, eine Ausstellungsgalerie, ein Theater mit über 2.200 Sitzplätzen und modernster Technik, Tagungsräume und eine Cafeteria. Der Palast beherbergt im Laufe des Jahres mehrere wichtige lokale und internationale Veranstaltungen und hat es geschafft, den internationalen Standard der Gastlichkeit zu wahren. Die Gegend im und um den Kongresspalast empfing jedes Jahr (bis 2019) Tausende von Besuchern, die die Geschichte und das Erbe des Ortes erkunden und die interessante Mischung von Veranstaltungen und Aktivitäten genießen möchten, insbesondere die im Sommer durchgeführten Programme. Das Schlossmuseum beherbergt eine der größten ethnografischen Sammlungen palästinensischer Geschichte und Kultur.

Mit George Bassous vor dem Kongresspalast

Theater des Kongresspalastes

Eingangsbereich des Kongresspalastes

Außengelände

George, den ich schon seit 2019 kenne, empfing uns sehr herzlich und erklärte uns zunächst den Stand der Arbeiten an den archäologischen Stätten (29.000 qm) mit drei historischen Solomon’s Pools, von denen zwei aus der Römerzeit und der dritte aus der osmanischen Zeit stammen, ferner an Murad Castle, die osmanische Festung, die zum Schutz des Wassers der Pools mit einer Fläche von 3.500 qm erbaut wurde; sodann die Weiterentwicklung der gesamten Anlage mit Hotels, Handwerkszentrum auf 12000 qm und traditionellem Basar. Als Architekt war George übrigens in beide Engel-der-Kulturen- Projekte auf dem ToN sowie den geplanten interkulturellen Dachgarten in der Jerusalemer Altstadt involviert. Auch wenn letzteres Projekt auf unabsehbare Zeit ausgesetzt ist, versprach er uns, uns bei unseren weiteren Projekten in Palästina tatkräftig zu unterstützen.

Nach einem kurzen Besuch der Geburtskirche (Diesmal gab es zum 1. Mal keine Warteschlange vor der Geburtsgrotte!), fuhren wir zur Bethlehemer Mauer, die die Stadt wie ein Gefängnis umschließt. Die vielen früher sehr sehenswerten und zum Teil auch berührenden Graffiti u.a. vom berühmten Künstler Banksy sind jetzt leider meist sehr unprofessionell mit neuen Graffitis übersprüht, um nicht zu sagen verschandelt, so dass das Fotografieren kaum noch lohnt.

Bethlehemer Mauer

Wallet-Hotel direkt an der Mauer

Direkt gegenüber der Mauer befindet sich das Caritas Baby Hospital (auch von JIK unterstützt, siehe Jugendhilfe Bethlehem), wo wir uns mit der Chefärztin Dr. Hiyam Marzouqa trafen, die uns sehr ausführlich über die vorbildliche Arbeit und aktuell finanziell sehr angespannte Lage dieser Einrichtung in einem Gebiet ohne Krankenversicherung und Gesundheitsvorsorge informierte. Danach waren wir bei Daoud Nassars Familie zu Gast, ehe wir nach Jerusalem zurückfuhren und bei Husams Familie zu Abend aßen. Spätabends fuhren wir dann zum Birgittinnen-Kloster auf dem Ölberg, wo wir bis Ende der Fahrt übernachteten.

Mit Dr. Hiyam Marzouqa vor dem Caritas Baby Hospital

im Kreis der Familie unseres Fahrers Husam Moner

4. Tag: Sonntag, 6. März – Ramallah, Jerusalem

Frühmorgens fuhren wir nach Ramallah, der inoffiziellen Hauptstadt Palästinas, in dem auch der Palast der derzeitigen Präsidenten Abbas liegt. Direkt davor befindet sich das Grabmal von Jassir Arafat, das wir kurz besichtigten. Danach stand ein Kurzbesuch der Al Jalazoon Secondary Girl’s School (mit KFW-Mitteln erbaut) im Flüchtlingslager von Ramallah auf unserem Programm, der erst nach mehrfacher Intervention bei der Palästinensischen Autonomiebehörde zustande kam, die wegen der Corona-Pandemie eigentlich alle Besuche in der Schule und auch bei uns untersagt hatte. Mit dieser Schule hat die Idee für Jugendbegegnungen mit Israel-Palästina zuerst auf schulischer Ebene für mich als ehemaliger Lehrer des Berufskollegs Opladen (ab 2008) und dann später auch mit JIK (seit Vereinsgründung 2011) begonnen. Obwohl Husam eigentlich der beste Fahrer der Welt ist und schon öfter dort war, verfuhr er sich mehrfach in diesem vollkommen undurchsichtigen Gassengewirr, bis wir die Schule (errichtet auf einer ehemaligen Müllkippe) endlich erreichten. Da diese Schule – wie die israelischen Schulen – freitags und samstags frei haben, konnten wir sie am Sonntag während der Schulzeit besuchen.

Ramallah: Grabmal Arafats; links: Präsidentenpalast

Flüchtlingslager: Al Jalazoon Secondary Girl’s School

Schulleiterin, Generaldirektor (3.v.l.), Rabeeha (rechts)

Mathematik-Unterricht in der 6. Klasse

Besonders von Rabeeha, die schon seit 2008 von dem jährlichen zweiseitigen Jugendaustausch kenne, aber auch von der neuen Schulleiterin und u.a. dem Generaldirektor des Erziehungsministeriums nebst Pressesprecher und Fotografen wurden wir überaus herzlich begrüßt und sprachen über die schweren Jahre 2020-21, die Fortführung der Zusammenarbeit nach Corona sowie Unterstützungen für die Schule in Form von Sachleistungen verschiedenster Art. Deutschland genießt in Palästina infolge seiner personellen und hohen finanziellen Unterstützung einen sehr guten Ruf. Auch deshalb möchte man an dieser Schule im nächsten Jahr mit dem Deutschunterricht beginnen und hofft dabei auf Unterstützung unserer Regierung. Auch diese Schule werden wir wieder im Oktober besuchen und hoffen, dass sie in den nächsten Jahren wieder am zweiseitigen Austausch teilnehmen kann. Obwohl diese Schule sich in einer sehr viel schlechteren Lage befindet als z.B. die aus Deutschland unterstützte Talitha-Kumi– und Schmidt-Schule, beindruckt uns alle immer wieder die rührende Herzlichkeit von Schüler- und Lehrerinnen. Da wir auf der Hinfahrt nach Ramallah und auf der Rückfahrt nach Jerusalem die von Husam ausgewählten Checkpoints ohne Wartezeiten passieren konnten, waren wir sehr früh wieder in der Altstadt, sodass wir uns noch das jüdische Viertel inkl. Hurva-Synagoge und Cardo maximus (ehemalige römische Hauptstraße mit original römischem Pflaster und Säulenresten sowie Mosaikkopie der Madaba-Karte, die Jerusalem im 6. Jh. zeigt), das christliche Muristan-Viertel, das Jaffa-Tor mit dem Eingang zur exklusiven West-Jerusalemer Shopping-Mall und den Dachgarten der Altstadt anschauen konnten, wo eigentlich der interreligiöse Engel-der-Kulturen-Garten realisiert werden sollte.

Vom Damaskustor fuhr Husam uns dann zur Reformsynagoge Kol Haneshhama, die wir ebenfalls seit Beginn unseres Jugendaustauschs besuchen. Hier wurden wir vom neuen Rabbi Oded und seiner Assistentin Anna sehr herzlich empfangen.

Kehilat Kol HaNeshama ist eine jüdische Reformgemeinschaft im Süden Jerusalems und tritt ein für Pluralismus, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiwilligenarbeit. Sie ist eine fürsorgliche, unterstützende Gemeinschaft, in der Menschen beten, studieren, sich für jüdische Bildung engagieren, Ereignisse im Lebenszyklus feiern und soziale Aktivitäten durchführen. Obwohl dieser liberalen Richtung die Mehrheit der Juden in den USA angehören, sind sie in Israel eine verschwindend kleine Minderheit. Ihre Rabbiner/-innen sind ehrenamtlich tätig – im Unterschied zu den vom Staat bezahlten ca. 4.000 orthodoxen Rabbinern. Nur diesen sind Eheschließungen, Begräbnisse und Entscheide zur Auslegung der Thora vorbehalten. Da es in Israel keine Standesämter gibt, müssen Ehepaare, die sich nicht von einem orthodoxen Rabbi trauen lassen wollen oder können, z. B. in Zypern heiraten, da Israel die im Ausland geschlossenen Ehen anerkennt. Es gibt ca. 40% orthodoxe und 10 % ultraorthodoxe Juden. Letztere lehnen den Staat Israel ab und weigern sich zu arbeiten sowie Militärdienst zu leisten (Männer 3, Frauen 2 Jahre – kein Ersatzdienst möglich, Wehrdienstverweigerern drohen Gefängnisstrafen). Etwa die Hälfte der Israelis bezeichnet sich als nicht religiös.

Da diese Reformsynagoge sehr offen und liberal ist, konnten wir problemlos darüber sprechen, dass wir vorher in Ramallah waren und das ToN unterstützen. Leider führt bei vielen Israelis allein die Erwähnung von Kontakten zu Palästina zum Abbruch des Gesprächs bzw. des Kontakts. Dies haben wir vor einigen Jahren beim berühmten, interkulturellen und sich eigentlich liberal gebenden Leo Baeck Education Center in Haifa erleben müssen, wo uns deshalb Antisemitismus und die Befürwortung der Auslöschung Israels vorgeworfen wurden, nur weil wir das ToN des christlichen Palästinensers Daoud Nassar unterstützen!

Reformsynagoge Kol HaNeshama

mit Rabbi Oded in der Synagoge

Wegen Sukkot (inkl. Vorbereitungen) und Jom Kippur im Oktober ist laut Rabbi Oded eine Begegnung mit anderen Jugendlichen der Reformsynagoge unsicher, aber vielleicht klappt es ja doch noch. Nach dem Besuch der Reformsynagoge brachte uns Husam zur oberen Aussichtsplattform des Ölbergs, von wo aus wir bei herrlichem Ausblick auf Altstadt und Felsendom bis zur Stadtmauer heruntergingen und u.a. das Mariengrab, den Garten Gethsemane, die Kirche der Nationen und „Absaloms Grab“ (in Wahrheit das Grab einer aristokratischen jüdischen Familie aus dem 1. Jh. n. Chr.) im Kidrontal besichtigten, von wo man die Siedlung Silvan (ca. 35.000 Palästinenser/-innen) sieht, deren Häuser mangels Genehmigungen Israels ebenfalls vom Abriss bedroht sind, ehe wir zu den Birgittinnen zum Abendessen zurückkehrten und dort übernachteten.

5. Tag: Montag, 7. März – Jerusalem, judäische Wüste – Jericho – Jerusalem

Morgens besuchten wir das Paulushaus und die Schmidt-Schule (auch von JIK gefördert) in Ost- Jerusalem, wo wir von der Schulleiterin Dr. Eva Schönemann sehr herzlich begrüßt wurden. Sie war übrigens vorher Leiterin der Gesamtschule in Troisdorf und kennt Bonn und den RSK daher sehr gut. Sie zeigte uns einige Räumlichkeiten der Schule, erklärte uns das Schulsystem und berichtete über die momentan immer noch sehr schwierige finanzielle Lage der Schule, vor allem aber der immer noch oft arbeitslosen muslimischen Eltern (ca. 75%), die häufig das Schulgeld nicht bezahlen können. Auch in dieser Schule möchten wir mit unserer Gruppe im Oktober einen Workshop durchführen.

Mit Dr. Schönemann vor der Schmidt-Schule

Schulhof der Schmidt-Schule

Blick vom Schulhof auf das Paulushaus

Blick vom Paulushaus auf Damaskustor und Altstadt

Danach fuhren wir Richtung Jericho, wo wir die Jahalin-Beduinen in der judäischen Wüste besuchten. Besonders sein Sprecher Aid Jahalin kämpft seit vielen Jahren vor israelischen Gerichten und mithilfe der internationalen Öffentlichkeit (siehe Daoud Nassar und das ToN) gegen die israelische Regierung, die die über 3.000 Beduinen in dieser Region ebenso wie die 220.000 Beduinen in der Negev-Wüste vertreiben bzw. zwangsumsiedeln will. Sie erhalten keine Unterstützung seitens der Regierung, sodass sie aus alten Autoreifen eine Schule für ihre Kinder gebaut haben. Daher möchten wir bei unserer nächsten Begegnung mit unserer Jugendgruppe im Oktober Schulmaterialien und viele andere für sie wichtige Gegenstände mitbringen, um ihnen so den Unterricht wie den Alltag etwas zu erleichtern. Der wahre Grund für deren geplante Vertreibung sind Pläne für einen neuen Flughafen sowie einen Vergnügungspark mit Hotels. Die israelische Regierung hat schon zur Erschließung des Geländes einen Wasseranschluss verlegt, der direkt am Zaun zur Schule endet. Allerdings dürfen die Beduinen diesen Wasseranschluss nicht benutzen, sondern müssen Wasser von sehr weit herholen. Offensichtlich scheinen der israelischen Regierung Flughäfen, ein Funpark und Hotels wichtiger zu sein als Lebensräume und Schulen für die Beduinen.

Mit Aid Jahalin und Tochter

alte Autoreifen als Baumaterial

Autoreifenschule der Jahalin-Beduinen

Blick in einen Klassenraum

Wasseranschluss nur für Israelis am Schulzaun

geplanter Funpark nach Zwangsumsiedlung der Beduinen

In Jericho besuchten wir dann zunächst den riesigen Hisham-Palast, der kurz nach der Fertigstellung durch ein Erdbeben 749 n. Chr. zerstört wurde. Dank einer Überdachung des gesamten Palasts können die riesigen, wundervollen Mosaiken seit Ende 2021 zum 1. Mal besichtigt werden.

Nach dem Besuch des Bergs der Versuchung und dem griechisch-orthodoxen Felsenkloster mit Hilfe der Seilbahn sowie der Ein-Sultan-Quelle, bei der sich auch Jesus aufgehalten haben soll, besichtigten wir die 2011 erbaute, prachtvoll bemalte rumänisch-orthodoxe Kirche.

Jericho: Hisham-Palast

Hisham-Palast: Mosaik des paradiesischen Lebensbaums

Jericho: griechisch-orthodoxes Felsenkloster

Eingang zum Kloster

Kirche im Felsenkloster

Jericho: Ein-Sultan-Quelle

Jericho: Rumänisch-orthodoxe Kirche

Das Innere der Kirche

Danach fuhren wir zum palästinensischen Hauptquartier (das in Wahrheit aus Wellblechhütten besteht), wo wir seit vielen Jahren Colonel Hamza Jayyab besucht haben, der aber jetzt in Hebron stationiert ist. (Er berichtete uns stets relativ neutral über die jeweilige aktuelle politisch-militärische Lage, seine Arbeit als Vermittler bei Konflikten zwischen PalästinenserInnen und israelischen SoldatInnen an den Checkpoints, ohne dauernd lauthals das palästinensische Schicksal zu beklagen und einseitig Israel als allein Schuldigen darzustellen). Stets zeigte er sich sehr an unseren Projekten, erzählte von den beruflichen Fortschritten seiner Kinder (Keiner ist Soldat geworden, alle haben soziale und medizinische Berufe!), war immer gut gelaunt, lachte viel und sagte bezüglich der Zukunft stets lächelnd „Inschallah“ (so Gott will). Ich wünsche mir oft, dass die SoldatInnen an den Checkpoints trotz ihrer durchaus nicht immer ungefährlichen Arbeit noch öfter freundlicher auftreten und mehr lächeln würden, zumal wir deutsche Touristen ja sicher keine Gefahr darstellen. Im Oktober möchten wir seinen Nachfolger besuchen, der dann hoffentlich genauso gut drauf ist.

Da das Gespräch mit der wunderbaren evangelischen Pfarrerin Gabi Zander in der Kaiserin-Auguste- Viktoria-Stiftung in der Nähe unseres Birgittinnen-Klosters ausfiel (Sie kehrte am 9. März nach 6 Jahren wieder nach Deutschland zurück und musste noch so viel erledigen.), konnten wir schon am frühen Abend durch die Fußgängerzone von West-Jerusalem schlendern, wo wir auch zu Abend aßen, aber – ähnlich wie in Ost-Jerusalem und Bethlehem – feststellen mussten, dass sich die Preise in vielen Lokalen wohl fast verdoppelt haben.

6. Tag, Dienstag, 8. März – Jerusalem

Vormittags nutzten wir die letzte Gelegenheit, die Jerusalemer Altstadt zu besuchen, auch für den Kauf von Souvenirs. Danach trafen wir den Propst Joachim Lenz in der Propstei neben der Erlöserkirche und eine Praktikantin, die erst seit ein paar Tagen in Jerusalem war. Auch hier war die Propstei wegen der laufenden Renovierungsarbeiten noch eine Großbaustelle wie die Dormitio Abtei. Wir erzählten ihm von unseren bisherigen Besuchen bei den verschiedenen Organisationen und Einrichtungen, wobei der Propst praktisch alle Einrichtungen selbst kennt. Nachdem er uns über die schwere Zeit seit 2020 auch für die evangelischen Christen im Heiligen Land informierte, tauschten wir uns gegenseitig aus über die aktuelle Situation auf dem ToN u. das Projekt des interreligiösen Engel-der-Kulturen-Dachgartens, der direkt an das Café des evangelischen Gästehauses grenzt. Laut Propst (ähnlich äußerte sich auch George Bassous, s.o.) haben die Jerusalemer Stadtverwaltung und die verschiedenen Eigentümer des Dachgartens (neben der evangelischen Kirche auch radikale jüdische Siedler) zurzeit weder Geld noch großes Interesse daran, dieses sehr unebene Gelände mit tiefen Stufen als Stolperfallen zu begradigen und als gut begehbaren Fußgängerbereich im Schnittpunkt zwischen den Vierteln der Altstadt auszubauen (trotz mehrerer schwerer Unfälle mit Querschnittslähmung bei Nacht wegen schlechter Beleuchtung!). Auch die immer noch angespannte politisch-religiöse Lage spielt hierbei sicherlich eine Rolle. Das ist natürlich sehr schade, da dies ein wegweisenden interkulturelles Friedensprojekt für die das Heilige Land wäre.

Jerusalemer Altstadt: Souk  muslimisches Viertel

Mit Propst Lenz und Praktikantin

Dachgarten

Dachgarten über der Jerusalemer Altstadt

Da die Stelle der Pfarrerin Gabi Zander künftig wegfällt, wird der Propst an ihrer Stelle unsere Gruppe im Oktober empfangen. Husam brachte uns danach zur Shoa-Gedenkstätte Yad Vashem, die wir diesmal selbständig ohne Führung besuchen konnten (Führungen erst ab 5 Personen).
Auch wenn ich seit 1982 schon unzählige Male in Yad Vashem war, erschüttert mich dieser Besuch jedes Mal aufs Neue, da der Holokaust auch nach der Lektüre noch so vieler wissenschaftlicher Bücher letztlich unbegreifbar und unerklärbar bleibt. In Yad Vashem wird eine Liste mit über 11 Mio. Juden in Europa und der UdSSR (weltweit damals über 16 Mio. Juden) gezeigt, die auf der Wannseekonferenz am 20.1. 1942 als Grundlage für die „Endlösung der Judenfrage“ diente. Es sollten also mindestens 11 Mio. Juden ermordet werden, wenn der Krieg lange genug gedauert hätte. Von daher ist es völlig unerheblich, ob nun knapp 6 Mio. oder sogar ca. 6.5 Mio. Juden getötet wurden, da es 11 Mio. sein sollten. Ca. 5 Mio. getötete Juden sind mittlerweile in Yad Vashem namentlich erfasst. Insgesamt sind etwa 40% der damaligen Juden ermordet worden. Erst seit Kurzem gibt es weltweit wieder so viele Juden wie vor dem Holokaust.
Anschließend führte uns die Museumspädagogin Talya Weiss im Schnelldurchgang durch das Israel- Museum, das u.a. den Schrein des Buches mit den berühmten Schriftrollen vom Toten Meer, ein sehenswertes Modell von Jerusalem zur Zeit des 2. Tempels u. eine Fülle von archäologischen Schätzen enthält.

Israel-Museum: Schrein des Buches

Israel-Museum: Model Jerusalems zur Zeit des 2. Tempels

Danach aßen wir wieder in Ost-Jerusalem zu Abend, wobei das an der Nablus Road gelegene, nicht weit von der Schmidt-Schule entfernte Hotel-Restaurant auch inzwischen umgebaut wurde und leider ebenfalls fast doppelt so teuer wie 2019 ist. Da wir Husams Hilfe so spät nicht mehr in Anspruch nehmen wollten, orderten wir einen lokalen Taxifahrer, der uns aber mangels Kenntnissen der Straßen sowie des Birgittinnen-Klosters auf dem Ölberg 30 Minuten durch Ost-Jerusalem kutschierte, obwohl es einen einfachen und kurzen Weg mit maximal 10 Minuten Fahrtzeit gab.

7. Tag, Mittwoch, 9. März – Haifa, Akko, Tabgha, Kapernaum, Tiberias, Jerusalem

Frühmorgens fuhren wir nach Haifa. Unsere erste Station waren die Bahai-Gärten mit dem Schrein des Bab, den ich zum ersten Mal auch von Innen sehen wollte.

Die Bahai (weltweit ca. 8 Mio.) glauben an einen allwissenden und allliebenden Gott. Ihre junge Religion stammt aus dem Iran, wo der Religionsgründer Bab 1850 hingerichtet und 20.000 Anhänger getötet wurden. Besonders im Islam gelten die Bahai als vom wahren Glauben Abgefallene und sind in vielen Ländern Verfolgungen sowie Diskriminierungen ausgesetzt (Auch in Israel sind sie nur geduldet). Alle Menschen und Völker der Welt mit ihren komplett unterschiedlichen Fähigkeiten, Eigenschaften und Aussehen sollen sich zusammenschließen, friedlich miteinander leben, die Natur bewahren und gemeinsam dafür sorgen, dass es allen Lebewesen gutgeht. Das kann nur gelingen, wenn alle Menschen genug wissen. Darum legen Bahai sehr viel Wert auf gute Schulen und vor allem darauf, dass jeder Mensch sie besuchen und sein Leben lang lernen kann.

Feiern ohne Rituale

An den heiligsten Tagen der Ridvanzeit, dem ersten, als Baha’u’llah, der Nachfolger des Bab verkündete, dass er der Verheißene sei, dem neunten, als ihn seine Familie im Garten Ridvan besuchte, und dem zwölften, als er den Garten verließ, arbeiten die Bahai nicht. Sie treffen sich an diesen Tagen, um Andachten abzuhalten und zu feiern. In manchen Ländern wie in Indien haben auch die Kinder schulfrei. Exakter Beginn des Ridvan-Festes ist der 21. April, 2 Stunden vor Sonnenuntergang. Zum Fest finden religiöse Zusammenkünfte in Andachtsräumen mit gemeinsamen Gebeten und Feiern statt. Die Geschichte über die Zeit, die Baha’u’llah im Garten Ridvan verbrachte, wird erzählt, vorgelesen oder von den Kindern als Theaterstück dargestellt. Anschließend feiert man zu Hause bei einem guten Mahl. Auch wenn es keine festgelegten Rituale für die Feier gibt. Denn solche kennen die Bahai nicht. Ebenso gibt es weder zeremonielle Gottesdienste noch einen religiösen Klerus. Gemeindebelange werden auf örtlicher, nationaler und internationaler Ebene von demokratisch gewählten Körperschaften wahrgenommen. Ebenfalls am ersten Ridvan-Tag werden lokale Gremien einberufen, die „geistigen Räte“, die jeweils aus 9 Personen bestehen. Zuvor müssen sie aus der Gesamtheit der Gemeinde gewählt werden und üben dann ihr religiöses Amt für ein Jahr aus.

Leider hatte es vorher etwas geregnet. Die Sicherheitsbeamten am unteren Einlass der Bahia-Gärten meinten daher, dass die Treppenstufen für Touristen zu glatt seien, sodass nur Angehörige der Bahai- Religion eingelassen wurden. Es war also schon wieder nichts mit der Besichtigung des Bab-Schreins.

Wir fuhren nun hoch zum Pilgerhaus des Karmeliten-Klosters „Stella Maris“ am Hang des Karmelgebirges, wo wir seit vielen Jahren mit unserer Gruppe übernachten, und besuchten Schwester Edith, die ebenfalls von den vergangenen schweren Corona-Jahren berichtete und unsere Gruppe sehr vermisst hatte. Von hier hat man einen tollen Ausblick auf Haifa, den Hafen und das Mittelmeer. Nach Besichtigung der Hauptkirche und der Elias-Höhle im Inneren, fuhren wir zum oberen Eingang der Bahai-Gärten, von wo wir nochmals einen traumhaften Ausblick auf die Gärten, den Schrein des Bab (Wahrzeichen von Haifas) und das Mittelmeer hatten.

Haifa: Bahai-Gärten mit Schrein des Bab

Klosterkirche Stella Maris

Blick auf Haifa und Mittelmeer

Blick vom Hang des Karmelgebirges auf Haifa und Mittelmeer

Von Haifa fuhren wir zur ehemaligen Kreuzfahrerstadt Akko, wo wir u.a. neben der gut erhaltenen Stadtmauer, der wunderbar bemalten Al-Jazzar-Moschee sowie der berühmten, immer weiter ausgegrabenen, riesigen unterirdischen Kreuzfahrerstadt (bisher erst ca. 15% frei gelegt) auch die unterirdischen Gänge besichtigten, die bis zum Meer führen und den Belagerten die Flucht bzw. die Versorgung mit Lebensmitteln etc. ermöglichten, weshalb diese Festung erst 1291 von den Mamluken erobert und 1799 von Napoleon sogar vergeblich belagert wurde. Ich wollte Roland noch den Hafen mit seinem wundervollen Panomara und Blick auf das Mittelmeer zeigen.

Akko: Unterirdische Kreuzfahrerstadt

mittelalterliche Stadtmauern von Akko

Akko: Blick auf Al-Jazzar-Moschee

die Al-Jazzar-Moschee von innen

Jedoch blieb dafür nur sehr wenig Zeit, da wir unbedingt noch nach Tiberias und den Sehenswürdigkeiten am See Genezareth fahren wollten. Wir besuchten dort zunächst den wunderschön am See gelegenen „Berg der Seligpreisungen“ mit der Kirche aus den 60er Jahren, dann Kapernaum, die Stadt, in der Jesus in der Synagoge gelehrt (Grundmauern der schwarzen Synagoge aus dem 1. Jh. n. Chr. unter den Ruinen der byzantinischen Synagoge noch sichtbar), im Haus der Schwiegermutter des Petrus eine Zeitlang gelebt und wohl erste, später christlich genannte Rituale mit seinen JüngerInnen durchgeführt hat. Über den Ruinen dieses Hauses ist 1990 eine Petrus-Kirche mit Glasboden errichtet worden, sodass man diese Überreste von oben sehr gut sehen kann.

Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen

Blick auf den See Genezareth

Kapernaum mit Resten der byzantinischen Synagoge

Kirche über den Ruinen des Petrus-Hauses

Nach dem Besuch des Gästehauses und der Brotvermehrungskirche in Tabgha fuhren wir nach Tiberias, wo wir wegen der vergeblichen Reservierung von Unterkünften für unsere Gruppe im Oktober bei Hotels bzw. Hostels selbst nachfragen wollten. Es stellte sich heraus, dass wegen Sukkot inkl. Ferien in dieser Zeit einige Reiseunternehmen vorsorglich sehr viele Zimmer geblockt haben, sodass Buchungen aus dem Ausland nur schwer möglich waren. Schließlich fanden wir nur noch im neu errichteten Aviv-Hostel (nicht weit entfernt von der weitläufigen Seepromenade) freie Zimmer, jedoch für durchschnittlich 120 € (allerdings mit tollem Frühstücks- und Abendbuffet). Leider sind auch die Preise für Benzin, Gastronomie etc. sehr stark gestiegen, sodass sich bereits unsere Fahrt im Oktober erheblich verteuern wird.

Bevor wir wieder nach Jerusalem zurückfuhren, machten wir noch kurz hinter Tiberias an einer Brücke über den Jordan Halt, von der man aus eine sehr gute Sicht auf diese früher ausschließlich und heute noch gelegentlich von Pilgergruppen (in weiße Taufgewänder gekleidet) als angebliche Taufstelle Jesu verehrten Ort hat (Yardenit). Seit 2015 kann man die wirkliche Taufstelle Jesu Qasr El Yahud südlich von Jericho besuchen, da sie kein militärisches Sperrgebiet mehr ist.

Tiberias: Promenaden-Blick auf See Genezareth

angebliche Taufstelle Jesu am Jordan bei Tiberias (Yardenit)

Da es mittlerweile schon fast dunkel war, fuhren wir auf direktem Wege zurück nach Jerusalem, wo uns Husam wieder in Ost-Jerusalem absetzte, wir schließlich in einem schönen, sehr teuren Restaurant landeten und dann wieder einen lokalen Taxifahrer nahmen, der das Birgittinnen-Kloster diesmal jedoch schneller fand. Am Donnerstag, 10. März brachte uns Husam zum Flughafen Ben Gourion, von wo wir zurück nach Deutschland zurückflogen.

Fazit unserer Vorbereitungsfahrt:

Roland – zum ersten Mal in Israel-Palästina und wie immer ein sehr angenehmer, interessierter Begleiter und Gesprächspartner – hat unheimlich viele neue Eindrücke gewonnen – und tolle Bilder gemacht (s.o.). Da er im Oktober auch an der 16-tägigen Fahrt im Oktober teilnimmt, kann er diese vielfältigen Erfahrungen und Begegnungen dann noch weiter vertiefen.

So schön es war, mangels Touristen- und Pilgergruppen nirgendwo lange warten zu müssen, so sehr wünschen wir natürlich dem Heiligen Land wieder so viele ausländische Besucher/-innen wie 2019. Über Ostern sollen schon über die Hälfte der früheren Touristen- und Pilgergruppen gekommen sein. Im Oktober wird es dann in Israel-Palästina wohl wieder ähnlich voll werden wie vor Corona.

Viele Einrichtungen und Organisationen, die wir auch im Oktober besuchen möchten, hatten in der Corona-Zeit große Probleme, die jetzt so langsam überwunden werden, sodass wir unser geplantes Programm im Oktober weitestgehend durchführen können. Einige Programmpunkte werden wir neu aufnehmen (z. B. Jahalin-Beduinen, Workshops an Talitha-Kumi- und Schmidt-Schule statt Dar Al Kalima Schule, EAPPI), andere wie die Übernachtung in der großen Beduinen-Zeltstadt Kfar- Hanokdim in der Negev-Wüste (wegen Sukkot keine Übernachtung möglich), evtl. auch Caesarea oder den Besuch im christlichen Kibbuz Nes Ammim werden wir wohl zugunsten eines hoffentlich möglichen längeren Besuchs der Bahai-Gärten und des Bab-Schreins für dieses Jahr zurückstellen. Sehr viel hängt natürlich auch davon ab, dass der schreckliche Ukraine-Krieg sich nicht immer weiter ausdehnt und solche Begegnungsfahrten weiter zulässt.

Gregor Schröder