Rückblick Israel-Fahrt 2016
Die Fahrt nach Israel-Palästina-Jordanien | 07. – 23.10. 2016
Diese Fahrt übertraf bezüglich des Erlebniswertes alle bisherigen Fahrten, da zum ersten Mal zusätzlich 3 Tage Jordanien eingeplant waren. Um einen Eindruck von der programmatischen Vielfalt unserer JIK-Fahrten zu vermitteln, hier die wichtigsten Eindrücke und Stationen von dieser unvergesslichen Fahrt mit Hintergrundinformationen und persönlichen Kommentaren.
Gleich zu Beginn unserer Reise – und zwar bei unserem Zwischenstopp in München – erlitt eine Teilnehmerin aufgrund von Flugangst einen Zusammenbruch und musste die Reise daher leider abbrechen. Dies war für uns alle natürlich ein Schock. Besonders tragisch ist dies, da sie einige Jahre zuvor schon einmal wegen Flugangst eine Reise nach Israel-Palästina abbrechen musste. Daher bleiben ihr nur die Bilder von der Fahrt und die Hoffnung, dass sie eines Tages ihre Flugangst doch noch überwinden kann.
Ankunft in Tel Aviv-Jaffa
Nach Ankunft am Flughafen Tel Aviv erlebten wir zunächst eine Überraschung, da unser bisheriger Fahrer Husam eine andere Gruppe mit einem großen Bus begleiten musste und wir deshalb mit George als Fahrer Vorlieb nehmen mussten. Zunächst waren einige von uns enttäuscht, aber George machte seine Sache wunderbar und fuhr sogar noch etwas schneller als Husam. Vor 5 Uhr fuhren wir in die 5.500 Jahre alte Stadt Jaffa (die angrenzende Stadt Tel Aviv ist eine Neugründung von 1909) mit ihrer bezaubernden Altstadtkulisse. Da wir jedoch vor Sonnenaufgang dort waren, blieben wir zunächst in einem Restaurant, bis wir gegen 8 Uhr mit der Stadtbesichtigung beginnen konnten. Danach badeten wir am 10 km langen traumhaften Sandstrand von Tel Aviv-Jaffa bei über 30 Grad und erholten uns vom anstrengenden Nachtflug.
Am Nachmittag fuhren wir zum herrlich gelegenen Kloster Latrun (Besichtigung der Klosterkirche wegen einer Messe nicht möglich) und zum benachbarten Armee-Museum, in dem Israel seine in vielen Kriegen erbeuteten Waffen (natürlich auch aus Deutschland) voller Stolz präsentiert. Nach ein paar Kilometern erreichten wir dann das Friedensdorf Neve Shalom – die einzige Siedlung, in dem Juden, Christen und Muslime friedlich zusammenleben (Krieg und Frieden liegen in Israel ganz eng beieinander.). Im Haus der Stille und des Gebets hörten wir zunächst mehreren jungen Menschen aus der Siedlung zu, die für die Anwesenden Gesangseinlagen mit Gitarrenbegleitung darboten. Danach meditierten wir mehrere Minuten in absoluter Stille.
Abends erreichten wir dann unser Quartier, das Birgittinnen-Kloster auf dem Ölberg in Ost-Jerusalem, wo wir u.a. von Schwester Teresa wieder ganz herzlich aufgenommen wurden.
Jerusalem
Frühmorgens brachte uns George (ein arabischer, griechisch-orthodoxer Christ aus Nazareth mit israelischem Pass, der mit seiner Frau in Bethlehem lebt) mit dem Minibus zum Jerusalemer Tempelberg. Da wir sehr früh an der sehr strengen Einlasskontrolle für Touristen standen, gelangten wir ohne Wartezeiten zum Tempelberg, wo muslimische Sittenwächter bei uns wieder irgendwelche nicht genügend bedeckten Körperteile beanstandeten. Dank unserer vorsorglich mitgebrachten Tücher/Schals konnten wir diese Probleme jedoch sehr schnell beheben.
Auf dem Tempelberg, dem drittgrößten Heiligtum für Muslime nach Mekka und Medina, steht neben der Al Aqsa-Moschee der Felsendom, der von Muslimen Ende des 7. Jh. auf dem Areal des 70 n. Chr. von den Römern zerstörten zweiten, herodianischen Tempels der Juden erbaut wurde. Juden ist es zwar erlaubt, diesen Ort zu besuchen, aber nicht, dort zu beten, um die Muslime nicht bei ihren 5-maligen täglichen Gebeten zu stören. Die strenge Einlasskontrolle übernimmt das israelische Militär. Der Tempelberg selbst wird durch die muslimisch-jordanische Stiftung Waqf verwaltet, die eigenes Militär als Kontrolle einsetzt. Extremisten beider Seiten beschuldigen sich nun gegenseitig, diesen komplizierten Status quo einseitig zu ihren Gunsten verändern zu wollen, so dass es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Radikale Juden nicht nur in Israel haben angeblich schon mehrere Milliarden Dollar gesammelt, um den Felsendom abzureißen und einen neuen, dritten Tempel an dessen Stelle zu errichten.
Auch diesmal war die Situation auf dem Tempelberg sehr angespannt, da wir nur den Bereich zwischen Al Aqsa Moschee und dem nach wie vor imposanten und faszinierenden Felsendom betreten durften und möglichst bald den Tempelberg wieder verlassen sollten.
Danach besichtigten wir zunächst das Löwentor und die Anna-Kirche neben dem Bethesda-Teich und den Überresten eines Asklepios-Heiligtums, wobei Jesus gerade dort ein Heilungswunder vollbracht haben soll. Das Gelände gehört seit 1874 den französischen Weißen Vätern, die u.a. in der Afrika-Mission tätig sind und sich in Ost-Jerusalem in besonderer Weise um muslimische Jugendliche kümmern. Wir folgten dann der Via Dolorosa bis zur Grabeskirche, wobei der gesamte Eingangsbereich vor dem offiziellen Grab Christi diesmal wegen der laufenden Grabungs- und Renovierungsarbeiten am Grab abgesperrt war. Die Seitennische hinter dem Grab, die viel eher wie ein Grab aussieht, schon im 1. Jh. nach Chr. benutzt wurde und nach Ansicht mancher Archäologen vielleicht das wahre Grab Christi sein könnte, war zudem durch eine Messfeier belegt, so dass wir nach Besichtigung der Helena- (oder Grabauffindungs-) Kapelle die Grabeskirche wieder verließen und durch das christliche Viertel zum Jaffator gingen.
Dieses Tor hat Kaiser Wilhem II. bei seinem Jerusalem-Besuch 1898 komplett einreißen lassen, weil er nicht einsah, vom Pferd zu steigen und mit seinem Tross durch das niedrige Tor zu gehen. Kaiser gehen halt nur aufs Klo zu Fuß. Die Zahl der Pilger hielt sich wiederum – besonders seit dem Gaza-Krieg 2014 – in sehr engen Grenzen, so dass wir alle Sehenswürdigkeiten zügig besichtigen konnten.
Von dort gingen wir zum jüdischen Viertel und besichtigten u.a. die Klagemauer (Männer und Frauen getrennt!), die Hurva-Synagoge und den Cardo Maximus, mit den z.T. noch original erhaltenen Resten der römischen Hauptstraße, die ca. 5 Meter unter dem jetzigen Straßenniveau liegt.
Zum Abschluss der Führung gingen wir zum Paulushaus, das vor dem Eingang zum Damaskus-Tor gelegen ist – ein deutsches Pilgerhaus, dessen Gründung 1904 auf die Initiative Kaiser Wilhelms II. zurückgeht. Von dessen Dachterrasse aus genossen wir den wundervollen Blick auf die Jerusalemer Altstadt. Nebenan befindet sich das Schmidt´s Girls College, eine christlich-katholische Mädchenschule mit einem muslimischen Anteil von ca. 75%, in der sogar ein deutsches Abitur absolviert werden kann, das zum Studium in Deutschland berechtigt.
Da die Führung beendet war und wir bis 16.20 Uhr Freizeit hatten, gingen einige von uns zum Mittagessen ins Österreichische Hospiz (dem 1863 eröffneten ältesten nationalen Pilgerhaus im Heiligen Land) – eine Oase der Ruhe mit Palmen und Kakteen inmitten des hektischen arabischen Altstadt-Viertels. Als wir dann noch Souvenirs im arabischen Viertel kaufen wollten, waren viele Läden geschlossen, da es in Ost-Jerusalem ein Attentat auf eine Polizeistation gegeben hatte – wobei der Attentäter ebenfalls erschossen wurde. Aus (wie ich meine: falsch verstandener) „Solidarität“ mit diesem Attentäter mussten dann viele Läden schließen, die seit Jahrzehnten fest in der Hand von muslimischen Familienclans sind. Am Spätnachmittag besuchten wir zum Abschluss die Reformsynagoge Kol HaNeshama und sprachen mit dem sehr weltoffenen, aus den USA stammenden Reform-Rabbi Levi Weiman-Kelman, der uns u.a. den Ablauf einer Schabbat-Feier und die Tora anhand einer Schriftrolle erklärte und uns sogar einige Verse vorsang, jedoch im Gegensatz zu einem orthodoxen Rabbi nicht vom Staat bezahlt wird. Die Reformjuden sind leider eine kleine Minderheit und in Israel politisch völlig einflusslos. Bei ihnen können auch Frauen Rabbis werden, da sie die bei Orthodoxen übliche strenge Geschlechtertrennung nicht kennen.
Ramallah
Am nächsten Morgen passierten wir den größten und bedrückendsten Checkpoint der Westbank in Qalandia, fuhren weiter nach Ramallah und gelangten dann ins Flüchtlingslager, wo wir mit Mädchen der Al Jalazoon Secondary Girls‘ School ein Video über frühere Besuche und Gegenbesuche bei uns sahen, über verschiedene Themen miteinander sprachen und unter kundiger Anleitung u.a. der Lehrerin Rabeeha das Stricken erlernten. Hier werden wir seit 2009 immer wieder mit großer Herzlichkeit aufgenommen, bewirtet und mit Geschenken geradezu überhäuft, was mich jedes Mal aufs Neue sehr berührt. Wir besuchten kurz das Grabmal von Yassir Arafat sowie von außen den Palast, in dem der derzeitige Palästinenserpräsident Abbas residiert, gingen durch die Geschäftsstraßen von Ramallah und landeten im Aleppo-Cafe, wo wir einen Schauspieler der örtlichen Schauspielschule trafen. Diesen trafen zwei von uns dann vor kurzem in Bochum wieder während einer Aufführung dieser Theatergruppe von Shakespeares „Was ihr wollt“. Im nächsten Jahr werden wir mit dieser Theatergruppe in Ramallah gemeinsam einen Theater-Workshop durchführen. Um 16 Uhr trafen wir uns zu einem sehr informativen Gespräch mit der evangelischen Pfarrerin Gaby Zander sowie 2 deutschen VolontärInnen in der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Stiftung, unweit von unserem Quartier auf dem Ölberg, die u.a. von ihrer Entscheidung zu diesem Volontariat und ihren bisherigen Erfahrungen in Jerusalem berichteten. Danach fuhren wir nach Beit Sahour („Hirtenfelder“ bei Bethlehem), wo wir im Al Hakoura-Restaurant ein überwältigendes Abendessen zu uns nahmen. Anschließend übernachteten wir in Bethlehem bei den Gastfamilien der Dar Al Kalima Schule, die uns wieder überaus herzlich aufnahmen.
Bethlehem
In der Schule nahmen wir an verschiedenen Unterrichtsstunden teil und arbeiteten in deutsch-palästinensischen Gruppen an einem kurzen Friedensprojekt. Einige von besuchten auch den innerhalb der Schule befindlichen Kindergarten.
Israelische Siedlung Neve Daniel
Wegen des totalen Fahrverbots an Jom Kippur (Versöhnungstag und höchster jüdischer Feiertag) in israelischen Gebieten ab 18 Uhr bis 18 Uhr des nächsten Tages besuchten wir die israelische Siedlung direkt neben dem Tent of Nations (s.u.), wo wir von dem deutschen Konvertiten zum jüdischen Glauben, Nethanel Boxberg, ganz herzlich empfangen wurden. Unser Minibus mit Fahrer musste vor der Siedlung warten. Mit mehreren Privatautos israelischer Familien wurden wir zum Zentrum der Siedlung gefahren. Nethanel begrüßte uns sehr freundlich, reagierte dann aber doch sehr gereizt, als wir ganz harmlose Fragen zu Palästina stellten, was seiner Meinung gar nicht existierte. Angeblich hat er Kontakte zu Palästinensern, die auch seiner Meinung sind. Daoud Nassar, der direkt gegenüber wohnt, kennt er wohl vom Namen, hat aber (nach über 10 Jahren!) noch keine Zeit gefunden, ihn zu besuchen.
Hier konnten wir exemplarisch erleben, wie Israelis mit dem Konflikt in ihrem Land umgehen. Die Israelis sind sehr nett und offen uns gegenüber, solange wir das Thema Palästina nicht erwähnen. Dann jedoch reagieren sie meist sehr aggressiv und machen die Palästinenser für alles verantwortlich. Leider reden beide Seiten fast nur übereinander, statt miteinander, wobei den Israelis untersagt ist, in die Palästinensergebiete zu fahren.
Tent of Nations
Danach fuhren wir zur internationalen Jugendbegegnungsstätte Tent of Nations des christlichen Palästinensers und Friedenaktivisten Daoud Nassar, der seit über 20 Jahren vor Gericht um den Erhalt seines 42 ha großen Weinbergs kämpft. Er darf auf seinem Land keine Gebäude errichten, muss in Höhlen bzw. unterirdischen Wohnungen ohne Wasser und Strom leben. Deshalb sammelt er Wasser in selbst ausgehobenen Zisternen, verwendet Solarzellen und baut unterirdische Wohnungen. Trotzdem lebt er weiterhin ohne Aggressionen mit seiner Familie auf diesem Weinberg nach dem Motto „Wir weigern uns, Feinde zu sein“, und hofft auf eine bessere Zukunft.
Die Zufahrt über einen holprigen Schotterweg hat die israelische Armee mit großen Steinen versperrt („road-block“), damit man nur über einen großen Umweg mit dem Auto zu seinem Weinberg kommt.
Inzwischen wird jetzt vor seinem Grundstück eine große Tora-Schule gebaut, so dass vielleicht schon im nächsten Jahr auch der Zugang zu Fuß von der Route 60 nicht mehr möglich ist, was den Besucherstrom drastisch einschränken könnte. Alle, die ihn dort besuchen, sind von seinem charismatischen Wesen fasziniert. Einige JIK-Mitglieder haben dort bereits ein Volontariat absolviert. JIK unterstützt sein Friedensprojekt in vielfältiger Weise – zusammen übrigens mit dem leider am 31. Mai 2016 verstorbenen Rupert Neudeck (Gründer von Kap Anamur – Deutsche Notärzte e.V. und Grünhelme e.V. Eigentlich war dessen Plan, dass Grünhelme e.V. von der Familie Nassar ein Stück Land kauft und dort ein religiöses Zentrum errichtet, was JIK auch unterstützen wird – wenn es wirklich realisiert werden sollte. Zusammen mit dem Künstler Gregor Merten des Symbols „Engel der Kulturen“ hat u.a. Vorstandsmitglied Janni Deutschendorf dieses Symbol als 30 Meter große LandArt aus Steinen der Umgebung geformt.
Hebron
Anschließend folgte der bedrückendste Teil unserer Fahrt, da wir nach Hebron fuhren, um die Abraham-Moschee bzw. -Synagoge zu besuchen. Bis 1995 konnte diese bedeutende Moschee von Juden und Muslimen zugleich betreten werden. Nachdem ein jüdischer Selbstmordattentäter über 90 Muslime getötet hat und dafür von vielen Juden als großer Märtyrer verehrt wird, gibt es für Juden (Synagoge) und Muslime (Moschee) getrennte und militärisch streng kontrollierte Eingänge. Muslime, die 5-mal am Tag dort beten wolle, müssen sich jedes Mal dieser entwürdigenden Kontrolle unterziehen, die viel schlimmer als bei Touristen abläuft. Bei muslimischen Festen (z.B. Opferfest) dürfen die Juden aus Sicherheitsgründen die Moschee nicht betreten, bei jüdischen Festen (z.B. Sukkot) werden alle Muslime ausgesperrt.
Diesmal konnten wir die Synagoge (allerdings erst nach umständlichen Rückfragen eines israelischen Soldaten bei seinem Vorgesetzten) und die wundervoll bemalte Moschee mit dem Kenotaph u.a. von Abraham betreten. Der durch eine Drehtür militärisch abgeriegelte Suq wirkt sehr deprimierend, da die meisten Läden mangels Touristen geschlossen sind und sich alle Händler deshalb auf uns stürzten.
Immer mehr jüdische Siedler bewohnen die mittlerweile die von Muslimen verlassenen Häuser und werfen ihren Unrat auf die unter ihnen wohnenden Muslime, die sich dagegen mit Netzen schützen müssen. Leider werden diese Menschen verachtenden Aktionen gegen Muslime nicht vom israelischen Militär unterbunden. Hebron gleicht mittlerweile einer Geisterstadt. Es gibt viele verfallene und zerbombte Häuser, kaum Arbeitsplätze, so dass ein Aufenthalt in dieser Stadt für uns nur schwer erträglich war. Erklärtes Ziel der Siedler ist es, die Muslime schrittweise aus Hebron zu vertreiben, dann eine große Mauer um Hebron zu bauen und alle Häuser zu renovieren bzw. neu zu errichten.
Danach fuhren wir umgehend wieder ins Al Hakoura-Restaurant, da laut Aussage unseres Fahrers George radikale jüdische Siedler an Jom Kippur schon vor 18 Uhr an der Route 60 stehen und Steinen auf alle Autos werfen. Abends übernachteten wir wieder bei unseren Gastfamilien.
Bethlehem
In der Schule setzten wir die Gruppenarbeit u.a. an dem Friedensprojekt fort, wobei wir die Auswertung dieses Projekt durch eine finnische Gastlehrerin doch als recht oberflächlich empfanden.
Wegen Jom Kippur besuchten wir bereits um 12 Uhr die Universität in Bethlehem (eine gemeinsame Einrichtung von Papst und palästinensischer Autonomiebehörde von 1973). Diese Uni ist – anders als z.B. Köln und Bochum – optisch eine wahre Augenweide (Gärten, Springbrunnen etc.) und wird sowohl von muslimischen als auch christlichen StudentInnen besucht, wobei der weibliche und muslimische Anteil über 70% beträgt. Es wird dort grundsätzlich Englisch gesprochen. Solch eine Uni sollte es eigentlich auch in Deutschland geben!!
Von dem deutschen Volontär Jonah wurden wir ganz herzlich empfangen und konnten nach einer kurzen und sehr kompetenten Führung durch die Uni mit StudentInnen über ihr Studium und ihre Zukunftsperspektiven diskutieren. Danach besuchten wir den Suq und die – diesmal auch innen größtenteils eingerüstete – Geburtskirche mit der Geburtsgrotte und der Grotte, in der heilige Hieronymus die Bibel übersetzt hat.
Anschließend fuhren wir zum Caritas Baby Hospital, wo wir etwas über die vorbildliche Arbeit dieses einzigen – durch Spenden finanzierten – Kinderkrankenhauses erfuhren, in dem Kinder auch dann behandelt werden, wenn die Eltern das Geld für die Behandlung nicht bezahlen können, da es dort keine gesetzliche Krankenversicherung gibt. Nach dem überreichlichen Abendessen im Al Hakoura-Restaurant übernachteten wieder bei unseren Gastfamilien.
Jerusalem
Frühmorgens setzten wir die Besichtigung der Jerusalemer Altstadt fort, indem wir zunächst zur Spitze des Ölberges fuhren und einen atemberaubenden Ausblick auf die Altstadt mit ihrer mächtigen Stadtmauer aus dem 16. Jh. und besonders die goldene Kuppel des Felsendoms erleben konnten. Unterwegs betraten wir die kleine Kirche Dominus Flevit, wo Jesus vor fast 2.000 Jahren im Angesichte Jerusalems in Tränen über diese wundervolle, aber zerrissene Stadt ausgebrochen ist und dessen Zerstörung im Jahre 70. nach Chr. vorhergesagt haben soll. Auch heute noch kann man in Tränen über diese faszinierende, aber innerlich zerrissene und inzwischen seit ihrer Gründung 40-mal zerstörte Stadt ausbrechen und Jesu damalige Gefühle nachempfinden.
Nach dem Besuch von Mariengrab, Garten Gethsemane und dem Spaziergang unterhalb der Stadtmauer um die Altstadt entlang des palästinensischen Viertels Silvan mit seinen ca. 30.000 Palästinensern, die dort mangels Baugenehmigungen illegal gebaut haben und nun den Abriss ihrer Häuser befürchten müssen, gelangten wir zum Grab von Oskar Schindler und dann zur Dormitio Abtei, in der meist deutsche Benediktiner leben. Bruder Simeon informierte uns anstelle von Pater Ignatius, der Ende September kurz vor seiner endgültigen Entscheidung, lebenslang als Mönch zu leben, das Kloster verlassen hat, sehr kenntnisreich über die sehr wechselvolle Geschichte dieser Abtei, die aktuelle politische Situation, das Zusammenleben der 3 Weltreligionen in Jerusalem, seine Berufung, seine Tätigkeit und den Alltag im Kloster. Nach Besichtigung von Abendmahlssaal und David-Grab setzten die meisten ihre Souvenir-Einkäufe in der Altstadt fort, bis wir zur Shoa-Gedenkstätte nach Yad Vashem in Jerusalem fuhren, wo wir in einer dreistündigen, sehr einfühlsamen Führung der Schweizerin Aviva hautnah mit der Geschichte besonders der Shoa konfrontiert wurden, die auch mich jedes Mal aufs Neue ergreift, gerade weil sie unfassbar und unbegreiflich ist. Ob die Israelis und die wie immer zahlreich anwesenden SoldatInnen daraus die richtigen Lehren gezogen haben, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Diesmal übernachteten wir im Abraham Hostel direkt im Zentrum der Jerusalemer Neustadt, wo wir nach einem guten, aber recht teuren gemeinsamen Abendessen im Restaurant auf der Dachterrasse des Hostels bei Bier und Shisha entspannen konnten.
Caesarea und Sepphoris
Am nächsten Tag besuchten wir auf unserer Fahrt in den Norden an die libanesische Grenze zunächst die Ruinen des am Mittelmeer gelegenen antiken Caesarea (mit Theater und Pferderennbahn gewaltigen Ausmaßes) und nahmen beim Aquädukt ein kurzes Bad im Mittelmeer.
Danach besuchten wir das antike Sepphoris, das ebenfalls von Herodes, dem größten Baumeister der Antike, errichtet wurde, mit seinen wundervollen Mosaiken.
Vieles spricht dafür, dass der Bauhandwerker Josef und sein Sohn Jesus (hebräisch: Joshua) damals dort auf dieser Großbaustelle gearbeitet haben, da sie nur ca. 6 km von Nazareth entfernt liegt, und Jesus so vielleicht mit der hellenistischen Kultur und Philosophie in Berührung gekommen ist.
Haifa – Bahai-Garten und Kloster Stella Maris
Von dort fuhren wir nach Haifa, wo man vom Karmelberg einen traumhaften Ausblick auf den weltberühmten Bahai-Garten und den Schrein des Bab hat. Danach fuhren wir mit der Seilbahn hinunter zum Hafen, wo wir ausgiebig im Mittelmeer badeten. Nach dem Abendessen stiegen wir auf das Dach des Karmeliter-Klosters Stella Maris, von wo wir einen einmaligen Blick auf das Lichtermeer von Haifa hatten.
Rosh Hanikra
Am nächsten Morgen fuhren wir zunächst zu den Kreidefelsen von Rosh Hanikra im Norden direkt an der libanesischen Grenze. Wind und Wasser haben dort tiefe Höhlen in den Felsen geschnitten, so dass sich in deren Innerem faszinierende farbige Lichtspiegelungen durch das anbrandende Meer ergeben. Diese Grenze ist vom israelischen Militär abgeriegelt, da es von dort öfter zu Angriffen der Hisbollah-Miliz kommt. Ein deutsches Kriegsschiff sorgt dort dafür, dass keine Raketen übers Meer in den Gazastreifen eingeschleust werden. Mittlerweile werden fast alle Raketen vom Libanon und Gazastreifen vom israelischen Abwehrsystem Iron Dome abgefangen.
Die Israelis haben sich an diese Krisenlage längst gewöhnt und machen mit ihren Kindern dort unbeschwert Ausflüge, um diese faszinierenden Kreidefelsen mit ihren Höhlen zu bewundern.
Akko, Nes Ammim und Tiberias
Weiter ging‘s nach Akko, der grandiosen – unterirdischen – Kreuzritterstadt, die z.T. jetzt wieder zugänglich ist und die man einschließlich der Tunnels bis zum Hafen noch heute bewundern kann, ebenso wie ein Teil der alten Stadtmauern, die bis 1298 dem muslimischen Ansturm standgehalten haben. Selbst Napoleon vermochte es nicht, Akko einzunehmen. Heute ist die Stadt vorwiegend arabisch geprägt mit einer wunderschön bemalten Moschee, einem Suq und einem tollen Hafenpanorama. Anschließend fuhren wir zum christlichen Kibbuz in Nes Ammim, das jetzt von Dr. Tobias Kriener geleitet wird. Früher wurden dort Avocados angebaut und besonders Rosen gezüchtet. Heute ist Nes Ammim im Wesentlichen eine interreligiöse Begegnungsstätte. Wir übernachteten in Tiberias im Tel Aviv Hostel, das nahe am See Genezareth mit seiner tollen Strandpromenade liegt.
Rund um den See Genezareth
Nach dem Frühstück im Aviv-Hostel in Tiberias fuhren wir nach Tabgha, wo wir zunächst das traumhaft am See Genezareth gelegene und eingerichtete Gästehaus besichtigten, das dem Verein vom Heiligen Land gehört. Die Brotvermehrungskirche, die im letzten Jahr durch einen Brandanschlag jüdischer Extremisten auf diese Kirche und das Benediktinerkloster beschädigt wurde, konnten wir wegen späterer Öffnungszeiten für Touristen am Sonntag leider nicht besuchen. Immer wieder werden auch christliche Einrichtungen Opfer dieser Gruppen, die alle Andersgläubigen aus Israel vertreiben möchten. In Kapernaum besichtigten wir u.a. die Reste der „schwarzen“ Synagoge, in der Jesus höchstwahrscheinlich gelehrt hat. Gegenüber findet man die Ruinen des Hauses der Schwiegermutter des Petrus (Der 1. „Papst“ war verheiratet!), in dem Jesus oft übernachtet hat. Es gibt dort eine bruchstückhafte Inschrift („Petr esti“) und frühe christliche Symbole, das heißt, wo Petrus draufsteht, war wohl auch Petrus drin. Hier hat Jesus wirklich gelebt und mit seinen JüngerInnen vielleicht schon das Vaterunser gebetet. Nicht weit entfernt liegt die Kirche Berg der Seligpreisungen, wo Jesus die Bergpredigt gehalten haben soll. Die wunderschön ausgestaltete Kirche aus den 1960er Jahren befindet sich in einer paradiesischen Umgebung direkt am See Genezareth. Heute nimmt man an, dass Jesus diese zentrale Botschaft öfter an seine Anhänger/-innen gerichtet hat – hier und auf anderen Anhöhen, um besser gesehen und gehört zu werden. Übrigens können aus dem neuen Testament unsere Grundrechte und -werte abgeleitet werden, so dass es kein Zufall ist, dass im christlichen Kulturkreis die Demokratie am weitesten fortgeschritten ist. Deshalb sollten wir gerade in der heutigen Situation, wo so viele Flüchtlinge (meist aus diktatorischen Ländern) zu uns kommen, uns dieser christlichen Grundwerte wieder bewusst werden. Wir Deutsche haben 2 Weltkriege überlebt, die Deutsche Einheit bezahlt (bisher 1,6 Billionen €), uns geht es trotzdem sehr gut. Deshalb werden und können wir auch diese Situation meistern (Wir schaffen das!).
An diesem Tage vermisste eine Teilnehmerin plötzlich ihren Reisepass. Auch nach gründlicher Durchsuchung von Koffer, Handgepäck etc. tauchte er nicht auf.
Wir riefen bei vorherigen Unterkünften, Nationalparks etc. an – ohne Ergebnis. Da die Teilnehmerin ohne Reisepass nicht nach Jordanien einreisen konnte, beschlossen wir, dass sie in diesen 3 Tagen in Bethlehem bei den Gastfamilien bleibt und in der Zwischenzeit ein Ersatzdokument bei dem deutschen Konsulat in Ramallah besorgt, um aus Israel ausreisen zu können. Nachdem wir alles entsprechend arrangiert hatten, kam unser Fahrer George auf den Golanhöhen (s.u.) auf die Idee, beim Al Hakoura Restaurant anzurufen. Ich hatte nicht daran gedacht, dort anzurufen, da ich vorher mehrfach mit dem Restaurant telefoniert hatte und meinte, dass sie meine Handy-Nr. hätten. Tatsächlich hatten sie im Restaurant längst den offen auf dem Tisch (!!!) gelegenen Reisepass gefunden und waren froh, dass wir anriefen, da sie meine Nummer nicht mehr hatten. George fuhr dann am nächsten Abend zurück nach Bethlehem, wo er im Restaurant den Reisepass abholte und ihn der Teilnehmerin morgens gerade noch rechtzeitig zur Fahrt nach Süden Richtung Jordanien übergeben konnte. Die Teilnehmerin brach in Tränen aus vor Freude, da sie sonst gerade den eigentlichen Höhepunkt dieser Fahrt verpasst hätte.
Golanhöhen – Banias
Danach fuhren wir zu den Golanhöhen an der syrischen Grenze, die die Israelis im 6-Tage-Krieg 1967 erobert und seitdem besetzt haben. Völkerrechtlich müssten dieses Gebiet eigentlich an Syrien zurückgeben werden. Dann jedoch stünde eventuell der IS nur ca. 5 km vom See Genezareth entfernt und könnte von dort seine Raketenangriffe starten. Daher fordert momentan niemand, dass Israel diese Gebiete zurückgibt. Die Golanhöhen sind außer einer schmalen Fahrstraße komplett mit deutschen Antipersonenminen vermint, so dass ein syrischer Angriff sehr erschwert würde. Man sieht viele zerschossene und seit 1967 verlassene Häuser. Trotzdem gibt es dort einen wundervollen Wasserfall des Banias, einer der Zuflüsse des Jordans, der immer weniger Wasser führt, so dass auch der vom Jordan gespeiste Wasserspiegel des See Genezareths immer weiter sinkt. Im nahe gelegenen Pan-Heiligtum direkt an der syrischen Grenze befindet sich ein weiterer Ort, den Jesus mit seinen Jüngern historisch nachweisbar besucht und dort wohl laut Matthäus-Evangelium den Ausspruch getan hat: „Du bist Petrus (= griechisch: der Fels, der dort im Heiligtum gut sichtbar ist), und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen und die Pforten der Hölle (Dies war nach Ansicht der Juden einschließlich Jesus gerade dieses Pan-Heiligtum, vor dem sie standen.) werden sie nicht überwältigen“.
Bei den Drusen an der syrischen Grenze nahmen wir dann einen libanesischen Imbiss ein, bevor wir zu den UNO-Blauhelmsoldaten in der Pufferzone zwischen Israel und Syrien weiterfuhren. Dort hat der IS vor einiger Zeit philippinische Blauhelmsoldaten entführt und selbst einige Angriffe gegen Israel gestartet, was aber vom israelischen Militär sofort mit einem großen Bombardement aus der Luft beantwortet wurde. Auf einem hohen Berg oberhalb der Fahrstraße befindet sich eine große Raketen- und Abwehrbasis der Israelis, die von dort in der Lage sind, ihre Raketen bis nach Damaskus zu schießen und diese Stadt binnen Stunden auszuradieren. Da alle Gegner Israels wissen, dass sie nicht den Hauch einer Chance haben, bleibt es dort meist ruhig. Auch hier machen Leute Picknick und betrachten neugierig diesen Ausblick auf syrisches Gebiet. Man hat hier gelernt, mit dieser Bedrohung zu leben.
Unsere Fahrt ging dann wieder zurück zum See Genezareth – vorbei an großen, sonnengeschützten Bananenplantagen des Kibbuz En Gev bis zu einem kleinen Sandstrand, wo wir im See badeten. Danach fuhren wir wieder zurück zum Abraham Hostel in Jerusalem.
Jericho
Frühmorgens fuhren wir am nächsten Tag nach Jericho zur ältesten und am tiefsten gelegenen Stadt der Welt – ca. 250 Meter unter dem Meeresspiegel. Wir besuchten zunächst die Ruinen des riesigen Hisham Palastes, der kurz vor Fertigstellung im Jahre 794 n. Chr. durch ein Erdbeben zerstört wurde.
Danach fuhren wir zur großen, modernen und wunderbar bemalten rumänisch-orthodoxe Kirche (die errichtet wurde, da es anstelle der Palästinenser in Israel inzwischen recht viele rumänische Arbeitskräfte gibt), zur Jordanquelle und dann mit der Seilbahn zum Berg der Versuchung (dort wurde Jesus vom Teufel versucht, widerstand diesem aber selbstverständlich, er ist ja schließlich Gottes Sohn), wo wir das griechisch-orthodoxe Kloster besuchten, das direkt an den Felsen gebaut ist. Ein Höhepunkt unseres Besuchs in Jericho ist traditionell der Besuch beim 2-Sterne General des militärischen Flügels der palästinensischen Autonomie-Behörde, der uns immer sehr herzlich empfängt, eine eigentlich unbegründete rheinische Fröhlichkeit besitzt und alles recht entspannt sieht, auch die Tatsache, dass er angesichts der militärischen israelischen Übermacht eigentlich überflüssig ist.
Seine Tätigkeit beschränkt sich daher meist auf Vermittlung z.B. an Grenzkontrollen zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern. Manchmal wünschte ich mir eine ähnliche Gelassenheit auf Seiten des israelischen Militärs. Leider war er ausgerechnet an diesem Tag in Ramallah, so dass dieser skurrile Höhepunkt unserer Fahrt ausfallen musste. Hinter Jericho besuchten wir dann die wirkliche Taufstelle Jesu Qasr El Yahud, die eigentlich im militärischen Hochsicherheitsgebiet liegt, aber seit 2 Jahren wieder zugänglich ist. Dort ist der Jordan sehr schmal – vielleicht 15 Meter, in der Mitte verläuft die jordanische Grenze – und man könnte leicht Jordanien betreten, wären da nicht die aufmerksamen israelischen SoldatInnen mit ihren Maschinenpistolen. Hier an dieser wirklichen Taufstelle spürten wir die Spiritualität dieses Ortes, obwohl außer uns nur noch eine zweite Gruppe anwesend war.
Danach fuhren wir dann endlich auf der Straße nach Süden in die Negev-Wüste bis zum großen Zeltlager in Kfar Hanokdim – eine grüne Oase mit vielen Palmen und kleineren Gärten -,wo wir zunächst auf Kamelen ritten und an einem Gespräch mit einem Beduinen über deren Lebensweise teilnahmen, bevor wir uns im großen gemeinsamen Zelt für die Nacht einrichteten und ein überwältigendes beduinisches Abendessen zu uns nahmen.
Anschließend nahmen wir an einem Workshop mit einem Beduinen teil, indem wir uns erfolgreich an den verschiedensten Instrumenten (Trommeln, Widderhörner etc.) erprobten und zu beduinischer Musik tanzten. Danach saßen wir am Lagerfeuer, unterhielten uns bei Musik, Bier und Shisha und spielten mit Begeisterung das Kartenspiel „Bluff“, ehe einige von uns zur Nachtwanderung durch die Wüste aufbrachen – für uns alle ganz unvergessliche Erlebnisse in der Negev-Wüste.
Aqaba
Die folgenden 3 Tage Jordanien haben wir neu ins Programm aufgenommen, und sie waren wirklich das absolute Highlight dieser Fahrt. Am nächsten Tag fuhren wir frühmorgens 3 Stunden nach Süden zum jordanischen Grenzübergang Araba nördlich von Eilat.
Zunächst wurden wir auf der israelischen Seite darauf hingewiesen, dass wir keinesfalls Getränke, Essen o.ä. aus- bzw. einführen dürften. Glücklicherweise interessierte sich dann weder auf israelischer noch auf jordanischer Seite irgendjemand für dieses Verbot, da wir sogar Wasserflaschen in unserem Handgepäck mit nach Jordanien nehmen konnten. Allerdings mussten wir bei der Ausreise aus Israel zusätzliche Visa-Gebühren von ca. 30 € pro Person bezahlen, was uns niemand vorher gesagt hatte. Auf jordanischer Seite empfing uns unser deutschsprachiger Reiseleiter Mahmoud sehr herzlich, konnte aber auch verhindern, dass jeder von uns etwa sechsmal an unterschiedlichen Stellen seinen Reisepass vorzeigen und Fragen beantworten musste, was allein schon über eine Stunde dauerte.
Nachdem die weitgehend sinn- und zweckfreien Kontrollen überstanden waren, fuhren wir zum wunderschönen City-Strand am Roten Meer, dessen (kostenpflichtiger) Zugang jedoch nur durch Betreten einer großen Hotelanlage möglich war. Dafür gab es mehrere große Swimmingpools mit einer tollen Sicht auf das Rote Meer, so dass wir einige Stunden dort baden und wunderbar entspannen konnten. Nachmittags fuhren wir zum SOS-Kinderdorf in Aqaba, wo wir von der Leiterin Nabas und den Jugendlichen dieser Einrichtung ganz herzlich empfangen wurden.
SOS-Kinderdorf ist eine nichtstaatliche, unabhängige und überkonfessionelle Organisation, die in 133 Ländern aktiv ist. Die Rechtsform von SOS-Kinderdorf ist von Land zu Land unterschiedlich und oft ein Verein oder eine Stiftung. Während in den SOS-Kinderdörfern in Entwicklungs- und Schwellenländern wie z.B. in Jordanien vorwiegend Waisenkinder leben, betreut SOS-Kinderdorf in Industriestaaten heute mehrheitlich sog. „Sozialwaisen“, d. h. Kinder, deren leibliche Eltern ihre Erziehung nicht wahrnehmen können und die auf Vermittlung des Jugendamts im SOS-Kinderdorf untergebracht werden. SOS steht für „Societas Socialis“, was frei übersetzt „soziale Gemeinschaft“ heißt.
Sie erklärte uns zunächst kurz die Arbeitsweise ihres SOS-Kinderdorfs und fuhr dann mit uns zu einer benachbarten Einrichtung, in der Jungen ab 14 Jahren untergebracht sind, die dann auf das Abitur vorbereitet werden. Die Kommunikation mit diesen Jugendlichen war etwas erschwert, da nur wenige ausreichend Englisch sprachen, was sie aber durch ihre Offenheit und Herzlichkeit mehr als wettmachten. Anschließend besichtigten wir noch mehrere Häuser, in denen ca. 6 Kinder zusammen mit einer Pflegemutter untergebracht waren.
Zum Abendessen mit musikalischer Begleitung und Übernachtung in mehreren Zelten (2-3 Personen) fuhren wir dann ins atemberaubende Captain Wadi Rum Camp, das uns so märchenhaft erschien wie in 1001 Nacht. Dagegen war Kfar Hanokdim (s.o) das reinste Touri-Camp.
Wadi Rum
Dieser Tag war recht anstrengend, aber wurde von allen als der absolute Höhepunkt dieser Reise empfunden. Um 6 Uhr morgens brachen wir auf zu 2 Ballonfahrten hintereinander für unsere Gruppe über das Wüstental Wadi Rum. Wir wurden zunächst mit Jeeps vom Camp abgeholt und fuhren dann in die Wüste zu einem geeigneten Startplatz. Hautnah konnten wir miterleben, wie der Ballon zunächst mit Heißluft gefüllt, dann aufgerichtet und später wieder abgebaut und samt Korb für 8 Personen auf einem Jeep verstaut wurde. Beide Ballonflüge hintereinander für unsere Gruppe waren unbeschreiblich schön, aber natürlich viel zu kurz. Allein schon die Hin- und Rückfahrt mit den Jeeps z.T. auf deren hinterer Ladefläche war für uns alle ein tolles Erlebnis.
Nach unserer Rückkehr ins Camp gegen 10.30 Uhr nahmen wir unser Frühstück ein und brachen dann auf zu einer ebenfalls unvergesslichen 4-stündigen Jeep-Tour durch das Wadi Rum auf den Spuren des legendären Lawrence von Arabien. Bekannt wurde Lawrence vor allem durch seine Beteiligung an dem von den Briten forcierten Aufstand der Araber gegen das Osmanische Reich während des Ersten Weltkrieges.
Das Besondere an dieser Jeep-Tour war, dass die Beduinen einigen von uns (auch Frauen!) erlaubten, selbst unsere 3 Jeeps zu steuern. Auf der hinteren Ladefläche eines Jeeps durch diese traumhafte Wüstenlandschaft zu fahren, ist einfach unvergesslich. Nach unserer Rückkehr ins Camp brachen wir dann zu einem 2-stündigen Kamelritt in den Sonnenuntergang auf. Einigen Mutigen unter uns erlaubten die Beduinen sogar, allein mit ihrem Kamel zu reiten und die Zügel selbst zu führen. Nach diesen unglaublichen Erlebnissen waren viele uns doch recht müde, so dass sie nach dem Abendessen bald ins Bett gingen.
Petra
Nach dem Frühstück fuhren wir nach Petra. Die verlassene Felsenstadt Petra war in der Antike die Hauptstadt des Reiches der Nabatäer (2. Jh. vor bis 2. Jh. nach Christus). Wegen ihrer Grabtempel, deren Monumentalfassaden direkt aus dem Fels gemeißelt wurden, gilt sie als einzigartiges Kulturdenkmal und steht zu Recht an 2. Stelle der neuen 7 Weltwunder. Die 1,2 km lange Schlucht mit dem berühmten „Schatzhaus“ (in Wirklichkeit eine Monumentalgrabstätte) am Ende der Schlucht diente für den Film „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ als Filmkulisse. Wir wanderten 4 Stunden durch diese faszinierende Felsenstadt unter fachkundiger Führung unseres Reiseleiters Mahmoud. Danach fuhren wir zum Einchecken in das sehr komfortable Amra-Palace-Hotel mit eigenem Swimming- und Whirl-Pool, in dem wir uns nach der langen Wanderung wunderbar erholen konnten.
Nach dem Abendessen erlebten die meisten von noch „Petra by Night“, d.h. man ging nochmals schweigend durch die mit zahlreichen Kerzen erleuchtete Schlucht, bis man zum „Schatzhaus“ gelangte, das mit einem Lichtermeer aus Kerzen umgeben war. Nach einer längeren musikalischen Darbietung eines Beduinen mit verschiedenen Instrumenten erhielten wir eine Erklärung zur Felsenstadt Petra. Dank der großartigen Atmosphäre und der stimmungsvollen Beleuchtung mit Untermalung durch getragene Musik gehörte dieser Programmpunkt für mich zu den berührendsten Momenten.
Am nächsten Morgen fuhren wieder zum Grenzübergang Araba, da unser Fahrer George auf der israelischen Seite mit dem Minibus wartete. Um unliebsame Konkurrenz auszuschalten, dürfen Autos nicht mit nach Jordanien mitgenommen werden. George musste daher fast 6 Stunden vom Grenzübergang Araba nach Bethlehem zurückfahren und 3 Tage später die gleiche Strecke wieder zum Grenzübergang Araba zurückfahren, um uns abzuholen.
Der Aufenthalt in Jordanien ist für Touristen insgesamt teurer als der in Israel, da Gruppen entweder über eine Reiseagentur mit Reiseleitung buchen oder nochmals 40 JOD (50 €) zahlen müssen. Der Eintritt für Petra kostet 50 JOD (= 63 €), Petra by night kostet zusätzlich 17 JOD (ca. 22 €) etc. Zudem ist der jordanische Dinar an den steigenden US-Dollar gekoppelt, so dass für Touristen aus dem Euro-Raum alles noch teurer wird. Dementsprechend gab es hier noch viel weniger Touristen als in Israel.
Ein schwacher Dinar und eine Senkung der horrenden Eintrittspreise würden sicher viel mehr Touristen in das wundervolle und sehr sichere Reiseland Jordanien locken.
In Araba konnten wir die jordanische Grenze problemlos passieren, nur bei der Einreise nach Israel gab es wieder die üblichen Schikanen. Selbstverständlich interessierte sich niemand für mitgebrachte Getränke und Essen, sondern nur für den sonstigen Inhalt unserer Koffer und das Handgepäck, was bei einigen von uns sehr genau durchsucht wurde. Bei mir z.B. interessierten sich die israelischen Kontrolleure für sämtliche Quittungen, unser Programm und den Reiseführer Israel-Palästina, ein Land, was es laut Nethanel Boxberg von der Siedlung Neve Daniel (s.o.) ja gar nicht gab.
Als wir schließlich die Gepäckkontrolle hinter uns gebracht hatten, fehlte plötzlich einer Teilnehmerin ein wichtiger gelber Zettel als Beleg für die durchgeführte Kontrolle. Da wir die ewigen sinn- und zweckfreien Kontrollen langsam satt hatten, gab ich einfach dieser Teilnehmerin meinen zuvor kontrollierten gelben Zettel, was der uns als letzte kontrollierenden Soldatin gar nicht auffiel.
Daraus folgt, dass diese ganzen angeblichen Sicherheitskontrollen leicht zu umgehen und sehr uneffektiv sind. Es geht nur darum, Personen mit muslimischem Migrationshintergrund oder solche, die sich für Palästina interessieren, einzuschüchtern und abzuschrecken. Weder fängt man auf diese Weise Terroristen, noch macht man sich so Freunde.
Mit unserem Minibus fuhren wir dann zunächst durch Eilat und badeten dann nochmals auf israelischer Seite im Roten Meer, auch wenn diese Badestelle viel einfacher als die auf jordanischer Seite war. Dafür gab es jede Menge Korallenriffe und Fische in allen Farben, was die Taucher/-innen unter uns sehr begeisterte. Danach fuhren wir zum Abendessen und Übernachtung wieder nach Kfar Hanokdim zum großen Zeltlager zurück, wo wir wiederum bis spät in die Nacht am Lagerfeuer saßen, Karten spielten und die Wüste erkundeten.
Masada, En Gedi, Qumran und Totes Meer
Frühmorgens brachen wir am folgenden Tag auf und fuhren nach Masada zum gigantischen Winterpalast des Herodes auf einer hohen Bergkuppe gelegen, den wir per Seilbahn erreichten. Dorthin hatten sich nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels 70 n. Chr. jüdische Rebellen zurückgezogen. Die Römer – entschlossen, jeden Widerstand niederzuschlagen, belagerten zunächst lange Zeit dieses Bergmassiv. Da die jüdischen Widerstandskämpfer dank großer Zisternen und riesiger Nahrungsvorräte nicht auszuhungern waren, entschlossen sich die Römer, an einer Stelle das Gelände bis zu den mächtigen Verteidigungsmauern aufzuschütten, um diese mit schweren Rammen an einer Stelle aufzubrechen. Die Römer zogen sich dann erschöpft in ihr Lager zurück, um am nächsten Morgen alles zu zerstören, die Frauen zu schänden und viele in die Sklaverei zu verkaufen.
Dieses Schicksal vor Augen, entschlossen sich die Aufständischen zum kollektiven Selbstmord, heute ein nationales Symbol für Israel wie die Shoa-Gedenkstätte in Yad Vashem. Nie wieder sollen Juden vernichtet und in den kollektiven Selbstmord getrieben werden. Damit das gar nicht erst passieren kann, greift die israelische Armee an, am besten zuerst. Ohne die Traumata von Shoa und Masada ist die heutige israelische Politik nicht zu verstehen. Ob diese Ereignisse zur Bewältigung der Zukunft taugen, bleibt jedoch mehr als fraglich. Israel ist zwar nur von nicht demokratischen Staaten umgeben, die allerdings zum Teil Friedensverträge mit Israel abgeschlossen haben (Ägypten und Jordanien) oder gegen die hoch gerüstete israelische Armee völlig chancenlos sind. Der größte Feind Israels ist Israel selbst bzw. seine mangelnde Bereitschaft, auf die Palästinenser zuzugehen und mit Ihnen respektvoll und auf Augenhöhe zu verhandeln.
Nach Masada besuchten wir den Kibbuz En Gedi mit seinem einzigartigen, paradiesisch-botanischen Garten mit ganz exotischen Bäumen, den die Israelis mit großem technischem Aufwand der Wüste abgerungen haben (nächtliche Tropfenbewässerung durch Schläuche am Boden). Als letztes besichtigen wir noch die Ausgrabungen bei den Höhlen von Qumran, wo ein Hirtenjunge 1947 die weltberühmten Schriftrollen gefunden hat, ehe wir im Toten Meer badeten (Salzgehalt ca. 36%, also verdünnte Salzsäure) und uns vollständig mit dem sehr heilsamen Schlamm einrieben.
Der Meeresspiegel des Toten Meeres sinkt – wie der des See Genezareths – u.a. auch wegen der Wasserentnahme aus dem Jordan ständig, so dass das Tote Meer längst durch Landzungen in mehrere Teile zerfallen ist. Es gibt auch zahlreiche Einbrüche des Erdreichs am Meeresufer wegen der vielen unterirdischen Hohlräume. Es gibt einen kühnen Plan, einen langen Kanal vom Roten zum Toten Meer zu bauen, um das Tote Meer mit Wasser aufzufüllen. Jedoch soll die Art des Salzes beider Meere ganz unterschiedlich sein, so dass sich diese Salze nicht miteinander vermischen können. Die sehr kostenträchtige Realisierung dürfte aber noch viele Jahre in Anspruch nehmen.
Unsere Farewell Party feierten wir dann ab 19 Uhr wieder im diesmal überfüllten Al Hakoura Restaurant in Beit Sahur, wobei wir auch die ganze Familie des Schulleiters der Dar al Kalima Schule, Tony Nassar, und die jungen Palästinenser/-innen unserer Gastfamilien eingeladen hatten. So feierten wir gemeinsam den Abschluss dieser tollen Fahrt und die intensiven Begegnungen mit den jungen Palästinenser/-innen, die gerne nach Deutschland kommen möchten und sich schon auf ein Wiedersehen mit uns im nächsten Jahr freuen.
Während ich im Restaurant die restlichen israelischen Schekel und jordanischen Dinare der Teilnehmer/-innen in Euros umtauschte, mussten wir eine durchaus bedrohliche, längere Schlägerei zwischen Männern von 2 palästinensischen Gruppen erleben, die in getrennten Räumen im Restaurant feierten. Glücklicherweise beruhigten sich beide Gruppen wieder, ohne dass jemand verletzt wurde.
Vermutlich sind sich die Männer vor dem Restaurant begegnet, wobei einer wohl den anderen beleidigt hat, was leider (nicht nur hier) „notwendigerweise“ eine Schlägerei nach sich zieht (eine Frage der Ehre!). Nach Mitternacht fuhren wir dann nach Tel Aviv zum Flughafen, von wo wir dann nach einigen harmlosen Befragungen den Rückflug nach Köln antraten.
Fazit:
Diese Fahrt war sicher eine meiner erlebnisreichsten und schönsten Fahrten in diese Region, wobei die 3 Tage Jordanien den absoluten Höhepunkt darstellten, weshalb wir Jordanien auch künftig ins Programm mit aufnehmen werden. Auf dieser Fahrt erlebt man den Nahost-Konflikt hautnah, sehr komplex und viel differenzierter, als es die oft verzerrte und einseitige Berichterstattung der Medien darstellt. Hier lernen junge Menschen in kurzer Zeit viel mehr als z.B. in einem Jahr Politikunterricht. Auch erfahren sie, wie viele junge Deutsche als Volontäre in diesem angeblich so gefährlichen Heiligen Land für ein Jahr arbeiten. Wir haben allein 6 solcher Einrichtungen besucht.
Die zahlreichen freundschaftlichen Begegnungen besonders in Palästina waren – wie immer – sehr bewegend, obwohl sich die Situation in dieser Region u.a. durch die Fortsetzung des Siedlungsbaus stets weiter verschlechtert. Da der neue US-Präsident offensichtlich ein Freund des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu ist, Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen will, keine Probleme mit dem Siedlungsbau hat und Muslime generell des Terrorismus verdächtigt, wird niemand mehr die Israelis bei der weiteren Diskriminierung und Enteignung der Palästinenser stoppen können.
Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Europäer in diese Länder fahren, um den Menschen dort Mut zu machen und sich solidarisch zu zeigen, damit sie erfahren, dass es durchaus noch Hoffnung für ein anderes Leben gibt. Denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Gregor Schröder – Fahrtleiter und Vorsitzender von JIK Sankt Augustin, 21. November 2016