Berichte Jugendaustausch – Bericht Oktober 22

Israel-Palästina-Jordanien-Fahrt vom 1.-16.10.22

Vorbemerkung: Weitere Infos zu den besuchten Einrichtungen und Organisationen findet ihr unter Spendenaktionen bzw. Projekte.

Vom 1.-16. Oktober 22 war ich mit einer 16-köpfigen Gruppe junger Menschen (inklusive Begleitpersonen) nach 2,5 Jahren Corona bedingter Abwesenheit und schwerer Erkrankung meinerseits (sieben z.T. gravierende Operationen inklusive zwei künstliche Kniegelenke) wieder in Israel-Palästina-Jordanien. Es war auch ein Test, ob ich die Strapazen einer solchen Fahrt noch aushalten und diese Fahrt in der Nach-Corona-Zeit und der derzeitigen Krisenlage in Nahost in dieser Form noch als Reiseleiter durchführen kann.

Dieser Bericht enthält auch eine Fülle an Zusatzinformationen (nach Wikipedia-Artikeln, frei zugänglichen wissenschaftlichen Darstellungen u.a. im Internet, einschlägiger Fachliteratur, diversen Reiseführern etc.), da er zugleich als sehr effektive Reisevorbereitung und Entscheidungshilfe bei der Anmeldung als TN künftiger Israel-Palästina-Jordanien-Fahrten dienen soll. 

Die 3 Exkurse sind verlinkt (zum Lesen einfach anklicken), um die Übersichtlichkeit des Textes nicht zu sehr zu erschweren. Sie befassen sich mit den zentralen Themen dieser Fahrt (Christentum und Islam, Religion und Homosexualität, Historizität des Alten und Neuen Testaments und der historische Jesus), wobei jedes dieser Themen nur unter Verarbeitung einer ungeheuren Fülle an Fachliteratur auf ca. 1.000 Seiten einigermaßen erschöpfend behandelt werden kann. Ich beschränke mich bei den Zusatzinformationen und Exkursionen deshalb auf ein paar zentrale Aspekte, die zur selbständigen Beschäftigung und Vertiefung dieser Themen mit der entsprechenden Fachliteratur anregen sollen.

Die zweiteilige Karte (Nord und Süd) enthält wegen der besseren Übersicht nur die Orte, die wir auf dieser Fahrt besucht haben, und ist von JIK selbst erstellt worden. 

Nördlicher Teil der JIK-Karte von Israel-Palästina-Jordanien (südlicher Teil s.u. am 11. Tag)

1. Tag: Samstag, 1.10.: Jaffa – Tel Aviv – Neve Shalom – Latrun – Ost-Jerusalem

Um den Flug von Köln nach Tel Aviv um 1:50 wegen zu erwartender überlanger Wartezeiten nicht zu verpassen, trafen wir uns schon am 30.9. um 22 Uhr am Turkish-Airlines-Schalter, zumal es nicht möglich war, vorher online einzuchecken. Alle hatten als zusätzliches Handgepäck je eine große Kunst-/Stofftasche mit Tausenden von JIK- und ToN-Falzflyern in Englisch und Deutsch dabei sowie Unmengen an Schreibmaterialien und Heften für die 200 Schüler/-innen der Autoreifenschule der Jahalin-Beduinen in der Judäischen Wüste in Israel (s.u., 11. Tag).

Gottseidank gab es keine Beanstandungen wegen unseres (Über-)Gepäcks, das Einchecken und die Kontrollen bei der Handgepäckkontrolle erfolgten reibungslos, sodass wir nach Zwischenlandung in Istanbul mit ca. 30 Minuten Verspätung am Flughafen Ben Gourion ankamen.

Die Passkontrolle erfolgte zunächst elektronisch und sehr unkompliziert. Ein Sicherheitsbeamter schaute danach die Pässe unserer Gruppe zunächst nur oberflächlich an, so dass wir schon dachten, dass wir diese Kontrolle in Rekordzeit passieren würden. Dann aber entdeckte er, dass eine Teilnehmerin einen Nachnamen mit iranischem Migrationshintergrund hatte, obwohl sie hier geboren ist und einen deutschen Pass hat. Deshalb musste sie im Beisein einer weiblichen Begleitperson eine 2,5-stündige „Sicherheitsüberprüfung“ über sich ergehen lassen. 

Da niemand weiß, wie lange so eine Befragung dauert, fuhren wir mit unserem neuen Fahrer Edgar ohne die 2 TN zur Kurzbesichtigung des malerischen, 3.000 Jahre alten Jaffa und danach zum 10 km langen wunderschönen Sandstrand von Tel Aviv. Gegen Mittag kamen dann die zwei am Flughafen zurückgebliebenen TN mit dem Taxi zum Strand, sodass sie wenigstens auch noch im Mittelmeer baden konnten.

Tel Aviv-Jaffa mit Blick auf Mittelmeer und Strand von Tel Aviv

Am Nachmittag fuhren wir auf dem Weg nach Jerusalem zunächst zum Friedensdorf Neve Shalom, das einzige Dorf, in dem ca. 80 jüdische, muslimische und christlich-orthodoxe Familien gleichberechtigt zusammenleben, die entsprechenden religiösen Feste gemeinsam feiern sowie Kindergarten und Friedensschule zusammen besuchen. In allen anderen Kindergärten und Schulen – außer den wenigen christlichen Einrichtungen – werden israelische Jüdinnen/Juden und israelische muslimische Araber- bzw. Palästinenser/-innen in getrennten Schulen unterrichtet und erfahren bezüglich des Nahost-Konflikts jeweils nur das sehr einseitige jüdische oder muslimische Narrativ, das jeweils der anderen Seite die Schuld an diesem Konflikt gibt.

Wir gingen durch das Dorf zum Spiritual Centre, wo wir in dem u.a. für religiöse Feiern genutzten „Raum der Stille“ in Form einer Kuppel einige Minuten meditierten.

Neve Shalom – Spiritual Centre und Kloster Latrun

Aus Zeitgründen besichtigten wir als Kontrast zum Friedensdorf das Armeemuseum in Latrun von außen, in dem die Israelis stolz ihre in mehreren Kriegen erbeuteten Panzer, Flugzeuge etc. meist deutscher Herkunft (Wir sind immer noch der drittgrößte Waffenexporteur der Welt.) präsentieren. Das Trapisten-Kloster Latrun war bereits geschlossen, sodass wir uns mit einem Foto aus der Ferne begnügen mussten.

Trapisten-Kloster Latrun

Auf dem Hügel einer ehemaligen Kreuzfahrerburg lebt, arbeitet und betet eine kleine Gemeinschaft von Mitgliedern der Jesus-Bruderschaft zusammen mit einheimischen Mitarbeitern u. deutschen Volontären. Der Ort, an dem das Kloster der stillen Mönche heute steht, diente im 19. Jh. als Wegstation für Pilger von Jaffa nach Jerusalem. Nach dem Verkauf an den Orden des Heiligen Benedikt wurde das Kloster, das als Kloster der stillen Mönche bekannt wurde, im Jahre 1890 gebaut. Bis 1960 gehörte es zum Gelübde, auf Gerede zu verzichten und stattdessen das Schweigen zu allen Zeiten außer beim Gebet zu wahren. Eine große Kirche und Wohnräume befinden sich auf dem Klostergelände, es gibt auch einen schönen Garten und einen bescheidenen Hof.

Obwohl dieser Schweigeorden wie alle Mönche in Israel absolut friedlich ist, sind deren Mönche in der Vergangenheit wiederholt von israelischen Siedlern angegriffen und geschlagen worden, da diese Gruppierungen nicht nur Muslime, sondern auch Christen aus Israel vertreiben möchten. Ähnliches ist auch Benediktiner-Mönchen der Dormitio-Abtei in Jerusalem öfter widerfahren. In Tabgha am See Genezareth, der Zweigstelle der Dormitio-Abtei, wurde 2015 von ultranationalistischen Gruppen sogar ein verheerender Brandanschlag mit eindeutigem antichristlichen Hintergrund verübt (s.u., 10. Tag). 

Infolge der hohen Medienpräsenz und der klaren Verurteilung der Tat durch den damaligen Staatspräsidenten Rivlin wurden strafrechtlich minderjährige Täter und ein Drahtzieher ermittelt. Letztlich konnte nur einem Täter die Tat nachgewiesen werden. Er wurde zu 6 Jahren Haft und einer Geldbuße von umgerechnet 13.000 € verurteilt. Der Staat Israel zahlte nach zähen Verhandlungen 400.000 € für den Wiederaufbau, die gleiche Summe wurde innerhalb kurzer Zeit durch weltweite Spenden aufgebracht.

Am frühen Abend trafen wir dann in der Kaiserin Auguste-Viktoria-Stiftung in Ost-Jerusalem, in der Nähe unserer Unterkunft am Ölberg, den deutschen Volontär Jakob Hochbaum aus Freiburg, der uns – in Abwesenheit der verhinderten neuen Pfarrvikarin Svenja Prust – sehr kompetent die Geschichte und die Arbeit der Stiftung sowie der evangelischen Gemeinde in Jerusalem inkl. des Krankenhauses erklärte, obwohl er erst seit Anfang September nach dem Abitur dort ein einjähriges Volontariat angetreten hat. 

Gespräch mit Volontär Jakob Hochbaum

Die evangelische Kaiserin-Auguste-Viktoria-Stiftung geht auf den Besuch Kaiser Wilhelm II. 1898 in Palästina zurück, wobei er – zusammen mit seiner Frau Kaiserin Auguste Viktoria – auch die Deutschen im Heiligen Land offiziell besuchte. So versprach er der deutschen evangelischen Gemeinde in Jerusalem und dem katholischen Heilig-Land-Verein ein Kurheim mit Hospiz (das heutige Paulushaus mit angegliederter Schmidt-Schule gegenüber dem Damaskus-Tor). Das sollte vorrangig für Malariakranke und die vielen Deutschen in Jerusalem bestimmt sein. Darüber hinaus ließ er eine Kirche errichten. Zu dieser Zeit lebten mehrere tausend Deutsche in der Heiligen Stadt, die dringend auf medizinische Unterstützung angewiesen waren. Noch heute kann man den Kirchturm der Kirche von Jerusalem aus gut erkennen, prägnant ragt er vom Kamm des Ölbergs in den Himmel.

Die Himmelfahrtkirche ist ein 1914 vollendeter Sakralbau auf dem Ölberg in Jerusalem. Er wurde von der 1899 dort gegründeten Kaiserin Auguste-Victoria-Stiftung auf dem Ölberg errichtet. 1907 wurde der Grundstein für ein Malaria-Hospital gelegt und 1910 die Kirche eingeweiht. Das heutige Auguste-Viktoria-Krankenhaus leistet lebensrettende medizinische Versorgung für die Palästinenser im Westjordanland und dem Gazastreifen, einschließlich spezialisierter Therapien in seiner Krebs-, Diabetes- und Kinderabteilung. Es ist die einzige Einrichtung, die für die 4,5 Millionen PalästinenserInnen im Gazastreifen und im Westjordanland die Möglichkeit einer Strahlentherapie bietet. Die Kirche steht auf einem der höchsten Punkte Jerusalems, 850 Meter über dem Meeresspiegel und fast 1300 m über dem Toten Meer. Die Kirche ist im wilhelminisch-neobyzantinischen Stil erbaut. Die gesamte Westfassade wurde zum Schutz vor den starken Winden und Regenfällen mit einem massiven Vorbau umgeben. In den Jahren 1988–1991 wurden nach der statischen Sanierung und der Beseitigung der Erdbebenschäden die Kunstwerke dem Originalzustand entsprechend restauriert.

Da wir vor 19 Uhr in unserer Unterkunft im Birgittinnenkloster am Fuße des Ölbergs sein mussten, weil wir unser umfangreiches Gepäck, das nur mit großer Mühe in Edgars Minibus Platz fand, sowie noch unsere Zimmer beziehen und um 19 Uhr dort zu Abend essen wollten (Die 6 Schwestern beten nach Servierung des Abendessens und gehen gegen 21 Uhr zu Bett, da sie sehr früh zum Morgengebet aufstehen.), mussten wir zum Bedauern einiger TN auf die von Jakob angebotene Führung in der Himmelfahrtskirche verzichten. 

Das Birgittinnen-Kloster am Fuße des Ölbergs und Die Birgittinnen

Am 7.10. konnte die Kirchenbesichtigung inkl. Turmbesteigung und Außengelände der Auguste-Viktoria-Stiftung dann doch noch nachgeholt werden. Nach dem Abendessen, der Reflexion dieses ereignisreichen Tages mit den TN (die wir an den meisten Abenden durchführen konnten) und der Besprechung des morgigen Programms saßen wir noch einige Zeit draußen auf der Terrasse des Klosters und genossen den einmaligen Anblick der nicht weit entfernten, hell leuchtenden goldenen Kuppel des Felsendoms.

2. Tag: Sonntag, 2.10.: Jerusalem – Altstadt und Reformsynagoge Kol Haneshama

Nach dem Frühstück fuhr uns Edgar schon sehr früh zum Dung Gate, von wo wir Richtung Klagemauer zum Einlass für den Tempelberg eilten, um nicht – wie z.T. in den vergangenen Jahren – stundenlang in einer Schlange vor dem Einlass warten zu müssen. Erstaunlicherweise gelang es uns, vor einer großen Reisegruppe ganz vorne zum Einlass zu gelangen, sodass wir sofort die israelischen Einlasskontrollen passieren konnten und zur palästinensischen Einlasskontrolle unter der Oberhoheit der jordanischen Waqf (Religionsbehörde) am Eingang des Tempelbergs gelangten. Probleme mit unserer Kleidung wegen nicht genügend bedeckter Knie, Arme und des Brustbereichs bei Frauen wurden dank bereitgestellter Röcke, zusätzlicher Schals etc. gelöst.

Es gab auf unserer Fahrt zwar hin und wieder größere Ansammlungen von Touristen / Pilgergruppen, insgesamt aber sehr viel weniger als bis 2019.

Auf dem Tempelberg: Felsendom und Al Aqsa Moschee

Tempelberg + Felsendom

Der Tempelberg ist ein Hügel im Südosten der Altstadt von Jerusalem, oberhalb des Kidrontales. Auf seinem Gipfel befindet sich ein etwa 14 ha großes künstliches Plateau, in dessen Mitte der Herodianische Tempel stand, ein Nachfolgebau des nachexilischen jüdischen Tempels, der wiederum auf den Fundamenten des salomonischen Tempels errichtet wurde. Seit Ende des 7. Jh. n. Chr. steht hier der Felsendom. Auf der südlichen Seite der Esplanade befindet sich die al-Aqsa-Moschee (Fertigstellung 717 n. Chr). Der Tempelberg ist einer der umstrittensten heiligen Orte der Welt und drittgrößtes muslimisches Heiligtum (nach Mekka und Medina).

Der Felsendom in Jerusalem ist der älteste monumentale Sakralbau des Islams und eines der islamischen Hauptheiligtümer. Er steht auf dem Tempelberg, wurde 687-691 errichtet und im Lauf der Jahrhunderte vielfach restauriert, verändert und umfassend ergänzt, zuletzt Anfang der 1990er Jahre. Auf dem im Zentrum des Baus stehende Felsen ist nach volkstümlicher jüdischer Tradition die Welt gegründet worden, deren Mittelpunkt im Jerusalemer Tempel der Stein bildete. An dieser Stelle habe Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollen und hier habe sich die Bundeslade befunden. Der spätere Tempelberg wiederum wurde zum heiligen Ort der Israeliten mit einem Altar zur Beendigung der Pest erst, nachdem ihn König David dem Jebusiter Arawna abgekauft hatte.

Nach islamischer Tradition soll Mohammed von diesem Felsen aus die Himmelfahrt und seine Begegnung mit den früheren Propheten des Judentums und Jesus angetreten haben. Der Felsendom ist ein Meisterwerk der islamischen Baukunst des frühen Umayyaden­Stils und übernimmt den frühchristlich-byzantinischen Zentralbautyp. Der Bau mit einer ursprünglich in Holzkonstruktion errichteten Kuppel wurde über einem offenliegenden Felsen errichtet. In der archäologischen Forschung ist umstritten, in welchem Verhältnis dieser Felsen zu vorigen Tempelbauten aus biblischen Zeiten steht. Vielfach wird vermutet, dass sich das Allerheiligste oder der Brandopferaltar des antiken Jerusalemer Heiligtums auf dem Felsen befand. Der Felsendom ist ein Oktogon nach dem Vorbild der Grabeskirche und wurde ursprünglich – und auch heute nicht – als Moschee, sondern als ein Schrein beziehungsweise eine Kuppel verstanden. Seit dem Jahre 2000 dürfen Nichtmuslime Felsendom und Al-Aqsa-Moschee nicht mehr betreten, da sich die vielen dort 5-mal am Tag betenden Muslime früher durch die zahlreichen Touristen doch z.T. erheblich gestört fühlten.

Juden dürfen den Tempelberg nur ohne Kippa über den Touristeneingang betreten und dort nicht beten. Deswegen kommt es auf dem Tempelberg häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit orthodoxen Juden und radikalen Siedlergruppen, die den Felsendom abreißen möchten, um einen neuen, 3. Tempel an dessen Stelle zu setzen, wofür sie nach eigenen Angaben bereits mehrere Mrd. US-Dollar gesammelt haben.

Nach Besichtigung von Al-Aqsa-Moschee, Felsendom und Außenbereich verließen wir den Tempelberg auf der Seite der Via Dolorosa. Wir gingen zunächst zum Lions Gate und durch das Tor hindurch zum muslimischen Friedhof an der Stadtmauer, der jedoch durch israelische Soldaten abgesperrt war. Anschließend kehrten wir zurück zur Via Dolorosa und zum Damaskus-Tor, wo wir Geld umtauschten, und zum Österreichischen Hospiz (3. Station), von wo wir aus den einzelnen Stationen von Jesu Leidensweg bis zur Grabeskirche folgten.

Via Dolorosa, V. Station und Souk in der Jerusalemer Altstadt

Via Dolorosa 

Jährlich beschreiten zehntausende Gläubige mit Gesang und Gebet oder auch in Stille den Prozessionsweg, jeden Freitag um 15 Uhr die Franziskaner-Mönche aus Jerusalem. Die Bezeichnung Via Dolorosa stammt aus dem 16. Jh. Zu dieser Zeit hatte die Via Dolorosa allerdings erst vier Stationen, die im Laufe der Jh. durch Franziskanermönche erweitert und auch in der Wegführung verändert wurde, je nach den Bedürfnissen der damaligen Pilgergruppen. Die Via Dolorosa kann nicht der tatsächliche Weg sein, den Jesus von der Verhaftung am Ölberg bis Kreuzigungsstätte Golgatha nehmen musste, zumal diese schmalen Gassen erst seit dem Mittelalter existieren. Es ist – wie auch sonst im Heiligen Land – nicht entscheidend, ob Jesus wirklich hier entlanggegangen ist oder einen anderen Weg nach Golgatha genommen hat. Entscheidend ist, dass Jesus in der Nacht zum Freitag vom Ölberg zur Kreuzigungsstätte geführt wurde und dort vor Anbruch des Schabbats am Beginn des jüdischen Pessachfests, wahrscheinlich am 7.4. 30 n. Chr., am Kreuz gestorben ist.

Grabeskirche

Die Kirche des Heiligen Grabes liegt im Herzen des christlichen Viertels in Jerusalems Altstadt und gilt als eine der heiligsten Stätten der christlichen Welt. Die Kirche steht an dem Ort, an dem Jesus der Überlieferung zufolge gekreuzigt und begraben wurde und an dem er nach drei Tagen auferstand.

Sie wurde 335 n. Chr. von St. Helena, der Mutter des byzantinischen Kaisers Konstantin der Große errichtet. Im Verlauf des Byzantinischen Zeitalters und zur Zeit der Kreuzfahrer wurde sie wiederholt zerstört und wiederaufgebaut. So auch Mitte des 11. Jh., als der Fatimiden-Khalifen al Hakim harte Gesetze gegen Juden und Christen durchsetzte und zahlreiche ihrer Gotteshäuser dem Erdboden gleichmachte. Sein Nachfolger, Khalif al Zahir, erlaubte den Wiederaufbau dieser heiligsten Stätte des Christentums; der Neubau war kleiner, aber kunstvoller und reicher ausgestattet als die ursprünglich von St. Helena errichtete Kirche.

Die Kirche wird als Golgatha (Kalvarienberg) verehrt, was wörtlich „Schädel“ bedeutet. Ihr gegenwärtiges Aussehen erhielt sie zur Zeit der Kreuzfahrer. Sie waren die ersten, welche die Stätten der Kreuzigung und des Begräbnisses unter einem Dach vereinten. Die 800 Jahre alte Fassade der Kreuzfahrer ist prunkvoll verziert, und am Eingang stehen zwei massive Holztore, von denen eine seit der Herrschaft Saladins im 12. Jh. verriegelt ist.

Heute wird die Grabeskirche von 6 christlichen Konfessionen verwaltet. An der Spitze stehen die Griechisch-Orthodoxe, die Armenische Apostolische und die Römisch-Katholische Kirche, Letztere vertreten durch die Franziskaner. Im 19. Jh. kamen die Koptische Kirche Ägyptens, die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien und die Orthodoxe Tewahedo-Kirche der Äthiopier dazu. Diese Kirchen erhielten nur wenige Kapellen, und die Äthiopier sind auf das baufällige Deir-al-Sultan-Kloster auf dem Dach beschränkt. 

Das Zusammenleben der christlichen Konfessionen wird vom sogenannten „Status quo“ bestimmt, einem Dekret des türkischen Sultans aus dem Jahr 1852. Da seit langem Meinungsverschiedenheiten über die Ansprüche der verschiedenen Denominationen an der Kirche bestehen, die in der Vergangenheit schon mehrfach zu tätlichen Auseinandersetzungen geführt haben, werden die Schlüssel zur Kirche von der moslemischen Familie Joudeh verwahrt. Das zweite Holztor, das heute Zutritt gewährt, wird jeden Tag durch einen Vertreter der moslemischen Familie Nusseibeh geöffnet und geschlossen. Dieser Brauch gehört zum gegenwärtigen Status quo der Religionen in Jerusalem und geht auf die moslemische Dominanz in der Stadt in den Tagen Saladins zurück. Die Konflikte der Grabeskirchen-Bewohner erschweren immer wieder dringend notwendige Sanierungsarbeiten. Zum Symbol der Streitigkeiten wurde eine Holzleiter (s.u. Bild „Eingang zur Grabeskirche“), die im 19. Jh. an der Fassade über dem Hauptportal aufgestellt wurde. Sie steht heute noch dort, da unklar ist, wer dazu befugt wäre. 

Nach Einigung der Griechisch-Orthodoxen, der Armenischen und der Römisch-Katholischen Kirche wurde 2016 mit der überfälligen Instandsetzung der Grabeskapelle begonnen. Die Marmorplatte über der Grabbank wurde entfernt, um die ursprüngliche Felsoberfläche begutachten zu können, auf die Jesu Leichnam der Überlieferung nach abgelegt wurde. Im Zuge der Restaurierung wurde eine Fensteröffnung in die Marmorverkleidung der Grabkammer-Innenwand auf der gegenüberliegenden Seite der Grabbank geschnitten und verglast. Das Fenster gewährt den Blick auf die Reste der aufgehenden Felswand, die bestätigen, dass es sich bei der Grabkammer um ein in der Region selten vorkommendes Einzelgrab handelt. Auch im Johannesevangelium steht, dass Jesus in einem neuen Grab beigesetzt wurde, in das noch niemand gelegt worden war.

Eingang zur Grabeskirche und Salbungsstein im Innern der Grabeskirche

Eingang zu Jesu Grab und Helena-Kapelle

Wir gingen zunächst auf das Dach der Grabeskirche, wo die äthiopischen Christen untergebracht sind. Danach stiegen wir die Treppenstufen hinunter zum Eingang und betraten die Grabeskirche. Wir betrachteten nun zunächst den Salbungsstein und folgten dann den Kreuzwegstationen X-XIV in der Grabeskirche: (X) Jesus wird entkleidet; (XI) Jesus wird gekreuzigt; (XII) Jesus stirbt am Kreuz; (XIII) Jesu Leichnam wird vom Kreuz genommen; (XIV) das Heilige Grab. Da die Warteschlange vor dem Eingang zum Heiligen Grab doch recht lang war – es gab nach der Führung und in den folgenden Tagen noch mehrere Möglichkeiten zum Besuch des Heiligen Grabes -, betraten wir das Mittelschiff im Zentrum der Kirche, das als Gottesdienstraum der griechisch-orthodoxen Kirche abgeteilt ist und wo ein schalenähnlicher Stein (Omphalos) zu sehen ist, da früher Jerusalem bzw. der Golgothafelsen als „Nabel der Welt“ bezeichnet wurde. Hinter dem Heiligen Grab in der Westapsis befindet sich eine Kapelle der Syrisch-Orthodoxen mit einem jüdischen Höhlengrab aus dem 1.Jh. n. Chr., das dem im NT geschilderten Grab Jesu sehr ähnelt. Leider konnten wir dieses Grab wegen eines Gottesdienstes in der Kapelle nicht besichtigen. Wir gingen hinunter zur Helena-Kapelle, wo die Kaiserin Helena 325 n. Chr. unter den vielen dort liegenden Kreuzen sofort das Kreuz Christi erkannte, was Anlass zum Bau der Grabeskirche war. 

Man kann dort noch deutlich Teile des Golgathafelsens sehen. Wir verließen die Grabeskirche, gingen durch das christliche Muristanviertel mit der evangelischen Erlöserkirche sowie der Propstei und dann durch den Souk hinauf durch das Jaffa-Tor, von wo aus man einen wunderbaren Blick auf die Stadtmauer sowie West-Jerusalem hat. Von dort kann man hinuntergehen zur sündhaft teuren israelischen Shopping-Mall in der Neustadt.

Jaffa-Tor und Erlöserkirche

Wir gingen wieder zurück durch das sehr breite Jaffa-Tor, das angeblich beim Besuch Kaiser Wilhelm II. 1898 auf dessen Anordnung verbreitert wurde, damit der Kaiser mitsamt seinem Tross hoch zu Ross durch das Jaffa-Tor reiten konnte. Wir ließen die Davidzitadelle (heute ein Museum zur Stadtgeschichte) rechts liegen und schlenderten zurück durch den Souk, bis wir in der ersten Abzweigung nach rechts zu einer Metalltreppe gelangten, auf der man zur Dachterrasse gelangt, von wo aus man einen wundervollen Blick auf die Altstadt hat.

Von dort gingen wir zur Klagemauer, wo wegen des bevorstehenden Hochfestes Sukkot viele junge Israelis lautstark sangen und sich schon so auf dieses Fest einstimmten bzw. wohl auch Bar Mitzwa feierten.

Klagemauer: Bereich für Männer und kleiner abgetrennter Bereich für Frauen

Nach einigen Infos zur Geschichte und Bedeutung der Klagemauer inklusive des sich links anschließenden Gewölbes, in dem viele orthodoxe Juden unablässig beten (einziger Teil, der Westmauer des Tempelbergs, der für Juden seit Ende des 6-Tage-Krieges zugänglich ist) beendete ich die Führung, da wir um 14:00 ja schon in der Reform-Synagoge sein wollten. 

Traditionell stecken Gläubige und Touristen kleine und große Zettel mit Hoffnungen, Wünschen, Sorgen, Nöten und Ängsten in die Ritzen der Mauer. Da für so viele Zettel die Mauerritzen nicht ausreichen, wird die Westmauer vor Pessach gereinigt. In einer feierlichen Zeremonie unter Aufsicht des Westmauer-Rabbiners werden tausende Gebetszettel aus den Ritzen entfernt und anschließend auf dem Ölberg beerdigt.

Danach kehrten einige von uns im Österreichischen Hospiz ein – heute ein Gästehaus mit Außengastronomie über dem Souk inmitten von Palmen und Kakteen, eine paradiesische Oase der Ruhe in der sonst so hektischen Altstadt und beliebter Touristentreffpunkt.

Außengastronomie des Österreichischen Hospiz und Damaskus-Tor: Eingang zum muslimischen Viertel

Das Österreichische Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie in Jerusalem ist eine Pilgerherberge der katholischen Kirche Österreichs in der Altstadt Jerusalems. Es befindet sich an der Ecke Via Dolorosa und el-Wad-Straße des muslimischen Viertels, an der 3. Station des Kreuzweges gelegen. Das 1856 gegründete und am 19. März 1863 eröffnete Hospiz ist das älteste nationale Pilgerhaus im Heiligen Land.

Nach der Mittagspause fuhren wir zur Reformsynagoge Kol Haneshama, wo wir ein hochinformatives Gespräch mit dem noch jungen und sehr aufgeschlossenen Rabbi Oded über die Differenzierungen innerhalb des Judentums (positive Einstellung zu Homosexualität, weiblichen Rabbis etc. nur bei Reformjuden), jüdische Feste, das Fehlen einer Zivilehe in Israel etc. führten. Er erklärte uns den Ablauf einer Schabbatfeier, die Herstellung und den Gebrauch der Tora-Rollen, trug einige Verse daraus vor und blies auch ins Schofar-Horn. Wir hätten ihm wohl noch stundenlang zuhören können, was aber Odeds und unser Zeitbudget nicht zuließ.

Kehilat Kol HaNeshama ist eine jüdische Reformgemeinschaft im Süden Jerusalems und tritt ein für Pluralismus, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiwilligenarbeit. Sie ist eine fürsorgliche, unterstützende Gemeinschaft, in der Menschen beten, studieren, sich für jüdische Bildung engagieren, Ereignisse im Lebenszyklus feiern und soziale Aktivitäten durchführen. Obwohl dieser liberalen Richtung die Mehrheit der Juden in den USA angehören, sind sie in Israel eine verschwindend kleine Minderheit. Ihre Rabbiner/-innen sind ehrenamtlich tätig – im Unterschied zu den vom Staat bezahlten ca. 4.000 orthodoxen Rabbinern. Nur diesen sind Eheschließungen, Begräbnisse und Entscheide zur Auslegung der Thora vorbehalten. Da es in Israel keine Standesämter gibt, müssen Ehepaare, die sich nicht von einem orthodoxen Rabbi trauen lassen wollen oder können, z. B. in Zypern heiraten, da Israel die im Ausland geschlossenen Ehen anerkennt. Es gibt ca. 40% orthodoxe und 10 % ultraorthodoxe Juden. Letztere lehnen den Staat Israel ab und weigern sich zu arbeiten sowie Militärdienst zu leisten (Männer 3, Frauen 2 Jahre – kein Ersatzdienst möglich, Wehrdienstverweigerern drohen Gefängnisstrafen). Etwa die Hälfte der Israelis bezeichnet sich als nicht religiös.

Rabbi Oded erklärt uns den Gebrauch der Torarolle und Rabbi Oded bläst ins Schofar-Horn

Anschließend fuhr uns Edgar wieder zur Jerusalemer Altstadt, die wir dann selbständig erkundeten und von wo aus wir zu Fuß zum Abendessen im Birgittinnen-Kloster gehen konnten. Glücklicherweise konnten wir unsere Koffer auch während unserer z.T. mehrtägigen Abwesenheit in unseren Zimmern lassen, da außer uns nur noch 2 Gäste dort waren und unsere Zimmer frei blieben. Deshalb nahmen die meisten nur ein paar Sachen im Rucksack mit in den Minibus, was die jeweilige Abfahrt am Morgen wesentlich erleichterte.

3. Tag: Montag, 3.10.: (Ramallah) – Jerusalemer Altstadt – Bethlehem

Eigentlich wollten wir frühmorgens nach Ramallah fahren, um nach Besuch des Grabmals von Yassir Arafat und Besichtigung des Palastes des Palästinenser-Präsidenten Abbas von außen im Flüchtlingslager die 2007 mit deutschen KFW-Mitteln errichtete Al Jalazoon Secondary Girl’s School besuchen, wo wir einen etwa 3-stündigen Workshop mit den dortigen Schülerinnen absolvieren wollten.

Da aber wegen der Razzia israelischer Soldaten in der Nähe der Schule mit 2 palästinensischen Toten alle Checkpoints u.a. nach Ramallah geschlossen waren, mussten wir unser Programm ändern und setzten unsere Führungen durch die Jerusalemer Altstadt fort u.a. mit Besichtigung des jüdischen Viertels inklusive der Hurva-Synagoge und den Überresten des Cardo Maximus aus der Römerzeit mit dem Madaba-Mosaik aus dem 6. Jh. nach Chr., das die viel kleinere Jerusalemer Altstadt inkl. der Grabeskirche (ohne den 70 n. Chr. zerstörten Tempel) mit den ursprünglichen Stadtmauern vor der Errichtung von Felsendom und Al Aqsa Moschee zeigt, wobei zum Kauf von Souvenirs, der selbständigen Erkundung der Altstadt und der erneuten Besichtigung des Tempelbergs noch sehr viel Zeit blieb.

Hurva-Synagoge im jüdischen Viertel und der Cardo Maximus aus der Römerzeit

Am frühen Abend fuhren wir wieder über den Checkpoint nach Beit Sahour (Deutsch = Hirtenfelder, Stadtteil von Bethlehem) zum Abendessen ins Al Hakoura-Restaurant. Danach brachte uns Edgar zur Talitha-Kumi-Schule  (TK-Schule) in Beit Jala (auch ein Stadtteil von Bethlehem), wo uns unsere Gasteltern abholten, bei denen unsere TN dann übernachteten. Roland und ich übernachteten in der großen Wohnung des deutschen Schulleiters Matthias Wolf auf dem Schulgelände, unser Fahrer Edgar im Gästehaus neben der Schule.

Checkpoint in Bethlehem und Al Hakoura Restaurant in Beit Sahour (Bethlehem)

Talitha-Kumi-Schule (TK-Schule)

1851 von Kaiserswerther Diakonissen gegründet und heute in Trägerschaft des Berliner Missionswerkes, gibt die deutsche evangelisch-lutherische Schule Talitha-Kumi in Beit Jala bei Bethlehem die Botschaft der Versöhnung und des Friedens im Geiste des Evangeliums weiter und bietet christlichen sowie muslimischen Mädchen und Jungen einen geschützten Raum. Hier können sie miteinander lernen und sich zu selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln. 2017 wurde Talitha-Kumi mit dem Gütesiegel „Exzellente Deutsche Auslandsschule“ ausgezeichnet. Sie bietet das „Deutsche Abitur“ und auch das landesübliche „Tawjihi“ als Schulabschlüsse an.

Für das Schuljahr 2020/2021 sind 135 Kinder für den Kindergarten angemeldet. Etwa 700 SchülerInnen nehmen am Unterricht der Klassenstufen 1–12 teil. 30 % von ihnen kommen aus christlichen, 70 % aus muslimischen Familien. Für die Berufsschule (Community College) laufen die Anmeldungen noch, im Schuljahr 2019/2020 ließen sich etwa 100 StudentInnen dort im Bereich Hotelerie und Gastronomie ausbilden. 

„Talitha Kumi“ bedeutet „Mädchen, stehe auf!“. Dieser Appell ist bis heute Name, Programm und Auftrag der ältesten evangelischen Schule in Palästina. Er stammt aus dem Markusevangelium, wo es heißt: „Und Jesus ergriff das Kind bei der Hand und sprach: Talitha Kumi, Mädchen, ich sage dir, stehe auf!“ Die Schule Talitha Kumi sieht ihre gesamte pädagogische Arbeit als einen Beitrag zur Überwindung von Konflikten und Gewalt und damit zum Frieden. Zu den Zielen des Unterrichts gehört, den Angehörigen verschiedener Konfessionen und Religionen Toleranz und Respekt zu vermitteln. Das großzügige und reichlich bepflanzte Schulgelände bietet einen geschützten Raum, in dem eine solche Arbeit möglich ist. Talitha-Kumi ist auch ein Ort, an dem sich VertreterInnen beider Seiten des Nahostkonflikts treffen und kennenlernen können.

Zum außerschulischen Angebot gehören gemeinsame Andachten, regelmäßige Workshops zur Friedenserziehung u. die Ausbildung von SchülerInnen zu StreitschlichterInnen. Diese MediatorInnen lernen und üben, auftretende Konflikte friedlich zu lösen. Nach ihrer Ausbildung vermitteln sie bei Konflikten ihrer MitschülerInnen und tragen ihre Fähigkeiten zur friedlichen Konfliktlösung auch in ihr soziales Umfeld hinein.

Talitha-Kumi-Schule in Beit Jala und Gästehaus der Talitha-Kumi-Schule

4. Tag: Dienstag, 4.10.: Bethlehem – Neve Daniel – ToN – (Hebron) – Bethlehem

Morgens versammelten wir uns zu einer kurzen religiösen Einstimmung in der TK-Kirche, die als multifunktionaler Raum benutzt wird, dann gab es für uns eine Kurzführung durch die Schule, bevor wir in der Kirche unter Leitung von Patrick mehrere gelungene Kennenlernspiele durchführten, ehe wir im Kunstraum der Schule mit unserem Workshop gemeinsam mit einer gleich großen palästinensischen Schüler/-innengruppe begannen. 

Es wurden 5 Gruppen zu je 5 TN des Workshops gebildet, die die folgende Aufgabe erhielten: Jede/r TN sollte  nach einem Gruppen-Brainstorming ein flaches Stück Olivenholz mit einem selbstgewählten Symbol/Bild zu positiven Grundwerten wie Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit, Gemeinschaft etc. bemalen und auf ein Gruppenplakat kleben. Am Abschlusstag sollte die jeweilige Gruppe dann ihr Plakat vorstellen.

Kennenlernspiele unter Leitung von Patrick und Workshop in der Talitha-Kumi Schule

Nach Ende des Workshops aßen wir im Gästehaus eine gefüllte Pita und fuhren dann zur israelischen Siedlung Neve Daniel, wo uns Nethanel sehr herzlich empfing. Nethanel kommt aus Bonn, hat in der Siedlung eine Israelin geheiratet und ist zum jüdischen Glauben konvertiert, was mehrere Jahre dauerte. Er ist nun ein Israeli und orthodoxer Jude, der als Siedler natürlich bestimmte, im Vergleich zu anderen Siedlern jedoch noch gemäßigte Positionen vertritt. Er erzählte uns sehr viel über die israelisch-jüdische Geschichte, seine Biografie und das Leben in der Siedlung. Am Schluss gingen wir noch in die Synagoge, wo er ebenfalls unsere Fragen bereitwillig beantwortete. Obwohl wir in einigen Punkten sehr unterschiedliche Ansichten haben, schätze ich Nethanels Offenheit und Verlässlichkeit sehr. Auch wenn man seine Ansichten keineswegs teilen muss, ist es doch wichtig, sich seine durchaus verbreitete Meinungen anzuhören, da nur so die Unlösbarkeit des Nahost-Konflikts verständlicher wird.

Israelische Siedlung Neve Daniel und Nethanel (rechts) in der Synagoge von Neve Daniel

Danach besuchten wir das direkt an Neve Daniel angrenzende Tent of Nations (ToN), neben der Tora-Schule, die von 5 jüdischen Siedlungen umgeben ist. Nach Überwindung des Roadblocks durch das israelische Militär (damit Daoud Nassar und die Besucher/-innen nicht auf direktem Wege mit dem Auto zum ToN gelangen können), gelangten wir zum ToN, wo uns Daoud und später auch sein älterer Bruder Daher (was auch der Name deren Großvater ist, der dem Weinberg (ToN) seinen ursprünglichen Namen gegeben hat) sehr herzlich empfingen.

Karte mit jüdischen Siedlungen (rechts oben Neve Daniel, auch Bild rechts) darunter Tora-Schule und das ToN)

(Kostenlose Kartenversion von www.geo-ref.net)

Kurzinfos über Palästina:

Palästina wird international von 138 UN-Mitgliedsstaaten (72 %) als staatliches Gebilde anerkannt und hat seit 2012 Beobachterstatus bei der UNO. Es umfasst den Gazastreifen (360 km², ca. 2,1 Mio. Palästinenser/-innen) und das Westjordanland (ca. 2,7 Mio. Palästinenser/-innen), wobei die Palästinensische Autonomiebehörde auch Ost-Jerusalem (ca. 8,4 km² und über 0,3 Mio. Palästinenser) als ihre Hauptstadt beansprucht. In ganz Jerusalem (125 km²) leben derzeit etwa 0,95 Mio. Menschen. Im Westjordanland und in Ostjerusalem leben bereits mehr als 0,75 Mio. jüdische Siedler/-innen. Diese Siedlungen werden vom Internationalen Gerichtshof und der UNO als illegal betrachtet.

Das Westjordanland ist seit 1995 (Osloer Abkommen) in 3 Zonen aufgeteilt. Die Zone A wird vollständig von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet, die dort auch eigenständig Entscheidungen treffen darf. In Zone B ist ein solches Vorgehen nur mit israelischer Genehmigung möglich, z. B. bei Baugenehmigungen. Die Zone C untersteht ausschließlich der israelischen Militärverwaltung. Sie macht 62% des Westjordanlandes aus.

Zone A (18%): Unter palästinensischer Selbstverwaltung.

Zone B (20%): Palästinensische Selbstverwaltung unter der Kontrolle des israelischen Militärs.

Zone C (62%): Vom israelischen Militär blockiert und von der israelischen Regierung nicht als zu den palästinensischen Autonomiegebieten gehörend anerkannt.

Quellen: Wikipedia-Artikel Westjordanland, Palästina, Gazastreifen, jüdische Siedlung, etc. (9/9/22) und BpB

Daoud schilderte auf seine unnachahmliche charismatische Art die Geschichte und die Situation auf dem ToN und erklärte sein Motto „Wir weigern uns Feinde zu sein“, was alle TN sehr beeindruckte. Anschließend zeigte er uns die wichtigsten Lokalitäten auf dem ToN, ehe wir uns von ihm verabschiedeten, da wir noch den Bethlehemer Kongresspalast besuchen wollten.

Tent of Nations (ToN)

JIK fördert besonders (mit bisher über 220 T €) das Tent of Nations (ToN) Daoud Nassars, der mit dem Motto “Wir weigern uns, Feinde zu sein” seit 32 Jahren vor Gericht um den Erhalt seines 42 ha großen Landes kämpft (seit 1916 im Familienbesitz). Er darf dort keine Gebäude errichten, muss in Höhlen bzw. unterirdischen Wohnungen ohne Wasser u. Strom leben. Daher sammelt er Wasser in selbst ausgehobenen Zisternen u. verwendet Solarzellen. Unzählige Male wurden das ToN attackiert, über 10 T Bäume vernichtet, Schäden von über 150 T € angerichtet. Mehrfach waren sein Leben und das seiner Familie bedroht. Der Besatzung, den zahllosen Zerstörungen und Angriffen auf ihr Leben setzen sie als Christen Friedfertigkeit u. Nächstenliebe entgegen. Dort entsteht aus Steinen der Umgebung u.a. mit JIK-Mitteln das EdK-LandArt-Projekt (Ø:30m). Ab April sollen die Arbeiten fortgesetzt werden. Das ToN (ca. 13 T Besucher/-innen jährlich vor Corona) bietet neben Kinder- u. Frauenförderungsprojekten folgende 10-tägige Workcamps von März bis November an: Baumpflanzungen, Unkrautjäten & Weizenernte, Höhlensanierung & Obsternte, Kinder-Sommercamp, Mandel- & Obsternte, Weintrauben- Feigen- u. Olivenernte.

Roadblock, der die Zufahrt zum ToN versperrt und Daoud (hinten mit Hut) berichtet von seiner Arbeit.

Im unterirdischen Meetingroom mit Daoud und Garten aller Nationen auf dem ToN

Eigentlich wollten wir nach Hebron, um neben dem Besuch der Abrahams-Moschee auch durch den – sehr deprimierenden, da fast menschenleeren – Souk zu gehen. Da es aber nach Aussage unseres Fahrers schon 3 Stunden vor Beginn von Jom Kippur (ab 18 Uhr) wegen des absoluten Fahrverbots für Israelis recht gefährlich war, in der Nähe jüdischer Siedlungen mit dem Minibus zu fahren, zumal wir durch die jüdische Siedlung Kirjat Arba fahren mussten, um überhaupt zur Abrahams-Moschee zu gelangen, fuhren wir stattdessen wieder nach Bethlehem zurück (der einzige Ort für uns, bis zum Ende des Fahrverbots an Jom Kippur am 5.10. um ca. 21 Uhr, mit einem Auto unterwegs zu sein). Dort besuchten wir den syrisch-aramäisch-palästinensischen Christen George Bassous, Architekt und Generalmanager des Kongresspalasts in Bethlehem (Diese Christen sprechen noch heute Aramäisch –  die Sprache Jesu.).

Kongresspalast von Bethlehem

Der Kongresspalast („Convention Palace“), eine gemeinsame Investition der Consolidated Contractors Company „CCC“ und des Palestine Investment Fund „PIF“, war eines der Projekte, die Teil der Vorbereitungen von Bethlehem waren, um das neue Jahrtausend willkommen zu heißen. Die Architektur wurde mit den nahegelegenen Sehenswürdigkeiten wie dem „Murad Castle“, dem Museum und den historischen „Solomon-Pools“ synchronisiert, wodurch die historische und archäologische Natur der Region erhalten blieb. In den Räumlichkeiten am südlichen Stadtrand von Bethlehem befinden sich ein riesiges Auditorium, eine Ausstellungsgalerie, ein Theater mit über 2.300 Sitzplätzen und modernster Technik, Tagungsräume und eine Cafeteria. Der Palast beherbergt im Laufe des Jahres mehrere wichtige lokale und internationale Veranstaltungen und hat es geschafft, den internationalen Standard der Gastlichkeit zu wahren. Die Gegend im und um den Kongresspalast empfing jedes Jahr (bis 2019) Tausende von Besuchern, die die Geschichte und das Erbe des Ortes erkunden und die interessante Mischung von Veranstaltungen und Aktivitäten genießen möchten, insbesondere die im Sommer durchgeführten Programme. Das Schlossmuseum beherbergt eine der größten ethnografischen Sammlungen palästinensischer Geschichte und Kultur.

Kongresspalast in Bethlehem und Theater im Kongresspalast

Zunächst wurden wir von seinem Assistenten empfangen, der uns durch die Ausstellung zur Geschichte und den Aktivitäten des Kongresspalats „City of Cultures and Civilisations“ führte und uns das große Theater mit 2.300 Sitzplätzen und einer beeindruckenden Bühnentechnik zeigte. (Solch ein Theater hat selbst Bonn nicht !!!). Kurz vor Ende unseres Besuchs traf George dann doch noch ein, der sich wegen einer Beerdigung verspätet hatte.

Danach fuhren wir wieder zum Abendessen ins Al Hakoura Restaurant und von dort zur TK-Schule, wo unsere TN von ihren Gastfamilien abgeholt wurden. Roland und ich ließen uns von Tony Nassar (dem jüngeren Bruder von Daoud Nassar) zu seiner Familie fahren, wo wir einen sehr netten Abend verbrachten. Anschließend brachte Tony uns wieder zur TK-Schule zurück, wo wir beim Schulleiter Matthias Wolf übernachteten.

5. Tag: Mittwoch, 5.10.: Bethlehem

Am Vormittag besuchten wir jeweils zu mehreren TN je eine Schulstunde, bevor wir mit dem Schulleiter Matthias Wolf sprachen, der uns die TK-Schule als exzellente deutsche Auslandsschule vorstellte. Danach setzten wir den Workshop an der TK-Schule fort. Nach dem Imbiss im Gästehaus fuhren wir zur Universität in Bethlehem, wo uns die neue deutsche Volontärin Sofie ganz herzlich empfing. Nach einer Kurzführung durch die Uni schauten wir uns einen Film über die Geschichte und Gegenwart der Uni an, bevor wir mit 2 StudentInnen interessante Gespräche über deren biografischen Hintergrund, ihr Studium, ihre derzeitige Situation und ihre Zukunftspläne führten, obwohl der Unibetrieb ruhte, da u.a. die StudentInnen aus Ost-Jerusalem wegen des Fahrverbots an Jom Kippur nicht nach Bethlehem kommen konnten.

Workshop an der TK-Schule und Abschlusspräsentation einer der 5 Gruppen (s.u., 6. Tag)

Die Universität in Bethlehem (BU) – eine Hochschule in Trägerschaft der katholischen Kirche mit Sitz in Bethlehem im Westjordanland, Palästina – wurde 1973 eröffnet und ist damit die älteste Universität im Westjordanland. Die Leitung der Uni vertraute der Heilige Stuhl den De La Salle Christlichen Schulbrüdern an, die die Universität bis heute leiten. Um den Ansprüchen der wachsenden Studentenzahl gerecht zu werden, wurde die BU erweitert: Um die Bibliothek (1978), den Anbau der Naturwissenschaftlichen Fakultät (1980), das Gebäude mit Auditorium und Mensa (1990), das Institut für Gemeindepartnerschaft/ICP (1991), die „Bethlehem Hall“ der Fakultäten für Pflege- und Erziehungswissenschaften (1995), das Turathuna: Zentrum für palästinensisches Kulturerbe (2000) und die „Millennium Hall“ der Fakultäten für Geisteswissenschaften und Betriebswirtschaft (2002). 2011 wurde ein neues Gebäude für die Erziehungswissenschaften eröffnet.

Zu Beginn des akademischen Jahres 2017/2018 waren 3308 Studierende immatrikuliert, davon 77,2 % Frauen. Dieser hohe Prozentsatz an weiblichen Studierenden hat mehrere Gründe:

– Die angebotenen Studienfächer der Bethlehem Universität werden eher von Frauen belegt.

– Männer bekommen von ihren Familien leichter die Erlaubnis, im Ausland studieren zu dürfen.

– Viele junge Männer arbeiten nach ihrem Schulabschluss, um ihre Familien unterstützen zu können.

– Mehr Männern sind in israelischen Gefängnissen inhaftiert als Frauen.

Obwohl die Universität katholisch ist, gibt es 76 % Muslime und nur 24 % Christen. Diese Zahl ist angesichts weniger als 1 % Christen in ganz Palästina vergleichsweise hoch. Der interreligiöse Dialog sowie das friedliche Zusammenleben der Religionen gehören zu den Kernpunkten der Mission der BU. Ein Großteil der Studierenden kommt aus den Ostteilen Jerusalems (46,2 %) oder der Region Bethlehem (44,3 %). Weitere 7,7 % kommen aus Hebron zur Universität. Bis August 2017 haben 17.197 Studierende ihren Abschluss an der BU erhalten.

Mit insgesamt über 420 Mitarbeitern (ca. 50 % Lehrpersonal) ist die Bethlehem Universität der größte Arbeitgeber der Region. Die Bethlehem-Universität bietet 21 Bachelor- und vier Masterstudiengänge an.

Im Gegensatz zu vielen anderen Universitäten ist die BU zu 2/3 auf Spenden angewiesen, um den laufenden Betrieb zu finanzieren. Dies kommt aus der Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Studienkosten und den an die Wirtschaftskraft der Familie angepassten Gebühren für die Studenten.

Uni Bethlehem: rechts deutsche Volontärin Sofie und Caritas Baby Hospital: Dr. Marzouqa vorne in der Mitte

Danach fuhren wir zum Caritas Baby Hospital, wo wir mit der Chefärztin Dr. Marzouqa über die Arbeit des Hospitals sprachen. Sie spricht sehr gut Deutsch, da sie in Deutschland studiert hat. Sehr bewegend, authentisch und kompetent berichtete sie von ihrer schwierigen Arbeit in diesem (durch Spenden finanzierten) Hospital, das Kinder bis zum 18. Lebensjahr kostenlos behandelt, wenn die Familien das Geld für die Behandlung nicht aufbringen können, da es keine gesetzlichen Krankenkassen wie bei uns gibt. Ihre Mitarbeiterinnen beraten auch die Familien u.a. bezüglich Verhütung und klären auch über verbreitete Erbschäden auf infolge der häufigen Heirat von Cousinen mit Cousins.

Sie selbst glaubt nicht an eine Lösung des Nahost-Konflikts und kann ihre besonders auch psychisch sehr belastende Arbeit nur fortführen, indem sie z.B. morgens und abends bewusst nicht auf die Bethlehemer Mauer blickt, die direkt auf der anderen Straßenseite des Hospitals steht.

Die Mauer – eine israelische Sperranlage

Als Sperranlage bezeichnet Israel eine 759 Kilometer lange Absperrung entlang der Grenzlinie zwischen Israel und dem Westjordanland. Die Absperrung verläuft zum überwiegenden Teil auf dem Territorium der Westbank. Mit dem Bau wurde 2002 begonnen, um Selbstmordanschläge im israelischen Kernland einzudämmen. Es ist mehr als fraglich, ob dessen Rückgang auf diesen Mauerbau zurückzuführen ist. 2004 erklärte der Internationale Gerichtshof, dass Israel mit dem Bau der Anlagen gegen Völkerrecht verstoße. Der Bau müsse sofort gestoppt werden, für die Errichtung beschlagnahmtes Eigentum müsse zurückgegeben oder die Enteigneten müssten anderweitig entschädigt werden. Die Anlage stellt nach Aussage von Kritikern eine starke Beeinträchtigung für die PalästinenserInnen dar. Sie trenne teilweise Dörfer und Städte von ihren Feldern und Brunnen ab und drohe damit die wirtschaftliche Grundlage von Bauern zu zerstören. Zudem habe der Bau eine Zerstörung von landwirtschaftlich genutzter Fläche zur Folge. Der überwiegende Teil der Sperranlagen (auf mindestens 700 Kilometer) wird als schwer gesicherter Metallzaun mit Stacheldraht, einem Graben, einem Zaun mit Bewegungsmeldern, einem geharkten Sandstreifen zur Verfolgung von Fußabdrücken, einem asphaltierten Patrouillenweg sowie weiterem Stacheldraht auf der israelischen Seite errichtet. Zu beiden Seiten des Zauns wird ein insgesamt 70 Meter breites militärisches Sperrgebiet errichtet, welches von Beobachtungsposten zusätzlich optisch überwacht wird. In kleinen Teilen, in der Nähe von Qalqiliya und Jerusalem (insgesamt auf mindestens 25 Kilometer), wo diese Breite nicht eingehalten werden kann, wird eine bis zu acht Meter hohe Mauer aus Stahlbeton errichtet. Teile dieser Mauer wurden unter anderem von palästinensischen Arbeitern aus Hebron errichtet. In unregelmäßigen Abständen existieren Toranlagen.

Die Anlagen verlaufen zu ca. 20% auf der Grünen Linie, der Waffenstillstandslinie zwischen Israel und dem Westjordanland 1949, die das von Israel kontrollierte Territorium bis zum Sechstagekrieg 1967 begrenzte; in ca. 80% weichen sie von dieser Linie ab und verlaufen hierbei fast ausschließlich innerhalb des Westjordanlands.

Die Mauer in Bethlehem

Nach Besichtigung der Mauer mit einigen neuen und aktuellen Graffiti fuhr uns Edgar in die Nähe der Geburtskirche, wo wir nach einer mangels Massentourismus recht kurzen Wartezeit die Geburtsgrotte besichtigen konnten. Leider war die benachbarte und sehenswerte Höhle geschlossen, in der der hl. Hieronymus wirklich eine Zeitlang gelebt und ab 385 n. Chr. die Bibel ins Lateinische übersetzt hat, die als Vulgata lange Zeit als die maßgebliche Bibelübersetzung galt.

Geburtskirche in Bethlehem und Stern in der Geburtsgrotte

Geburtskirche

Die Geburtskirche ist die Kirche in Bethlehem, die über der vermuteten Geburtsstätte Jesu Christi errichtet wurde. Die Geburtskirche gehört zu den wenigen vollkommen erhaltenen frühchristlichen Kirchenbauten. Die Höhle, die die Christen als Geburtsstätte Jesu ansehen, wurde ab dem 2. Jh. verehrt. Kaiser Hadrian errichtete angeblich 135 ein Adonis-Heiligtum über ihr, wahrscheinlich auch, um damit die Jesusverehrung wieder zu unterbinden. Kaiser Konstantin der Große und seine Mutter Helena ließen an der Geburtsstätte eine Memorialkirche mit reichen Mosaikböden errichten, die sie noch vor 335 Jesus Christus weihten. Der Bau war eine fünfschiffige, 27 Meter lange Basilika mit einem westlich vorgelagerten Atrium und einer polygonalen Apsis im Osten. Die Apsis war 17 Meter breit und hatte in der Mitte eine vier Meter breite Öffnung, die Einblick in die Geburtsgrotte gewährte. 386 ließ sich Hieronymus in Bethlehem nieder, wo er seine lateinische Bibelübersetzung Vulgata vollendete. Die konstantinische Basilika wurde in der 2. Hälfte des 5. Jh. mit einem westlichen Narthex vollständig neu erbaut. Die Kreuzfahrer restaurierten die Kirche von Grund auf (1161–1169).

Unter den Türken verfiel die Kirche zunehmend. 1670 begann die griechisch-orthodoxe Kirche, die Kirche zu renovieren. Am mutmaßlichen Geburtsort in der Geburtsgrotte wurde exakt auf der Mittelachse der Basilika im Jahr 1717 von der römisch-katholischen Kirche ein silberner Stern mit der lateinischen Inschrift „Hic de virgine Maria Jesus Christus natus est“ (Hier wurde von der Jungfrau Maria Jesus Christus geboren) angebracht. Seine 14 Zacken symbolisieren die 14 Geschlechter im Stammbaum Jesu.

Nach starker Beschädigung durch ein Erdbeben (1927) ließen die britische Mandatsverwaltung und später die Franziskaner Ausgrabungen und Restaurierungen durchführen. Während der 2. Intifada kam es 2002 zu einer 39 Tage dauernden Belagerung der Anlage durch israelisches Militär, nachdem sich 40 bewaffnete palästinensische Kämpfer in die Geburtskirche geflüchtet und dort verschanzt hatten. Außerdem waren ca. 160 weitere Personen (darunter 60 Priester, Mönche und Nonnen) auf dem Kirchenkomplex eingeschlossen. Durch die Feuerwechsel wurden einige Fenster zerstört; angrenzenden Gebäude trugen größere Schäden davon.

Nazareth als wahrscheinlichster Geburtsort Jesu

Die neuere theologisch-historische Forschung hält jedoch mit großer Mehrheit Nazareth für den Geburtsort Jesu, weil von den 4 Evangelien nur das Lukasevangelium (über 50 Jahre nach Jesu Tod entstanden) Bethlehem als Geburtsort nennt, da zur Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiung der Messias aus der Stadt Davids (= Bethlehem) kommen musste. Bei der von Lukas erwähnten Steuerschätzung des Quirinus musste – wie auch bei anderen Steuerschätzungen im römischen Reich – keineswegs jeder in seine Heimatstadt ziehen (in diesem Fall Josef mit Maria nach Bethlehem), was ein logistischer Albtraum gewesen wäre. Auch fällt die von Lukas erwähnte Steuerschätzung des Quirinus in das Jahr 6/7 unserer Zeitrechnung, also ca. 12 Jahre nach der tatsächlichen Geburt Jesu zur Zeit des Königs Herodes. Ferner ist im NT immer von Jesus aus Nazareth die Rede.

Daher besuchte wir noch u.a. die Milchgrotte, kauften einige Souvenirs und fuhren dann mit der Volontärin Sofie, die sich uns in Bethlehem angeschlossen hatte, zur TK-Schule, wo uns das Auto der Gastfamilie, die uns und die palästinensischen Austauschschüler/-innen zu sich zum Essen eingeladen hatte, zu ihrem Haus lotste.

Am Abend lernten wir, wie man „Zarb“ zubereitet. Das Gericht (meist Hühnchen/Lamm mit Reis etc.) wird mehrere Stunden unter der Erde gegart. Dieses Gericht bekamen wir im Beduinen-Camp dann sogar täglich.

Roland, Sofie und ich blieben nur solange dort, bis wir von Daoud Nassar zu seiner Familie gebracht wurden, wo wir einen sehr entspannten Abend verbrachten, zumal während der Begegnung auf dem ToN keine Zeit war für persönliche Gespräche. Daoud brachte Sofie zu ihrer Wohnung in der Nähe der Uni und uns zur TK-Schule bzw. zur Wohnung des Schulleiters Matthias Wolf.

6. Tag: Donnerstag, 6.10.: Bethlehem – Jerusalem

Am nächsten Morgen präsentierten alle Gruppen sehr gelungen ihre Ergebnisse, bevor wir uns verabschiedeten und nach Jerusalem zur Schmidt-Schule gegenüber dem Damaskus-Tor der Altstadt fuhren. Dort hatten wir nach Begrüßung durch den Stv. Schulleiter und Nahostexperten Dirk Poppendieker (in Vertretung der verhinderten Schulleiterin Frau Dr. Schönemann) erneut die Gelegenheit, auf Deutsch mit 3 Schülerinnen über Schule, Freizeit und ihre persönlichen Zukunftsperspektiven zu sprechen.

Schmidt-Schule

Die Schmidt-Schule wurde 1886 als private Mädchenschule in katholischer Schulträgerschaft gegründet. Zielsetzung ist es bis heute, Mädchenbildung auf höchstem Niveau anzubieten: interkulturell, interreligiös, multilingual, ganzheitlich und unabhängig von der sozialen und religiösen Herkunft der Schülerinnen. Dieses Angebot wird heute von 500 Mädchen christlichen oder muslimischen Glaubens wahrgenommen. Seit 2008 gehört die Schmidt-Schule zum Kreis der weltweit 140 deutschen Auslandsschulen und seit 2015 führt sie das Gütesiegel „Exzellente Deutsche Auslandsschule“.

Die Schmidt-Schule bietet sowohl das „Deutsche Abitur“ als auch das landesübliche „Tawjihi“ als Schulabschlüsse an. Dabei werden internationale Qualitätsstandards durch die gemeinsame Schulaufsicht des Bundes und der Länder in Deutschland gewährleistet. Dies garantiert für die Schülerinnen den Zugang zu den führenden Universitäten weltweit. Die Schmidt-Schule liegt im Herzen Jerusalems, direkt am Damaskus-Tor. Sie gehört zu den führenden Bildungseinrichtungen in Jerusalem, ausgestattet mit modernsten Laboren, Medienzentrum, Smartboards, Grundschulbibliothek, Musikräumen, Aula, Sportanlagen usw. Sie bietet dabei das gesamte pädagogische Programm von der Grundschule bis zur Oberstufe an.

Im Zentrum der Erziehung steht die Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen. Die Schmidt-Schule ist dafür bekannt, junge Frauen zu aktiven, selbstbewussten, kritischen und kreativen Persönlichkeiten zu erziehen, die den Mut haben, sich für ihre Überzeugungen einzusetzen. Ergänzt wird dies durch ein anspruchsvolles akademisches Programm in Naturwissenschaften, Sprachen sowie Kunst und Musik. Dies prädestiniert diese Schülerinnen später zur Übernahme von Führungspositionen in unterschiedlichen Bereichen. Dabei ist es wichtig, dass die Schülerinnen bereits im Laufe ihrer Schulzeit lernen, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Dies gelingt durch zahlreiche Sozialprojekte, die jährlich durch die Schülerinnen initiiert werden. Hierzu gehört auch die intensive Auseinandersetzung mit den drei Weltreligionen, die das Alltagsleben rund um die Schmidt- Schule so intensiv prägen.

Gespräch mit Schülerinnen der Schmidt-Schule und Schulhof der Schmidt-Schule

Nach Geldumtausch und Imbiss fuhren wir nach Yad Vashem zur Shoa-Gedenkstätte, wo wir 3 Stunden durch das Museum und einen Teil des Außengeländes geführt wurden. Die diesjährige Führung in der u.a. infolge vieler SoldatInnen sehr vollen Gedenkstätte durch eine pensionierte Lehrerin war jedoch sehr unstrukturiert und ließ leider die nötige professionelle Distanz vermissen. Sie trug z.T. unrichtige Thesen zur Vorgeschichte des NS- Antisemitismus und des Aufstiegs von Hitler vor und bezeichnete uns auch noch alle ungefragt als ihre Kinder, die sie natürlich intensiv belehren musste.

Yad Vashem

Auch wenn ich seit 1982 schon unzählige Male in Yad Vashem war, erschüttert mich dieser Besuch jedes Mal aufs Neue, da der Holokaust auch nach der Lektüre noch so vieler wissenschaftlicher Bücher letztlich unbegreifbar und unerklärbar bleibt. In Yad Vashem wird eine Liste mit über 11 Mio. Juden in Europa und der UdSSR (weltweit damals über 16 Mio. Juden) gezeigt, die auf der Wannseekonferenz am 20.1. 1942 als Grundlage für die „Endlösung der Judenfrage“ diente. Es sollten also mindestens 11 Mio. Juden ermordet werden, wenn der Krieg lange genug gedauert hätte. Von daher ist es völlig unerheblich, ob nun knapp 6 Mio. oder sogar ca. 6.5 Mio. Juden getötet wurden, da es 11 Mio. sein sollten. Ca. 4,5 Mio. getötete Juden sind mittlerweile in Yad Vashem namentlich erfasst. Insgesamt sind etwa 40% der damaligen Juden ermordet worden. Erst seit Kurzem gibt es weltweit wieder so viele Juden wie vor dem Holokaust.

Die Shoa-Gedenkstätte zeigt mit einer überwältigenden Fülle von Dokumenten, Augenzeugenberichten etc. die NS-Judenverfolgung/Vernichtung u.a. mit dem Ziel: Emotionen zu wecken, damit sich so etwas nie wiederholen soll. Die Ursachen und der Vorgeschichte des NS-Antisemitismus werden dabei jedoch nur sehr oberflächlich dargestellt, was aber zum tieferen Verständnis absolut notwendig wäre.

Alle Israelis besuchen in ihrem Leben mehrfach Yad Vashem (während ihrer Schul-/ bzw. Militärzeit) und das KZ Auschwitz. Sehr viele sind erschüttert und ziehen daraus die Lehre, nie wieder wehrloses Opfer zu sein und sich deshalb immer zu wehren und im Zweifel zuerst zu schießen. Die Botschaft, die der Holokaust auch vermittelt – nie wieder andere Menschen (auch wenn sie Muslime sind) unterdrücken, diskriminieren, entwürdigen, töten, berauben etc. – kommt bei vielen Israelis leider zu kurz, wie auch das beschämende Ergebnis der Knesset-Wahl am 1.11.22 zeigt, sodass Israel wohl jetzt eine rechtsgerichtete Regierung unter Netanjahu mit einem rassistisch-faschistoiden Parteienbündnis erhält.

Yad Yashem und SoldatInnen als Besucher/-innen der Holokaust-Gedenkstätte

Danach fuhren wir zurück zu unserem Quartier am Fuße des Ölbergs, wo wir nach dem Abendessen wieder im Angesicht des Felsendoms bis spät abends gemütlich zusammensaßen.

7. Tag: Freitag, 7.10.: – Jerusalemer Altstadt

Nach dem Frühstück ließen wir uns von Edgar zur Spitze des Ölbergs fahren, von wo aus man einen unvergleichlichen Panorama-Blick über ganz Jerusalem und besonders die Altstadt hat. Danach gingen wir langsam den Ölberg hinunter und hielten an verschiedenen Orten an (Eingang zu den jüdischen Gräbern am Ölberg, der Kirche „Dominus flevit“ inkl. der Knochenkisten, die nur ein paar Stunden in der Woche geöffnete russ.-orthodoxe Maria-Magdalena-Kirche mit den wundervollen goldenen Kuppeln etc.), wobei ich den TN wie immer die nötigen Informationen hierzu gab. Von der Kirche Dominus Flevit (lat. „Der Herr weinte“) hat man nochmals einen atemberaubenden Blick auf die Jerusalemer Altstadt mit dem Felsendom. Die Kirche erinnert an die Trauer Jesu in Vorahnung bezüglich der kommenden Zerstörungen Jerusalems:

„Und als er (vom Ölberg) nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie und sprach: ‚Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen. Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du heimgesucht worden bist.‘“ (Lk 19,41ff.).

Wahrhaft prophetische Jesu über die zahllosen Zerstörungen Jerusalems bis in die Neuzeit und die Stadt Jerusalem, in der man bis heute nicht erkannt hat, was dem Frieden dient!

Dominus Flevit

Die Kirche gehört dem Orden der Franziskaner und wurde 1955 auf den Fundamenten einer byzantinischen Kirche aus dem 6. Jh. erbaut. Die aufsehenerregenden Ausgrabungen der 1950er Jahren legten einen jüdisch- christlichen Friedhof aus dem 1. Jh. frei. Die Ossuaria oder Steinkassetten für die Aufbewahrung der Gebeine weisen zahlreiche Kritzeleien mit einigen der ältesten christlichen Symbole auf. Augenfällig ist insbesondere ein Monogramm vom „konstantinischen“ Typ, der anscheinend noch aus viel früheren judenchristlichen Zeiten stammt (Konstantin starb im Jahre 337 n. Chr.). Weiter wurden wertvolle Sarkophage mit Pflanzenschmuck oder geometrischen Mustern gefunden, die heute im Museum der Flagellation zu sehen sind.

Links vom Haupteingang sind die Reste eines christlichen Mosaiks aus byzantinischer Zeit erhalten, die beim Neubau der heutigen Kirche freigelegt wurden. Hierauf sind einige sehr seltene Motive (z. B. eine durchstochene Perle in Anlehnung an das entsprechende Gleichnis Jesu) besonders sehenswert. Architektonisch augenfällig ist die Tränenform der Kuppel. An den 4 Seiten der Kuppel hat der Architekt „Tränenvasen“ verbaut, eine Anspielung aus seiner Heimat, die letzte Träne eines Sterbenden in besonderen Gefäßen aufzubewahren.

Die Kirche ist vor allem durch Innenaufnahmen bekannt, denn anders als sonst bei christlichen Kirchen üblich ist die Kirche Dominus Flevit nicht nach Osten ausgerichtet, sondern nach Westen: durch ein Fenster hinter dem Altar fällt der Blick auf die Altstadt in Richtung der im christlichen Glauben die Erlösung darstellenden Grabeskirche und den Felsendom, die beide (fast) auf gleicher Höhe liegen wie Dominus Flevit.

Danach besichtigten wir das Mariengrab, die Grotte sowie den Garten Gethsemane, wo sich Judas erhängt haben soll, nachdem er Jesus verraten hatte, und die Kirche der Nationen.

Mariengrab

Das Mariengrab im Kidrontal bei Jerusalem wird nach altkirchlicher Tradition als die Grabstätte von Maria, der Mutter Jesu, angesehen. Das Grab liegt am Fuße des Ölberges, nahe bei der Kirche aller Nationen.

Eine kleine Kirche wurde dort im 4. Jh. errichtet. Kreuzfahrer restaurierten und erweiterten sie im 12. Jahrhundert, bevor sie von Saladin nach der Eroberung Jerusalems zerstört wurde. Die Krypta wurde dabei verschont und ist bis heute erhalten geblieben, da Maria auch im Islam verehrt wird.

Die heutige Kirche gehört der griechisch-orthodoxen und der armenisch-apostolischen Kirche; die syrisch- orthodoxe, die koptisch-orthodoxe und die äthiopisch-orthodoxe Kirche dürfen sie mitbenutzen. Über eine steile Treppe hinter der Fassade steigt man zum Grab hinunter, in dem Maria einige Tage bis zu ihrer Himmelfahrt gelegen haben soll. Zudem werden dort die Gräber ihrer Eltern Joachim und Anna und ihres Mannes Josef gezeigt. Neben dem Eingang zur Kirche befindet sich der Eingang zur Verrats-Grotte der Katholiken, die an der Stelle errichtet sein soll, wo die Gefangennahme Jesu stattfand. Einer Jerusalemer Tradition zufolge soll Maria am Berg Zion im Kreise der Jünger gestorben sein. Daran erinnert die römisch-katholische Dormitio-Kirche. In Ephesus gibt es eine weitere Stätte, an der Maria einer sehr viel jüngeren Hypothese folgend gestorben bzw. in den Himmel aufgefahren sein soll. Der Trend geht bei der Gottesmutter Maria eindeutig zum Zweitgrab.

Blick von Kirche „Dominus Flevit“ auf Altstadt und im griechischen-orthodoxen Teil der Kirche „Mariengrab“

Anschließend gingen wir hinunter ins Cidrontal, von wo man aus die palästinensische Ostjerusalemer Siedlung Silwan sieht (ca. 40.000 Einwohner/-innen), die ohne Baugenehmigung errichtet wurde, da die israelische Regierung eine solche grundsätzlich nicht erteilt. Jetzt ist diese Siedlung ebenfalls vom Abriss bedroht.

Nach Besichtigung von Absaloms Pillar – ein missratener Sohn Salomons (in Wirklichkeit Grab eines reichen christlichen Römers im 1. Jh., an dessen Außenmauer ganz oben ein kleiner Text des Lukas-Evangeliums entdeckt wurde) – gingen wir durch das Löwen-Tor und besichtigten den biblischen „Teich Bethesda“.

Absaloms Pillar und die palästinensische Siedlung Silwan im Cidrontal unterhalb der Stadtmauer

Teich Bethesda 

Im 1. Jh. n. Chr. nahm die kultische Verehrung des Bethesdawassers zu. Es gibt Reste eines Heiligtums des Heilgottes Serapis/Äskulap. Um ein zentrales Wasserreservoir sind mehrere kleine Baderäume angeordnet, in die das Wasser geleitet wurde. Daneben zeigen Votivgaben, dass sich tatsächlich Personen durch dieses Wasser geheilt glaubten. In der byzantinischen Zeit im 5. Jh. wurden die Becken mit Bogenkonstruktionen überwölbt und darauf eine dreischiffige Basilika errichtet. Von dieser Kirche und von ihren Nachfolgekirchen sind nur noch Reste erhalten. Die byzantinische Basilika aufgrund ihrer Lage über den Teichen ist Zeichen der Erinnerung an die Heilungswunder Jesu, die 1142 von den Kreuzfahrern östlich der Becken erbaute St.-Anna-Kirche dagegen ein Ausdruck der Marienfrömmigkeit, da man neben dem Bethesda-Teich die Wohnung von Joachim und Anna, der Eltern Marias, vermutete. 1856 wurde das gesamte Areal Frankreich überlassen, das die Verwaltung des Geländes 1874 den Weißen Vätern (französischer Orden der Afrikamission) übertrug.

„Davidsgrab“ (Kenotaph) und mit Pater Simeon im Garten der Dormitio-Abtei

Danach ließen wir uns von Edgar zum Zions-Tor fahren, von wo aus wir Abendmahlssaal und darunter den Kenotaph des „Davidsgrab“ besichtigten – er ist wohl nicht dort begraben worden -, ehe wir uns mit Pater Simeon im Garten der Dormitio-Abtei trafen, da die gesamte Abtei inkl. Kirche zurzeit aufwändig renoviert und erst Ostern 23 wieder für Pilger zugänglich sein wird.

Sehr offen informierte uns Pater Simeon über die Geschichte des Klosters, das Leben der Mönche, seine persönlichen Arbeitsbereiche, seine Freizeitaktivitäten außerhalb des Kloster und wie und wo seinen Urlaub verbringt. Zur Unterstützung der vorbildlichen Arbeit der Behinderten- und Jugendbegegnungsstätte Beit Noah in Tabgha übergab ich ihm eine JIK-Spende von 1 T € für diese Einrichtung.

Das nahe gelegene Grab von Oskar Schindler auf dem römisch-katholischen Franziskanerfriedhof am Berg Zion, der – obwohl Nazi – dennoch am Schluss ca. 1.200 Juden das Leben gerettet hat und deshalb erst 1993, fast 20 Jahre nach seinem Tod, von Israel den Titel „Gerechter unter den Völkern“ erhielt, konnten wir nicht besuchen, da seltsamerweise ein direkt vor dem Eingang geparkter großer LKW den gesamten Friedhofseingang versperrte. Einige TN ließen sich von Edgar am Damaskus-Tor absetzen, da sie in der Altstadt u.a. noch Souvenirs kaufen wollten, andere trafen sich ein 2. Mal mit dem deutschen Volontär Jakob in der Auguste-Viktoria-Stiftung, der für sie die Kirchenführung übernahm. Der Rest ließ sich direkt zum Quartier bei den Birgittinnen fahren.

Nach dem Abendessen schlugen einige vor, dass alle einen Corona-Selbsttest machen sollten, da manche auffällige Symptome zeigten. Tatsächlich waren dann 2 TN außer mir positiv (später kam noch eine TN hinzu), sodass wir alle ab sofort im Minibus Masken trugen und sich die Corona-Positiven bei den Mahlzeiten an einen Nachbartisch setzten.

Dormitio-Abtei 

Die Dormitio Abtei der deutschen Benediktiner ist ein römisch-katholisches Kloster mit Kirche auf dem Jerusalemer Zionsberg südlich der alten Stadtmauern. Der imposante Komplex mit seinem ungewöhnlichen Turm ist weithin sichtbar und stellt eines der Wahrzeichen der Altstadt dar. Die Abtei steht ganz in der Nähe des Grabes von König David und des Abendmahlsaales. Der Überlieferung zufolge soll an dieser Stätte die Gottesmutter Maria entschlafen sein, und daher der Name Dormitio Mariae – eine alte Bezeichnung des Festes Mariä Himmelfahrt. Somit besitzt die Umgebung sowohl für Juden als auch für Christen eine historisch und spirituell besondere Bedeutung.

Der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. durch die Römer fiel auch der Saal des Letzten Abendmahles zum Opfer, und es entstand eine judenchristliche Kirche, die im 5. Jh. durch die byzantinische Basilika Hagia Sion abgelöst wurde. Zu Beginn des 7. Jh. machte der Perserkönig Korush die Basilika dem Erdboden gleich, und erst etwa 500 Jahre später erbauten die Kreuzfahrer auf den Überresten eine Kirche namens Sancta Maria in Monte Sion. Diese wurde kurze Zeit darauf von den moslemischen Herrschern des Landes nach ihrem Sieg über die Kreuzfahrer in Trümmer gelegt. Das Grundstück ging in deutschen Besitz über, als es Kaiser Wilhelm II. anlässlich seines Besuchs im Heiligen Land vom türkischen Sultan erwarb und dem Deutschen Verein vom Heiligen Lande übergab. Im April 1910 wurden Kloster und Kirche eingeweiht. Neben ihrem Zentrum in Jerusalem unterhalten die deutschen Benediktiner zudem eine Priorei in Tabgha am See Genezareth und betreuen dort das Heiligtum der Brotvermehrung. Getreu ihrer Prämisse „ora et labora“ widmen sich die Mönche der Abtei neben dem Klosterleben und dem Gottesdienst auch der Friedensarbeit, der Betreuung von Pilgern, der Ausbildung des Nachwuchses, der Handarbeit und dem Kunsthandwerk. Zudem dient die Jerusalemer Kirche als Mittelpunkt kulturell-geistlicher Veranstaltungen.

8. Tag: Samstag, 8.10.: Caesarea – Sepphoris – Haifa

Frühmorgens fuhren wir zunächst nach Caesarea, eine Gründung von Herodes dem Großen, die er zu Ehren des Kaisers (Caesar) Augustus Caesarea nannte und u.a. mit Theater, Tempel, Hippodrom für 20.000 Zuschauer/- innen, Badehäusern, Forum und einer gigantischen Hafenanlage ausstattete. Heute ist davon allerdings nur noch wenig zu sehen. Bisher konnte man am Eingang einen sehr informativen Film über die Geschichte Caerareas sehen. Diesen Film gibt es jetzt nach Corona nur noch am recht weit entfernten Ausgang zu sehen. Wir besichtigten daher zunächst das Theater, die Reste des Tempels und des Hippodroms sowie die berühmte Stele, die beweist, dass Pontius Pilatus, Präfekt des römischen Kaisers Tiberius in Judäa, eine historische Figur war.

Da es in Richtung Ausgang außer dem Mittelmeer nichts mehr zu sehen gab und es unsicher war, wann der Film starten sollte, gingen wir wieder zum Bus und fuhren weiter Richtung Sepphoris, zumal Edgar diesen Nationalpark wohl nicht kannte und ich daher nicht genau wusste, wann wir dort sein würden. Nach einem Kurzfilm über die Geschichte von Sepphoris zeigte uns unsere junge Führerin Rinat zwar durchaus kompetent die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der bedeutenden antiken Stadt Sepphoris, wirkte aber doch recht distanziert, so dass nicht alle mit der Führung zufrieden waren.

Caesarea: Hippodrom, rechts Reste der Tribünen und Theater von Caesarea

Sepphoris

Sepphoris (hebräisch Zippōrī) war eine antike Stadt in Galiläa. Sie war im 1. Jh. v. Chr. eine größere Stadt der Region und befand sich etwa 8 Kilometer nördlich von Nazareth. Herodes Antipas, ein Sohn von Herodes dem Großen, ließ Sepphoris nach seiner Zerstörung dann neu aufbauen und machte sie zu seiner prachtvollen Hauptstadt. Sepphoris lag auf einer Anhöhe und war weithin sichtbar. Ihre Straßen waren mit kostbarem gebrochenen Marmor ausgelegt. Ein römisches Theater war in einen Hügel hineingebaut. Aus dem 1. Jh. n. Chr. stammt eine Bürgerbasilika mit weißen Mosaikböden und reichen Wandgemälden. Gewöhnliche und vornehme Häuser fand man im Innenstadtbereich Seite an Seite. Es gab zwei Märkte, auf denen ein reger Handel mit regionalen Waren – vermutlich vor allem mit Nahrungsmitteln (Weizen, Oliven, Weintrauben, Dörrfisch), Keramik, Schmuck und Webstoffen – stattfand. 1993 fand man die Reste einer Synagoge aus dem 5. Jh. Besonders die gut erhaltenen Mosaike, die unter anderem den Gott Helios darstellen, bilden eine der Besonderheiten von Sepphoris.

Das Mosaik der Synagoge ist in 7 Paneele unterteilt, die unterschiedlich gut erhalten sind, insgesamt aber starke Zerstörungen aufweisen. Das Bildprogramm des Mosaiks ist eine Mischung aus biblisch-jüdischen und außerbiblischen Motiven. So finden sich in den Paneelen 7 und 6 (nahe dem Eingang) Darstellungen biblischer Geschichten. Paneele 4, 3 und 2 enthalten jüdische Symbole, Paneel 1 hat in der Mitte einen Kranz, aus dem die Wasserströme des Lebens fließen. Paneel 5 enthält eine Darstellung des Zodiak. Im Zentrum sieht man die vier Pferde des Sonnenwagens des Gottes Helios. Der Gott selbst ist nicht figurativ-anthropomorph dargestellt, sondern als Sonne mit Strahlen. Das ist ein wichtiger Unterschied zu anderen Darstellungen des Zodiak, wo der Sonnengott als menschliche Gestalt abgebildet ist. Von den darum herum befindlichen figürlichen Sternzeichen sind nur vier weitgehend erhalten. Außerhalb des Tierkreises befinden sich in den Ecken des Quadrats, in welches der Zodiak eingebettet ist, figürliche Darstellungen der vier Jahreszeiten.

Im 12. Jh. errichteten die Kreuzfahrer die gotische St.-Annen-Kirche und eine Burg in Sepphoris, das sie Le Saforie nannten, und gliederten es ihrem Königreich Jerusalem ein. 1516 wurde der nun Saffuriyya genannte Ort Teil des Osmanischen Reichs und war ausschließlich von Muslimen bewohnt. 1745 wurde auf dem Hügel neben dem Ort eine Festung errichtet. Die St.-Annen-Kirche, zu der im 17. Jh. noch Wallfahrten stattfanden, war spätestens zu Beginn des 19. Jh. zerstört. Unter dem britischen Mandat wurde Saffuriya zum größten Dorf in Galiläa und lebte vor allem vom Anbau von Oliven. 1949 wurde der Moschav Tzippori südlich des Dorfs gegründet. Die verbliebenen arabischen Siedler wurden in den 1960er Jahren deportiert und das Dorf abgerissen.

War Jesus in Sepphoris?

Josef (Sein Beruf „Tekton“ auf Griechisch heißt nicht Zimmermann, sondern Bauhandwerker; es gab ja noch keine Spezialisierung, die von einer Handwerkskammer überwacht wurde) und sein Sohn Jesus (von „Iēsoûs“ = griechisch und „Jeshua“ = hebräisch, was „Gott hilft“ heißt) sind wahrscheinlich regelmäßig vom nur 8 km entfernten Nazareth nach Sepphoris gegangen, da es im Gegensatz zum Dorf Nazareth dort langfristige Arbeit an dieser Großbaustelle gab. Dort hat er wohl auch die griechische Kultur bzw. Philosophie kennengelernt, da manche Ansichten Jesu denen der griechischen Kyniker ähneln, so Prof. Lang, der ihn sogar als einen jüdischen Kyniker bezeichnet.

Sepphoris: Mosaikfußboden und Theater

Wir erreichten noch rechtzeitig Haifa, wo wir zunächst vom unteren Eingang den berühmten und einmaligen Bahá’í Garten (geöffnet bis 17 Uhr) mit dem Schrein des Bab besichtigen wollten. Leider konnten wir dort nur bis zum 1. vergitterten Tor gelangen. Der Sicherheitsdienst am Einlass erklärte uns, dass wir morgen ab 9 Uhr vom mittleren Eingang durch den Garten auch zum Schrein gelangen und ihn von innen besichtigen könnten.

Daher fuhren wir zunächst zum Kloster Stella Maris, wo wir auch zu Abend aßen und übernachteten.

Kloster Stella Maris

Das Karmelitenkloster Stella Maris (lateinisch Stella Maris ‚Stern des Meeres‘) befindet sich am Hang des Karmelgebirges in Haifa. Der Name Stella Maris ist eine Anrufung Marias, der Mutter Jesu Christi. Der aus dem 19. Jh. stammende Kirchenbau und das Kloster Stella Maris befinden sich am Westhang. Nach dem 1. Buch der Könige kam es auf dem Berg Karmel im 9. Jh. v. Chr. zur Machtprobe zwischen Elija und den Baalspropheten (1 Kön 18,37-39). Über einer Grotte, die an den Aufenthalt des Elija erinnert, wurde die Wallfahrtsstätte Stella Maris errichtet. Im 12. Jh., unter der Herrschaft der Kreuzritter, besiedelten erstmals Eremiten Höhlen am Berg Karmel, um das Leben des Propheten Elija nachzuahmen.

Edgar brachte uns zum Aussichtspunkt gegenüber dem Kloster, von dem man einen wunderbaren Blick auf Haifa und die Hafenanlagen hat. Es heißt, dass man in Jerusalem ist, um zu beten, in Tel Aviv, um zu feiern, und in Haifa, um zu arbeiten. Wir nahmen dann unsere Badesachen aus dem Bus und fuhren mit der Seilbahn hinunter zum Sandstrand am Mittelmeer, um dort ausgiebig zu baden. Obwohl die Rückfahrt mit der Seilbahn hinauf zum Kloster schier endlos dauerte, konnten wir noch vor dem Abendessen einchecken. Danach saßen noch einige von uns auf dem Dach des Klosters und bewunderten das nächtliche Lichtermeer der Hafenstadt Haifa.

Blick vom Dach des Klosters Stella Maris auf Haifa und Mittelmeer und Kirche mit Elia-Grotte (unten)

Die Bahá’í (weltweit ca. 8 Mio.) glauben an einen allwissenden und allliebenden Gott. Ihre junge Religion stammt aus dem Iran, wo der Religionsgründer Bab 1850 hingerichtet und 20.000 Anhänger getötet wurden. Besonders im Islam gelten die Bahai als vom wahren Glauben Abgefallene und sind in vielen Ländern Verfolgungen sowie Diskriminierungen ausgesetzt (Auch in Israel sind sie nur geduldet.). Alle Menschen und Völker der Welt mit ihren komplett unterschiedlichen Fähigkeiten, Eigenschaften und Aussehen sollen sich zusammenschließen, friedlich miteinander leben, die Natur bewahren und gemeinsam dafür sorgen, dass es allen Lebewesen gutgeht. Das kann nur gelingen, wenn alle Menschen genug wissen. Darum legen Bahai sehr viel Wert auf gute Schulen und vor allem darauf, dass jeder Mensch sie besuchen und sein Leben lang lernen kann.

Die Bahá’í glauben an einen ewigen, unerreichbaren, allwissenden und allgegenwärtigen Schöpfergott und reihen sich somit in die Tradition des abrahamitischen Monotheismus ein. Doch die Rolle der eigenen und auch anderen Religionen und Propheten sehen die Bahá’í vollkommen anders: Ihr Prophet verkündet nicht eine letzte, einzig richtige Offenbarung oder versteht die Bahá’í als ausgezeichnetes Gottesvolk und andere Religionsgemeinschaften als Ungläubige. Die Bahá’í glauben viel eher an eine Art der Evolutionstheorie der Religionen. Die Tatsache, dass es so viele voneinander abweichende Religionen gibt, erklären die Bahá’í damit, dass jede Religion nur auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten ihrer Zeit eingeht. Mit der Entwicklung neuer gesellschaftlicher Formen und fortschreitender Kultur entsteht Raum für eine neue Offenbarung, einen neuen Propheten. So sehen sich die Bahá’í auch nur als ein Glied in der Kette nach Krishna, Moses, Christus, Mohammed und vielen mehr. Die Botschaften der Religionen und der Gott, auf den sie sich beziehen, sind in den Augen der Bahá’í immer dieselben. Aber nach den Richtlinien einer Religion zu leben, deren Lehren sich nur auf ihre Jahrhunderte zurückliegende Entstehungszeit beziehen, sei unzeitgemäß, so der Prophet Bahá’u’lláh.

An den heiligsten Tagen der Ridvanzeit, dem 1., als Baha’u’llah, der Nachfolger des Bab verkündete, dass er der Verheißene sei, dem 9., als ihn seine Familie im Garten Ridvan besuchte, und dem 12., als er den Garten verließ, arbeiten die Bahai nicht. Sie treffen sich an diesen Tagen, um Andachten abzuhalten und zu feiern. In manchen Ländern wie in Indien haben auch die Kinder schulfrei. Exakter Beginn des Ridvan-Festes ist der 21. April, 2 Stunden vor Sonnenuntergang. Zum Fest finden religiöse Zusammenkünfte in Andachtsräumen mit gemeinsamen Gebeten und Feiern statt. Die Geschichte über die Zeit, die Baha’u’llah im Garten Ridvan verbrachte, wird erzählt, vorgelesen oder von den Kindern als Theaterstück dargestellt. Anschließend feiert man zu Hause bei einem guten Mahl. Auch wenn es keine festgelegten Rituale für die Feier gibt. Denn solche kennen die Bahai nicht. Ebenso gibt es weder zeremonielle Gottesdienste noch einen religiösen Klerus. Gemeindebelange werden auf örtlicher, nationaler und internationaler Ebene von demokratisch gewählten Körperschaften wahrgenommen. Ebenfalls am ersten Ridvan-Tag werden lokale Gremien einberufen, die „geistigen Räte“, die jeweils aus 9 Personen bestehen. Zuvor müssen sie aus der Gesamtheit der Gemeinde gewählt werden und üben dann ihr religiöses Amt für ein Jahr aus.

Im Punkt Sexualität sind die Bahá’í allerdings ähnlich konservativ wie die mit ihnen verwandte Religionen: Sexuelle Beziehungen vor und außerhalb des Rahmens der Ehe sowie das Ausleben homosexueller Liebe sind verboten. Homosexuelle Menschen können aktive Mitglieder der Religionsgemeinschaft sein, müssen aber ihre Veranlagungen oder Neigungen unterdrücken und versuchen, den Gesetzen Gottes bzw. Richtlinien Bahá’u’lláhs treu zu bleiben. Die Bahá’í-Religion sieht allerdings keine Diskriminierung oder Bestrafung Homosexueller vor.

1. Exkurs: Religion + Homosexualität: Die Bibel verurteilt nicht Homosexualität im heutigen Sinne

Da es in den meisten asiatischen und afrikanischen Staaten entweder keinen Schutz vor Kriminalisierung von Homosexualität gibt (so auch im von uns besuchten Palästina und Jordanien) oder sehr harte Strafen bis hin zur Todesstrafe (meist in muslimischen Ländern wie Saudi-Arabien) drohen, aber Homosexualität auch im orthodoxen Judentum abgelehnt wird, hier ein kurzer Exkurs zu diesem Thema im Heiligen Land der Bibel und der 3 abrahamitischen Religionen:

Hauptsächlich in den abrahamitischen Religionen wird Homosexualität von Anfang an abgelehnt und mit dem Tode bestraft. Da der Islam als jüngste dieser 3 Religionen die Sichtweise der Bibel übernommen hat, beschränke ich mich auf die Darstellung von Homosexualität in der Bibel bzw. der Tora. Der Begriff Homosexualität ist ein Kunstwort, das erst 1868 zum 1. Mal verwendet wurde. Im AT bzw. der Tora (5 Bücher Mose) wird nur der Begriff Sodomie verwendet, der nur 3-mal vorkommt, in Anlehnung an die Geschichte von Sodom und Gomorra (1 Mose 13ff.):

Lot lebte als Fremder in Sodom und wurde daher wohl von den Einheimischen gemieden. Als er nun 3 Engel bei sich aufnahm, zogen alle Männer Sodoms vor Lots Haus und forderten die Herausgabe dieser 3 fremden Männer. Diese können gar nicht alle homosexuell gewesen sein, da wahrscheinlich zu allen Zeiten in einer Bevölkerung ca. 6% der Frauen und Männer homosexuell veranlagt waren und sind. Es waren also zu 94% heterosexuelle Männer, die nur ein Ziel hatten, die brutale Massenvergewaltigung dieser Fremden. Ähnliches müssen nicht selten Männer in Gefängnissen erleben, für die es die schlimmste Demütigung ist, die ihnen angetan werden kann. Diese Geschichte hat überhaupt nichts mit Sexualität und Homosexualität im heutigen Sinne zu tun, zumal die Sodomiter die angeboten Töchter Lots als Ersatz abgelehnt hatten. Das AT zählt dann die vielen Sünden Sodom und Gomorras auf: Abwendung von Gott; Abgötterei; Bosheit; Ungerechtigkeit; Brüstung, Böses zu tun; Unterstützung von Übeltätern; Hochmut; Widerspenstigkeit; Gewalttat; Grausamkeit; Ehebruch; Lüge; Irreführung; Nicht- Kümmern um die Armen und Elenden; Ungastlichkeit; Schmähung Israels; Unbußfertigkeit; Gesetzlosigkeit; Sorglosigkeit; Unzucht; die Verschmähung der Zeugen Gottes – aber nicht Homosexualität. Nach dieser Demonstration der Gottlosigkeit und Gewaltbereitschaft aller Männer Sodoms wurden beide Städte von Gott vernichtet. Dies zeigt, dass diese Stelle von fundamentalistischen ChristInnen seit Anbeginn völlig falsch verstanden worden ist und wird.

Die 2. und 3. Stelle bei 3 Mose 18-20ff. (Levitikus) lautet: „Und wenn ein Mann bei einem Mann liegt, wie man bei einer Frau liegt, dann haben beide ein Gräuel verübt. Sie müssen getötet werden, ihr Blut ist auf ihnen.“ Im Hebräischen heißt das Wort „Gräuel“ „Toevah“ und bedeutet: etwas, das von Gott verabscheut wird, weil es unrein ist. Es handelt sich um eine rituelle Unreinheit, nicht um moralische Sünde (heb. „Zimah“). Eine menstruierende Frau wurde z.B. als „Gräuel“ bezeichnet und durfte den Tempel nicht betreten, aber sie war deswegen nicht moralisch verwerflich. Für das jüdische Gesetz hatte Homosexualität mit ritueller Unreinheit zu tun, nicht mit sexueller Ethik. Im Übrigen werden u.a. in Levitikus viele weitere Gräuel-Taten aufgeführt: das Essen von Schalentieren wie Muscheln oder Hummer, das sich Nähern dem Altar Gottes bei einer Augenkrankheit, das Anpflanzen von zwei verschiedenen Saaten auf einem Feld, das Tragen von Kleidern aus zwei verschiedenen Stoffen (z.B. Baumwolle & Polyester), das Schneiden von Haupt- und Barthaaren. Erlaubt sind dagegen die Sklavenhaltung und der Verkauf der Töchter in die Sklaverei, Arbeiten am Samstag ist jedoch bei Todesstrafe verboten (Exodus 21,7 und 35,2). Wenn also jemand mit dem Hinweis auf Levitikus die Bestrafung von Homosexuellen fordert, müsste er auch die strikte Einhaltung aller anderen göttlichen Gebote des AT bzw. der Tora fordern, was aber wohl keine/r dieser christlichen/jüdischen Fundamentalisten verlangt.

Bei der Verurteilung homosexuellen männlichen Verhaltens in Levitikus (s.o.) geht es auch um die festgefügten patriarchalen Geschlechterrollen. Der Mann heiratete in der Antike mit ca. 18 Jahren eine ca. 14 Jahre alte „Frau“ und sollte als Beweis seiner Männlichkeit möglichst viele Kinder zeugen (für das damalige Überleben sehr wichtig), zumal ein Teil der Kinder im 1. Lebensjahr oder später an Krankheiten vorzeitig starb. Sich als Mann wie eine Frau verhalten, war ein klarer Verstoß gegen diese Geschlechterrollen und musste deshalb aufs Schärfste verurteilt werden.

Der Mann war die Krone der Schöpfung, dann kamen die völlig rechtlosen Kinder, Frauen, Sklaven bzw. das Gesinde. Fast alle Männer (und Frauen), die ihre homosexuellen Bedürfnisse heimlich auslebten, waren verheiratet und hatten Kinder. Ihnen war gar nicht bewusst, dass sie anders veranlagt waren, sondern nur, dass sie eine schwere Sünde begingen. In der Antike war zudem nicht bekannt, dass ein Mann genügend Samen produzieren konnte, der theoretisch für Hunderte Kinder gereicht hätte. Man hatte Angst, dass bei Verschwendung des Samens nicht genügend für die Kinderzeugung übrigblieb. Deshalb wurde In der jüdisch- christlichen Tradition der Tod Onans (Gen 38) als Strafe dafür, dass er seinen Samen „verschwendete“, als göttliches Verbot des Coitus interruptus und der Onanie interpretiert.

Auch im NT wird Homosexualität nur an 3 Stellen bei Paulus thematisiert, weder in den Evangelien, noch bei Jesus. In Römer 1, 26ff. spricht Paulus von Menschen, die sich von Gott abgewendet haben und unnatürliche Wolllust treiben. In 1 Korinther 6ff. und 1 Timotheus 1,9 ff. verurteilt er ausdrücklich die „Knabenschänder“. Hiermit spielt er auf das damalige sexuell perverse Verhalten der dekadenten griechischen und römischen Oberschicht an.

Der Kontext ist die griechische und römische Kultur und die Sexualität der Oberschicht, die dort gelebt wurde. Beide Kulturen waren männlich orientiert und dominiert. Der intellektuelle und emotionale Partner eines Mannes war oft ein anderer Mann. Der männliche Körper war ein Schönheitsideal und dieses Ideal beeinflusste die Erotik der Griechen und Römer. Diese homosexuelle Kultur hatte also einen völlig anderen Hintergrund als moderne Homosexualität. Besonders die Griechen praktizierten und lehrten „Päderastie“, die Liebe von Knaben, in der es einen aktiven Partner (ein erwachsener Mann) und einen passiven Partner (ein Teenager von ca. 14 Jahren) gab. Sobald der Knabe erwachsen wurde (ca. 16 Jahre), war die Beziehung vorbei. In dieser Beziehung gab es keine Gleichheit und keine Gemeinschaft. Der ältere Partner bestimmte das Geschehen und nur er hatte sexuelle Befriedigung. Es handelte sich nicht um eine beständige Liebesbeziehung mit mehr als nur Sex. Außer Päderastie gab es noch schwulen Sex mit Sklaven, eine erzwungene Lustbefriedigung, und männliche Prostitution, letzteres oft als Teil des Fruchtbarkeitskultes. Die dominanten männlichen Sexualpartner waren natürlich statistisch zu 94% heterosexuell, da es hier um Dominanz und das Ausleben perverser Fantasien ging, was Paulus völlig zu Recht verurteilte. Biblische Urteile gegen Homosexualität sind in der modernen Debatte irrelevant. Sie sollten nicht länger in der Diskussion über Homosexualität als Waffe benutzt werden – nicht, weil die Bibel nicht autoritativ ist, sondern ganz einfach, weil die heute praktizierte und in den fortgeschrittenen Nationen akzeptierte liebevolle, gleichberechtigte homosexuelle Partnerschaft zur Zeit der Entstehung der patriarchalen Bibel völlig unbekannt und undenkbar war. Es gibt hierzu eine umfangreiche wissenschaftliche Fachliteratur, aber auch Vorträge u.a. von Prof. Siegfried Zimmer https://worthaus.org/mediathek/

2. Exkurs: Aufstieg des Christentums sowie Aufstieg und Niedergang des Islam
Eigentlich waren die Voraussetzungen für die Fortexistenz der Lehren Jesu nach dessen Tod extrem schlecht. Jesus war als Aufrührer („König der Juden“) hingerichtet worden. Seine Anhänger wurden verfolgt und konnten sich nur heimlich treffen. Neben der Urgemeinde in Jerusalem bildeten sich allmählich, besonders nach den Missionsreisen des Paulus, ähnliche Gemeinden in Antiochia, Damaskus, Korinth, Alexandria, Rom etc., also in vielen Gegenden des römischen Reiches. Obwohl die frühen Christen gerade in Rom Verfolgungen seitens einiger römischer Kaiser (Nero, Domitian etc.) ausgesetzt waren, in Katakomben ihre Toten begraben, sich wohl auch dort treffen und den Fisch als geheimes Erkennungszeichen verwenden mussten (siehe ganz am Ende unter „Jerusalem-Kreuz), fand Jesu Lehre von Nächstenliebe, Einsatz für die Schwachen, Gleichheit aller Menschen, Gerechtigkeit, Wertschätzung von Frauen, Kindern (alles demokratische Werte unseres Grundgesetzes), Weiterleben nach dem Tod etc. viele Anhänger zunächst bei Sklaven, Unterdrückten und Frauen der römischen Unterschicht, aber zunehmend auch bei höheren Schichten.

In Wahrheit hat das Christentum das römische Reich durch Unterwanderung von unten besiegt. Zur Zeit Kaiser Konstantin bestand ein erheblicher Teil seines Heeres bereits aus Christen, die für Christus, nicht aber für den römischen Kaiser kämpfen wollten. Deshalb befahl Konstantin (nach einer angeblich göttlichen Vision und Weisung „In diesem Zeichen wirst du siegen“) seiner Armee, das Christusmonogramm Siehe Bild unten. (ΧΡ sind die ersten beiden Buchstaben des griechischen Wortes Χριστός = Christos) auf die Schilde der Soldaten und sein neues Feldzeichen zu malen. Die Soldaten kämpften ab jetzt also für Christus und so errang Konstantin bei der Milvischen Brücke in Rom 312 n. Chr. den entscheidenden Sieg gegen Maxentius. Das Toleranzedikt von 313 brachte dann in den Folgejahren Religionsfreiheit für alle ChristInnen im römischen Reich und 380 wurde dann das Christentum zur Staatsreligion erklärt und die Ausübung heidnischer Kulte unter Strafe gestellt.

Dies führte natürlich zu einer immer hierarchischer werdenden Organisationsstruktur der Kirche. Bereits 304 wurde der Bischof von Rom auch als Papst für alle ChristInnen bezeichnet. Es entstanden seit der Einberufung des 1. Konzils von Nicäa 325 unter Konstantin die ersten von vielen Dogmen (Jesus ist Gott gleich – nicht nur ähnlich -, immerwährende Jungfräulichkeit Mariens etc.), um die in den folgenden Jahrhunderten sehr heftig gestritten wurden und deren Absolutheitsanspruch erst mit der Aufklärung im 18. Jh. in Frage stellt wurde.

Die ursprüngliche, friedfertige Lehre Jesu geriet dabei oft stark in den Hintergrund, zumal die Bibel ja bis ins 16. Jh. meist nicht in der Landessprache vorlag und es unter den Gläubigen sehr viel AnalphabetInnen gab.

Sicher zum Teil mit Brachialgewalt (Taufe oder Tod), aber zu Anfang auch durch Anknüpfung an bekannte Vorbilder aus anderen Religionen gewann das Christentum viele Anhänger/-innen. Das Kreuzzeichen (u.a. das Henkelkreuz als altägyptisches Lebenszeichen als Vorbild), aber auch das Christusmonogramm in Bezug auf andere Personen mit den gleichen Anfangsbuchstaben gibt es schon Jahrhunderte v. Chr. Maria mit dem Jesuskind adaptiert weit verbreitete Bildtypen aus dem Mittelmeerraum, in denen Muttergottheiten mit Kind auf dem Schoße, im Arm oder stillend dargestellt wurden etc. Ferner wurden sehr oft Kirchen auf nichtchristlichen Kultstätten erbaut, um deren Heiligkeit in diese Kirchen zu übertragen. Auch Jesus hat am Teich Bethesda (einer alten griechischen Kultstätte des Heilgottes Asklepios) seine Heilungswunder vollbracht.

Nach dem Untergang des Römischen Reiches (476/480 n. Chr.) kämpften vom Mittelalter bis in die Neuzeit der Papst und der römisch-deutsche Kaiser um die legitime Nachfolge bzw. Vorherrschaft. Die Kirche des christlichen Abendlandes musste natürlich – zumal in der damals herrschenden Ständegesellschaft – völlig anders strukturiert sein als die auf Gleichheit basierenden christlichen Urgemeinden.

Bereits im 7. Jh. wurde das Christentum durch die immer weiter vordringenden arabischen Heere bedroht, die sich schließlich bis Pakistan ausbreiteten (Heute ist Indonesien der Staat mit den meisten MuslimInnen.). 732 konnte Karl Martell die auch nach Gallien vorgestoßenen muslimischen Araber besiegen und deren Vormarsch nach Westen stoppen, sonst lebten wir heute im „Morgenland“ statt im Abendland.

Der Aufruf zum 1. Kreuzzug war kein Aggressionskrieg gegen die Muslime, sondern sollte die von den Muslimen zuvor eroberten christlichen Stätten befreien, die die christlichen Pilger/-innen nicht mehr besuchen konnten. Die Zeit zw. 750 und 1258 n. Chr. war andererseits das goldene Zeitaltes des Islam (führend im Bereich von Mathematik, Naturwissenschaft, Medizin, Geografie und natürlich der Übersetzung vieler weltberühmter griechischer und römischer Autoren, deren verlorengegangenen Werke wir heute oft nur durch die Übersetzungen ins Arabische kennen.). Die damaligen führenden Muslime in Spanien, Persien etc. waren weltoffen und tolerant gegenüber andersgläubigen Wissenschaftlern. Der syrische Sultan Saladin eroberte zwar 1187 Jerusalem, zerstörte aber z.B. nicht die Grabeskirche und galt als vorbildlicher muslimischer Herrscher.

Danach begann so langsam der Niedergang der islamischen Welt. Maßgebliche Kalifen verkündeten, dass der vorliegende Koran göttlichen Ursprungs sowie unabänderlich sei und jede Diskussion darüber verboten sei (gilt für viele Muslime noch heute). In Spanien und anderswo wurden die Muslime dagegen wieder zurückgedrängt. 1485 verbot der osmanische Sultan den Buchdruck mit arabischen Schriftzeichen, während in Europa der Buchdruck eine Demokratisierung der Schaffung und Verbreitung von Informationen einsetzte. Er ermöglichte erstmals die massenhafte Verbreitung von Wissen, Nachrichten und Meinungen frei von Kontrolle durch Kirche und Obrigkeit, was langfristig große gesellschaftliche Umwälzungen beförderte – so war er eine der Triebkräfte für die Epoche der Renaissance sowie für das Zeitalter der Aufklärung, und spielte eine wichtige Rolle beim Aufstieg des Bürgertums als Voraussetzung für die Entwicklung der Demokratie. Im Zeitalter der Renaissance vom 14.-16. Jh. erlebte Europa zudem einen beispiellosen Aufschwung in Architektur, Malerei, Wirtschaft, Gesellschaft und Philosophie und bei der Entdeckung der Welt. Das osmanische Reich wurde infolge seiner inneren Schwäche und der Unfähigkeit ihrer Herrscher immer mehr zum kranken Mann am Bosporus und löste sich mit Ende des 1. Weltkrieges auf.

Erst mit 300 Jahren Verspätung (!!!) wurde dort der Buchdruck erlaubt. Noch heute liegen die muslimischen Staaten bei der Verbreitung von weltlichen Büchern, Zeitungen etc. sehr weit hinter den westlichen Staaten zurück. Das gilt auch für fast alle Wissenschaftsbereiche, da sich Kreativität, Forscherdrang, künstlerische Freiheit etc. in einer streng konservativen islamischen Diktatur nicht entfalten können.

Der Islam hat sich von diesem Niedergang in der arabischen Welt bis heute nicht erholt. Es gibt kaum demokratische muslimische Staaten. Da in den muslimisch-arabischen Staaten zudem eine breite Mittelschicht als Voraussetzung für wirtschaftliche/demokratische Entwicklung ebenso fehlen wie demokratische Strukturen bzw. Vorbilder aus der Vergangenheit, ist auch der Arabische Frühling (2010 ff.) wieder verpufft.

Die große Masse der MuslimInnen lebt unter der Herrschaft gewalttätiger Diktatoren, die alle Rufe nach demokratischen Veränderungen brutal niederknüppeln. Im Islam hat es bisher keine mit unserer Aufklärung vergleichbare Entwicklung (und damit der Kritik an der Unantastbarkeit des Koran und der Lehren des Islam) gegeben. Die meisten MuslimInnen beten Suren aus dem Islam nach, deren Sinn (und Sprache) sie oft viel zu wenig verstehen, geschweige denn kritisch hinterfragen könnten. Die Anhänger/-innen eines Reform-Islam sind weltweit eine kleine Minderheit.

In fast allen Ländern, in denen ChristInnen und MuslimInnen leben, sind besonders die ChristInnen gebildeter sowie wohlhabender und haben eine viel niedrigere Geburtenrate. Weltweit sind mehr als 360 Millionen ChristInnen wegen ihres Glaubens (in Wahrheit wegen ihres höheren Wohlstandes, ihrer Bildung und größeren geistigen Freiheit) intensiver Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex gilt dies sogar in einem sehr hohen bis extremen Maß; davon betroffen sind 312 Millionen der dort lebenden 737 Millionen ChristInnen.

Fazit: Alle Weltreligionen gerade in den reicheren Staaten leiden unter der besonders nach dem 2. Weltkrieg verstärkt einsetzenden Säkularisierung, in den ärmeren Weltreligionen lässt sich dagegen z.T. ein gegenläufiger Trend beobachten (Not lehrt Beten.), wobei sich in vielen Regionen auch dubiose Sekten ausbreiten. Insgesamt ist das Christentum mit 2,5 Mrd. ChristInnen) die sicher modernste und aufgeklärteste Weltreligion. Allerdings muss das katholische Christentum noch einige Hausaufgaben erledigen (Frauenpriestertum, Zölibat etc., s.u. Exkurs 3.2., 10. Tag), um auch im 3. Jahrtausend anzukommen.

Der Islam und die arabischen Staaten dagegen befinden sich in einer die Welt sehr belastenden, tragischen Sackgasse. Wer einen realistischen Weg aufzeigen kann, wie sie da herauskommen könnten, wird sicherlich sofort den Friedensnobelpreis bekommen. Auf der anderen Seite weiß auch niemand, ob wir die Klimakrise und die vielen anderen derzeitigen Krisen bzw. Kriege (nicht nur in der Ukraine) überhaupt noch in den Griff bekommen können. Da bleibt mir nur das Prinzip Hoffnung, dass sich die immer noch aktuellen Botschaften Jesu doch noch eines Tages zum Wohle der Welt durchsetzen mögen.

 
Christusmonogramm

9. Tag: Sonntag, 9.10.: Haifa – Rosh HaNikra – (Nes Ammim) – Akko – Tiberias

Morgens fuhren wir zunächst zum oberen Eingang des Bahá’í Garten, von wo man einen einzigartigen Blick auf den Garten, den Schrein und den Hafen hat. Danach fanden wir schließlich auch den Zugang zum mittleren Eingang und gelangten durch den wundervoll gestalteten und von AnhängerInnen dieser Religion freiwillig gepflegten Garten zum Inneren des wunderschön ausgestalteten Schreins, der mit vielen Kerzen hell erleuchtet ist und in dessen Mitte sich unterirdisch das Grab des Bab befindet.

Der Bahá’í Garten von oben und von unten

Im Inneren des Gartens und der Schrein des Bab

Wir verließen dieses beeindruckende Wahrzeichen Haifas und fuhren zu den Kreidefelsen von Rosh haNikra am Mittelmeer an der libanesischen Grenze, wo wir mit einer Seilbahn hinabfuhren, um nach einem kurzen Film die Grotten zu besichtigen, in denen man an vielen Stellen das Meer sieht, das gegen die weißen Klippen kracht und das Wasser wunderschön Türkis erscheinen lässt. Wir gingen noch kurz zum streng bewachten Grenzzaun, wo man den militärischen Stützpunkt der Israelis sehen kann. Die israelischen Soldaten wirkten diesmal sehr entspannt und ließen sich sogar fotografieren. Von hier aus schießt die libanesische Terrororganisation Hisbollah manchmal mit Raketen auf Israel, die aber fast alle vom Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen werden.

Rosh haNikra (Haupt der Felsenhöhle) ist ein Ort am Mittelmeer bei Naharija in Nordisrael, unmittelbar an der libanesischen Grenze. An dieser Stelle befand sich seit der frühen Bronzezeit ein Ort, der in der Bibel Misrephoth-Maim (Josua 11,8; 13,6) genannt wird. Bereits 332 v. Chr. wurde auf Befehl Alexanders des Großen ein erster Tunnel durch den Felsen gegraben, um seinen Truppen auf dem Rückweg von der Stadt Tyros einen Durchgang zu schaffen. Zur Zeit des britischen Mandats für Palästina wurde eine erste befestigte Straße gebaut, die durch den Felsen führte. Auch wurden Grenzposten und Zollamt installiert. Im 2. Weltkrieg trieben die Briten einen 250 m langen Tunnel für die Bahnstrecke Haifa–Beirut–Tripoli durch die Felsen, um Kriegsmaterial von Ägypten aus nach Norden zu senden. Während des Krieges um Israels Unabhängigkeit von 1948 wurden die Eisenbahnbrücken von der israelischen Palmach in den Grotten gesprengt, um einer libanesischen Invasion durch den Tunnel vorzubeugen. Aufgrund der Grenze trennt eine Mauer den Tunnel in einen etwa 200 m langen israelischen und etwa 50 m langen libanesischen Teil. Bei einem Angriff von Terroristen auf einen israelischen Bus in der Nähe von Rosh haNikra sind 2002 6 Israelis getötet und mindestens 7 weitere verletzt worden.

Seit 2021 leitet dort das deutsche Kriegsschiff „Magdeburg“ den internationalen UNIFIL-Einsatz, um Libanon bei der Überwachung des Seeverkehrs und der Unterbindung von Waffenschmuggel zu unterstützen.

Rosh haNikra: mit der Seilbahn hinunter zu den Kreidefelsen und Grotten an der libanesischen Grenze

Aus Zeitgründen verzichteten wir auf einen Kurzbesuch des christlichen Kubbuz Nes Ammim und fuhren direkt nach Akko. Nach einem Imbiss besichtigten wir zunächst im Anschluss an einen kurzen Film über die vielfältige Geschichte Akkos die beeindruckende und weitläufige unterirdische Kreuzfahrerstadt, obwohl nur etwa 10 % der Stadt ausgegraben und zugängig sind. Danach gingen wir zu den noch gut erhaltenen Resten der Stadtmauer, wo man noch die von Napoleon zurückgelassenen Kanonen sehen kann. Danach besichtigten wir die wunderschön ausgestaltete Ahmed-el-Jazzar-Moschee, ehe wir uns auf die dank Google-Maps langwierige Suche nach dem Templer-Tunnel machten, der die Kreuzfahrerstadt unterirdisch mit dem Hafen verbindet. Auch die Hinweisschilder an jeder Ecke zu diesem Tunnel waren sehr verwirrend. Schließlich gelangten wir durch diesen Tunnel zum Hafen, wo jede/r auf eigene Faust die Altstadt und den Souk erkunden konnte.

Akko ist eine alte Hafenstadt im Nordbezirk Israels an der Küste des östlichen Mittelmeers. Die Altstadt ist von einer starken Festungsanlage umgeben. Auf der Landseite ist die Altstadt von der Neustadt umschlossen. Während die Bevölkerung der Neustadt mehrheitlich jüdisch ist, wird die Altstadt fast nur von israelischen Arabern bewohnt und ist eine der orientalischsten Städte Israels. Der Hafen der Stadt, die mehrere Jahrhunderte lang eine wichtige Hafenstadt des östlichen Mittelmeers war, hat inzwischen stark an Bedeutung verloren. Von wirtschaftlicher Bedeutung ist heute die Industrie, vor allem die Eisenverarbeitung.

Ab dem 1. Jt. v. Chr. gehörte das bereits seit der Bronzezeit existierende Akko zum Einflussgebiet von Tyros. Nach großflächigen Zerstörungen und zahlreichen Wiederaufbauten erreichte Akko unter persischer Herrschaft erneut eine wirtschaftliche Blütezeit. 64 v. Chr. wurde die Stadt von den Römern eingenommen und gehörte zur römischen Provinz Syria. Im Rahmen der islamischen Expansion kam die Stadt 638 unter arabische Herrschaft, die bis 1104 anhielt. Im Mittelalter war Akko der einzige Hafen an der Levanteküste, in dem bei jedem Wetter Waren gelöscht werden konnten, weshalb er für die Kreuzfahrer, die Akko 1104 eroberten, von besonderer strategischer Bedeutung. Während der Kreuzzüge bestand hier der Sitz des lateinischen Bistums Akko, das 1135 gegründet wurde. Neben PilgerInnen auf dem Weg nach Jerusalem nutzten auch christliche Kaufleute den Hafen, um mit Waren aus dem rund 180 km entfernten Damaskus zu handeln.

1187 wurde neben Jerusalem auch Akko durch Sultan Saladin zurückerobert. Nach erbitterter und langer Belagerung fiel die Stadt schließlich wieder an die Kreuzritter, die Verstärkung durch den 3. Kreuzzug unter Richard Löwenherz erhalten hatten. Da Jerusalem in den Händen Saladins blieb, wurde Akko nun Hauptstadt des Königreichs Jerusalem. Auch der Johanniterorden und der Templerorden verlegten daraufhin ihren Sitz nach Akko. Während der Belagerung Akkos gründeten im Jahr 1190 Kaufleute aus Lübeck und Bremen den Deutschen Orden (Deutschritterorden) als Hospitalgemeinschaft. 1198 erfolgte die Umwandlung in einen Ritterorden, wobei Akko Amtssitz des Hochmeisters wurde.

Nach der endgültigen Eroberung Jerusalems durch die Muslime 1244 war Akko einer der letzten Stützpunkte der Kreuzfahrer, bis Sultan al-Aschraf Chalil die Stadt 1291 einnahm. Mit dem Verlust Akkos war der Widerstand der Kreuzfahrerstaaten gebrochen und die Kreuzzüge gescheitert. Sultan al-Ashraf Chalil ließ die Befestigungsanlagen schleifen, damit die Kreuzfahrer sich nie wieder an der Küste festsetzen können würden. 1517 wurde Akko unter Sultan Selim I. Teil des Osmanischen Reiches. 1799 wurde Akko 61 Tage lang vergeblich von Napoleon belagert. Von ihm zurückgelassene Kanonen stehen noch heute auf dem Festungswall.

Festungswalle

Ahmed-el-Jazzar-Moschee und Hafen von Akko

Danach fuhren wir nach Tiberias am See Genezareth, wo wir in unserer Unterkunft Aviv Holiday Flat eincheckten und uns über das tolle Abendbuffet freuten. Nach dem Abendessen machten wir noch einen Spaziergang an der Seepromenade, bevor wir uns alle auf dem riesigen Balkon, der zu mehreren unserer Zimmer gehörte, zusammensetzten und den Tag ausklingen ließen.

Tiberias

Die Stadt wurde von Herodes Antipas ab dem Jahr 17 erbaut und löste Sepphoris als Hauptstadt der Tetrarchie Galiläa – Peräa im Jahr 19 n. Chr. ab. Den Namen wählte Herodes Antipas zu Ehren des römischen Kaisers Tiberius. Die Stadt wurde im römisch-griechischen Stil mit Palästen und typisch römischen Bauten wie Forum, Theater und Rennbahn erbaut. Dabei wurde der jüdische Friedhof des Nachbarorts Hammat überbaut, weswegen die Stadt von gläubigen Juden zunächst als „unrein“ gemieden wurde. Nach urchristlichen Quellen wurde Johannes der Täufer vor dem Jahr 30 n. Chr, in Tiberias hingerichtet. Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 wurde die Stadt bald das geistige und religiöse Zentrum der Juden. Zu Beginn der islamischen Expansion wurde die Stadt im Jahr 637 von den muslimischen Arabern erobert. Sie war jedoch auch weiterhin von Juden bewohnt. 1099 eroberten die Kreuzritter die Stadt, die sie, nach der Befestigung durch eine Stadtmauer, als Stützpunkt nutzten. Tiberias bildete das Zentrum des Fürstentums Galiläa innerhalb des Königreichs Jerusalem. 1187 wurde die Stadt nach kurzer Belagerung von Sultan Saladin erobert, allein die Zitadelle von Tiberias leistete noch Widerstand. Das vereinte Heer der Kreuzritter wurde in der Schlacht beim nahegelegenen Hattin vernichtend geschlagen, so dass die Stadt erneut an die Muslime fiel. Nach mehreren Zerstörungen sind nur noch wenige Reste der antiken Stadt wie das Amphitheater erhalten. Bemerkenswert sind die heißen Quellen, in denen man in einigen Hotels in Tiberias baden kann.

10. Tag: Montag, 10.10.: Tiberias – Tabgha – Capernaum – Berg der Seligpreisungen Golan-Höhen – See Genezareth – Jerusalem

Nach dem Frühstück fuhren wir zunächst zum wunderschönen Pilgerhaus Tabgha des DVHL, das einen herrlichen Blick auf den See Genezareth bietet, und von dort zur nahe gelegenen Brotvermehrungskirche mit dem berühmten Mosaik der Brotvermehrung.

Brotvermehrungskirche in Tabgha

Die Brotvermehrungskirche ist eine römisch-katholische Kirche im westlichen Teil von Tabgha am Nordwestufer des See Genezareth und soll der Ort sein, wo die wundersame Brot- und Fischvermehrung bei der Speisung der Fünftausend stattfand (Mt 14,13–21). Die heutige Kirche gehört zum Benediktinerpriorat Tabgha und wurde 1982 im byzantinischen Stil errichtet. Zuvor befanden sich an derselben Stelle zwei Vorgängerbauten aus dem 4. und 5. Jh. Die gesamte Anlage der Brotvermehrungskirche war ursprünglich mit Mosaiken ausgelegt. Diese Mosaiken aus dem 2. byzantinischen Bau sind erhalten. Sehr bekannt ist das Mosaik am Altar, das einen Korb mit 4 Broten (das 5. Brot ist sinngemäß das bei der Eucharistie verwendete) und je einem Fisch links u. rechts davon zeigt. 2015 wurde das Atrium der Brotvermehrungskirche durch Brandstiftung schwer geschädigt (s.o., 1. Tag, Kloster Latrun) Direkt an die Kirche angeschlossen ist das zur Jerusalemer Dormitio-Abtei gehörende Benediktinerpriorat. Auf dem Gelände befindet sich auch die Behinderten- u. Jugendbegegnungsstätte Beit Noah.

Danach fuhren wir nach Kapernaum, auch „Stadt Jesu“ bezeichnet, da sich Jesus hier öfter aufhielt und im Haus der Schwiegermutter des Petrus übernachtete. Nach Besichtigung u.a. von Synagoge und Haus des Petrus inklusive der darüber errichteten modernen Kirche gingen wir zum Seeufer, um die wundervolle Aussicht auf den See Genezareth zu genießen.

Tabgha: Kirche mit Mosaik der Brotvermehrung und Capernaum: Kirche über Resten des „Petrus-Hauses“

Capernaum: Synagoge und Blick auf den See Genezareth

Capernaum

Cafarnaum ist eine archäologische Stätte im Nordbezirk von Israel. Sie befindet sich am nordwestlichen Ufer des Sees Genezareth. Cafarnaum war als Schauplatz von Erzählungen des Neuen Testaments in der Spätantike ein christliches Pilgerziel und wurde dies wieder im 20. Jh. Das Areal der archäologischen Stätte ist etwa 5 ha groß; der westliche Teil ist Eigentum der franziskanischen Kustodie des Heiligen Landes, der Ostteil gehört dem Griechisch-orthodoxen Patriarchat von Jerusalem. Zu sehen sind u.a. Reste antiker Wohnbebauung und eine repräsentative Synagoge aus dem Anfang des 5. Jh. Die darunterliegenden schwarzen Steinfundamente sind Überreste der Synagoge aus dem 1. Jh., in der Jesus gelehrt hat, und ein „Haus des Petrus“, letzteres überbaut durch eine moderne römisch-katholische Kirche. Die Archäologen vermuten, dass die Hauskirche sich an der Stelle eines urchristlichen Versammlungsraums aus dem späten 1. Jh. n. Chr. befindet und letztlich auf das Haus des Simon Petrus zurückgeht, das auch im Neuen Testament erwähnt wird. Das belegen Kalkinschriften, die Jesus mit Hoheitstiteln sowie Petrus nennen und Spuren kultischer Zusammenkünfte zeigen. Sie stammen frühestens aus dem 3. Jh. Für den angenommenen urchristlichen Versammlungsraum des 1. Jh. kann geltend gemacht werden, dass er häufiger verputzt wurde als andere, benachbarte Räume, also möglicherweise für damalige Bewohner Cafarnaums besonders wertvoll war. Ferner wurde eine Inschrift gefunden, bei der noch die Worte „Petr esti“ lesbar sind. Ich denke, wo Petrus draufsteht, war auch Petrus drin.

3. Exkurs: Was ist beim Alten und Neuen Testament historisch?

3.1. Das Alte Testament (AT) bzw. die 5 Bücher Mose (Tora)

Für traditionelle, fundamentalistische, evangelikale u. ä. ChristInnen ist die Bibel das Wort Gottes und damit jedes Wort wahr (wie allgemein bis zur Aufklärung und natürlich wie auch noch heute der Koran bei den traditionellen Muslimen).

Jedoch hat schon das 2. Vatikanische Konzil festgestellt, dass die Bibel „Menschenwort“ ist, allerdings göttlich inspiriert. Man unterscheidet bei AT bzw. Tora heute grundsätzlich 4 verschiedene Verfassergruppen: Die Jahwisten (J) sind die ältesten, dann folgen die Elohisten (E), (Ur-)Deuteronomium (D) und schließlich die Priesterschrift (P) aus der babylonischen Exilzeit um 550 v. Chr. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Tora (= Die 5 Bücher Mose des AT) erst einige Zeit nach Rückkehr der jüdischen Schriftgelehrten der Oberschicht aus dem Babylonischen Exil, das der Persische König Kyros 539 v. Chr. angeordnet hatte, und nach der Wiedererrichtung des Jerusalemer Tempels ab 517 v. Chr. von diesen aus Babylon zurückgekehrten Juden fertiggestellt worden sind. Die Zerstörung des 1. Tempels 586 v. Chr. sah diese Priesterschaft als Strafe Gottes an für die Verstöße der Juden gegen Gottes Gebote. In der Tora gibt es sehr viele Beispiele für Gottes Hilfe, aber auch Bestrafung gegenüber seinem auserwählten Volk. Absicht der Verfasser der Tora war es, die Juden zu einem gottesfürchtigen Leben anzuhalten – nicht, ein historisch exaktes Geschichtsbuch zu schreiben.

Es finden sich im AT natürlich auch viele historische Begebenheiten, allerdings oft zugunsten einer klaren Botschaft verändert. Dem führenden israelischen Archäologen Finkelstein zufolge hat der Auszug aus Ägypten – in der in der Bibel geschilderten Form – nie stattgefunden, weil es niemals eine gewaltsame Landnahme gegeben habe. Auch habe es kein vereinigtes Königreich unter einem König Saul, einem König David oder einem König Salomon gegeben. Vielmehr würden in den Geschichten dieser biblischen Könige Jahrhunderte auseinanderliegende Epochen altisraelitischer Geschichte zu einem zusammenhängenden Mythos aufbereitet – und ihm damit erst ein tieferer, religiöser Sinn gegeben. Die Grundlage für die biblische Schilderung eines solchen Großreiches sehen sie vielmehr erst im Reich von Jerobeam II. im 8. Jh. v. Chr., der das Nordreich Israel vorübergehend zu einer bedeutenden Regionalmacht gemacht haben soll.

Es gibt Indizien sowohl für die historische Existenz von Salomo selbst als der Königin von Saba, die jedoch ebenfalls auf das 8. Jh. v. Chr. verweisen. David ist wohl eine historische Figur (Im Norden Israels ist eine Stele aus dem 8. Jh. gefunden worden, wo immerhin ein „Haus Davids“ erwähnt wird.), aber war wohl kein König, sondern eher ein Bandenführer der Hapiru (= Hebräer). Mittlerweile wird auch die Existenz der 12 Stämme Israels angezweifelt.

Der israelische Historiker Shlomo Sand („Die Erfindung des jüdischen Volkes“, 2009 auf Deutsch erschienen) beendet sein bahnbrechendes Buch mit einem Plädoyer für einen Staat Israel, in dem sich die Staatsbürgerschaft nicht mehr auf die Religion bezieht und aus der Ethnokratie eine wirkliche Demokratie werde, damit Juden wie Nicht-Juden gleichberechtigt nebeneinander leben können. Die o.a. historischen Tatsachen sind deshalb gerade in Israel-Palästina so wichtig, weil u.a. mit den Mythen der glorreichen „Königreiche“ von David und Salomo gerade von orthodoxen Juden und radikalen Siedlergruppen (unberechtigte) Rechtsansprüche gegenüber PalästinenserInnen u.a. in Jerusalem begründet werden und zudem Israel sich als jüdischer und demokratischer Staat definiert, was bereits ein Widerspruch in sich ist.

Eine wirkliche Friedenslösung in Nahost kann es von Seiten Israels nur geben, wenn es sich von diesen Mythen und Widersprüchen befreit. Allerdings gilt das natürlich auch gleichermaßen für die Palästinenser/-innen, die sich ebenfalls von ihrer höchst einseitigen Sicht der Ereignisse seit 1948 verabschieden und das Existenzrecht Israels vorbehaltlos anerkennen müssten. Davon sind aber beide Seiten noch meilenweit entfernt.

3.2. Exkurs: das Neue Testament (NT) und der historische Jesus

Obwohl es auch einige außerbiblische Quellen über Jesus gibt, die dessen Existenz bezeugen, ist die Forschung bezüglich des Lebens und der Lehre Jesu praktisch ausschließlich auf die 4 Evangelien angewiesen, die jedoch von Augenzeugen stammen und erst ca. 40-65 nach Jesu Tod (30 n. Chr.) verfasst wurden, wobei es sicher vorherige Aufzeichnungen und natürlich mündliche Überlieferungen gab, auf denen diese Evangelien beruhen. Heute geht man davon aus, dass viele Angaben des NT im Wesentlichen auf historischen Tatsachen beruhen, z.B. die Orte seines Wirkens, seine zentralen Botschaften, sein charismatisches Auftreten, Angaben über seine Familie und seine Jünger, sein Verhalten gegenüber Frauen, Kinder, Ausgestoßene etc. Wenn all dies erfunden wäre, wäre es unerklärlich, weshalb Jesu Anhänger seine Botschaft unbedingt verbreiten wollten und bereit waren, für ihre Überzeugung zu sterben.

Jesus war ein Wunderheiler und Exorzist, d.h. er hat durch seine sensible Zuwendung und Berührung von scheinbar unheilbaren (auch psychisch) kranken Menschen deren Heilung bewirkt, wohl auch, indem diese Kranken neuen Lebensmut fassten und ihre Selbstheilungskräfte aktivierten. Als Exorzist trieb er aus meist wohl psychisch Kranken die „Dämonen“ aus, von der nach damaliger allgemein verbreiteter Überzeugung Menschen besessen sein konnten und für schwere Erkrankungen verantwortlich gemacht wurde. Jesus hat offensichtlich viele Menschen an Leib und Seele (Psyche) geheilt, was damals auf jeden Fall ein Wunder war.

Auch die Bergpredigt Jesu, sein Einsatz für Schwachen und Bedürftige, sein Gebot der Nächstenliebe, seine Botschaft, dass jeder Mensch gleich wertvoll ist u.a.m. zeigen, dass er eigentlich ein Mensch des 3. Jahrtausends ist. Wann und wo Jesus im Einzelnen was gepredigt hat, ist nicht entscheidend, da er viele Botschaften und Gleichnisse sicher oft wiederholt hat, da sie sonst wieder vergessen worden wären. Deshalb ist an den Orten, an denen sich Jesus aufgehalten hat, auch nicht entscheidend, wo er genau gewesen ist (Das gilt besonders für Jerusalem). Jesus war dort und hat seine noch heute grundlegenden Botschaften verkündet, die leider immer noch viel zu wenig beherzigt werden.

Ob Jesus Gottes Sohn ist, ist natürlich reine Glaubenssache. Da sich allerdings schon Caesar als Gottes Sohn bezeichnen ließ, denke ich, war das für viele in der damaligen Zeit nicht so ungewöhnlich wie heute.

Ob Maria Jesus als Jungfrau empfangen hat, wie Jesaia im AT prophezeit hatte, ist vielleicht eine Frage der Übersetzung des hebräischen Wortes „Alma“ (= Mädchen im heiratsfähigen Alter, egal ob Jungfrau oder verheiratet). Im NT bei Matthäus steht dann das griechische Wort „Parthenos“, was Jungfrau und junge Frau heißen kann. Erst im 3.-4. Jh. n. Chr., als sich das Dogma von der unbefleckten Empfängnis durchsetzte, erhielt Parthenos die Bedeutung »Jungfrau«, d.h. ohne sexuellen Verkehr.

Bei der heutigen Katholischen Kirche stehen diese Fragen aber nicht im Vordergrund, sondern besonders die Fragen des Frauenpriestertums, des Zölibats, der Umgang mit Homosexualität (s.o., 8. Tag) und natürlich auch ein unbefangenerer, natürlicherer Umgang mit Sexualität im Rahmen unserer Rechtsordnung.

1. Zölibat

Erst seit 1073 ist das Zölibat in der lateinischen Teilkirche der römisch-katholischen Kirche für die Priester grundsätzlich verpflichtend. Damit wollte man verhindern, dass bei verheirateten Klerikern Kirchenbesitz an deren Kinder vererbt worden wäre und auch Fälle sexueller Ausschweifungen von Priestern unterbinden. Das Zölibat ist also kein Dogma und könnte problemlos aufgehoben werde.

2. Frauenpriestertum

Paulus bezeichnet im Römerbrief Iounia als eine angesehene Apostelin. 2016 würdigte Papst Franziskus Maria Magdalena als „Apostelin der Apostel“ – eine häufige Bezeichnung in der Spätantike. Wenn es also zurzeit Jesu bzw. der Urchristen schon Apostelinnen gab, warum sollten Frauen heute keine Priesterinnen werden dürfen? Von konservativen KatholikInnen bzw. Würdenträgern werden folgende Hauptargumente dafür angeführt:

(1) Jesus war ein Mann. Natürlich musste ein Prophet und religiöser Führer in der damaligen Zeit ein Mann sein. Alle alten Religionen sind von Männern gegründet worden. Eine Frau wäre überhaupt nicht akzeptiert und ein Umherziehen mit männlichen Anhängern als Hurerei bezeichnet worden.

(2) Jesus hat 12 männliche Apostel zur Nachfolge berufen. Hier gilt dasselbe wie bei (1). Außerdem sollten die 12 Apostel die 12 Stämme Israels repräsentieren, was heute sicher nicht zu den Kernaufgaben von Priestern gehört.

(3) Beim letzten Abendmahl waren nur Männer anwesend.

Richtig ist, dass Frauen hierbei nicht erwähnt werden. Da es jedoch um ein Mahl ging, was wohl von Frauen zubereitet wurde, und Frauen bei anderen Mahlzeiten sicher selbstverständlich anwesend waren, kann man davon ausgehen, dass auch Frauen, denen gegenüber Jesus immer sehr respektvoll und zugewandt begegnete, beim letzten Abendmahl zumindest im gleichen Raum anwesend waren.

Die anderen Argumente sind eigentlich nur frauenfeindlich, weshalb ich sie hier nicht erwähne. Im Übrigen hätte bei früherer Zulassung von verheirateten Priesterinnen der Missbrauchsskandal nicht dieses Ausmaß erreicht.

Fazit:

Auch die katholische Kirche sollte sich an Jesus ein Beispiel nehmen, im 3. Jahrtausend ankommen und ihre Handlungsweise z.B. am GG (u.a. Art. 3) orientieren. Dann könnte sie diese für sie sonst existenzbedrohenden Krise wesentlich besser bewältigen. Die christlichen Werte, der vorbildliche Einsatz von Missionaren, Nonnen und Mönchen weltweit sowie Einrichtungen wie z.B. die Caritas sind heute notwendiger denn je angesichts des Erstarkens unchristlicher, rechtspopulistisch-faschistischer Parteien im immer weniger christlichen Abendland.

Danach fuhren wir zum Berg der Seligpreisungen, wo wir zum ersten und einzigen Mal von einer Unzahl großer Pilger-Reisbusse überrascht wurden. Nach Besichtigung der wundervoll ausgestalteten Kirche u.a. mit den Seligpreisungen auf Latein gingen wir durch die atemberaubend schöne Gartenanlage mit prachtvollem Seeblick.

Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen und Blick auf den See Genezareth

Berg der Seligpreisungen 

Der Berg der Seligpreisungen ist eine Erhebung am Nordrand des Sees Genezareth. Nach christlicher Überlieferung handelt es sich dabei um den Ort, an dem Jesus von Nazareth die Bergpredigt gehalten hat, die mit den Seligpreisungen („Selig sind, …“) beginnt (Mt 5,3–12). Außerdem soll er hier die Apostel unter seinen Jüngern ausgewählt haben (Lk 6,12–16). Heute befinden sich auf der Erhebung ein Kloster und die Kirche der Seligpreisungen. Letztere besitzt einen achteckigen Grundriss. Die 1937 gebaute Kirche wird aber auch wegen der traumhaften Gartenanlage und Aussicht über den See Genezareth besucht.

Danach fuhren wir zu den Golanhöhen und zuerst zu den Wasserfällen des Banias (= Caesarea Philippi), einer der 5 Zuflüsse des Jordans, wo unsere TN sich vor dem größten Wasserfall fotografieren ließen.

Anschließend fuhren wir entlang des verminten Geländes zum 2 km entfernten Pan-Heiligtum. An diesem Ort bekannte Petrus Jesus als den jüdischen Messias (Mt 16,16). Jesus sagte daraufhin zu Petrus: „Du bist Petrus“ (= der Fels), wie dieser Fels hier (und er wies auf den Felsen am Eingang des Pan-Heiligtums). „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen (= Ekklesia, womit er s/eine geistliche Gemeinschaft, aber keineswegs die heutige christliche Kirche gemeint hat) und die Pforten der Hölle (womit er auf den Höhleneingang des Pan- Heiligtums zeigte) werden sie nicht erschüttern.“ Ein wundervolles Beispiel dafür, wie ein Wort Jesu direkt an einem konkreten Ort bildlich festgemacht werden kann. Der griechische Gott Pan wurde von Juden – wie alle anderen Götter/Götzen auch – zutiefst verabscheut. Schließlich wurde Pan ja auch das Vorbild des mittelalterlichen Teufels. Wir fuhren weiter, vorbei an im 6-Tage-Krieg 1967 zerstörten und verlassenen Häusern und Minenfeldern, zu den Drusendörfern, wo wir an dem Parkplatz von Birkat Ram im Drusen-Restaurant Mas’ade an einem Baggersee zu Mittag aßen.

Golanhöhen 

Die Golanhöhen sind ein dünn besiedelter, hügeliger Landstrich im Nahen Osten. International anerkannt als Teil Syriens, wurden sie im 6-Tagekrieg 1967, von Israel besetzt und vermint sowie 1981 annektiert. Im Jahr 1967 zerstörte Israel 194 syrische Dörfer und Bauernhöfe mit 82.709 Einwohnern. Vor der israelischen Besetzung lebten fast 130.000 Syrer auf den Golanhöhen; zwei Monate später waren es nur mehr 6.396. Israel verwaltete die Gebiete als Teil seines Nordbezirks; die Annexion wurde aber von den meisten Staaten nicht anerkannt. Syrien beansprucht das Gebiet nach wie vor komplett und zählt es zu seinem Gouvernement al-Quneitra; eine schmale Pufferzone wird seit 1974 von UNO-Friedenstruppen überwacht (UNDOF). Der Status der Golanhöhen war ein Hindernis für die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Staaten. Während des Syrischen Bürgerkriegs wurde die Region wieder zum Brennpunkt mit Raketenangriffen aus Syrien und Israel. 2019 wurden die Golanhöhen von den USA formell als Teil Israels anerkannt. Mittlerweile werden die Golanhöhen jetzt wieder systematisch besiedelt und landwirtschaftlich genutzt.

Golanhöhen: Banias Wasserfall und Banias (Caesarea Philippi): Pantempel

Pantempel: Höhleneingang und Kuneitra: UNO-Blauhelmsoldaten an syrischer Grenze

Hochgerüstete israelische Militäranlage an syr. Grenze und Golanhöhen: Minenfelder

Seit dem 6-Tage-Krieg zerstörte Häuser und bei Ein Gev: Baden im See Genezareth

Nach Besichtigung des Aussichtspunktes von Kuneitra (direkt an der Syrischen Grenze), den UNO-Blauhelm- Soldaten in der Pufferzone zwischen Israel und Syrien, den gegenüberliegenden israelischen, militärisch hochgerüsteten „Radaranlagen“ und dem syrischen Panzerwrack aus dem 6-Tagekrieg fuhren wir zu einer wilden Badestelle am See Genezareth, ca. 3 km südlich des Kibbuz Ein Gev (Kibbuz = ländliche Kollektivsiedlung in Israel mit gemeinsamem Eigentum und basisdemokratischen Strukturen). Dort befindet sich die einzige frei zugängliche, aber etwas schmuddelige Stelle mit Sandstrand, wo wir etwa 2 Stunden badeten. Danach fuhren wir ca. 2.5 Stunden nonstop zurück zum Birgittinnen-Kloster und aßen dort zu Abend, da wegen der letzten Tages von Sukkot wieder mal alle Restaurants in West-Jerusalem abends geschlossen waren.

Südlicher Teil der JIK-Karte von Israel-Palästina-Jordanien (nördlicher Teil s.o. am 1. Tag)

11. Tag: Dienstag, 11.10.: Judäische Wüste – Jericho – Jordantaufstelle – Aqaba

Frühmorgens fuhren wir Richtung Jericho in die Judäische Wüste zu den Jahalin-Beduinen (siehe ganz oben 1. Karte), wo uns an der Straße nach Jericho der Beduinen-Sprecher Eid abu Khamis Jahalin ganz herzlich empfing. Vier von uns luden die umfangreichen Schreibmaterialien in seinen Toyota Pick-up und fuhren mit ihm zu den sehr einfachen Unterkünften der Beduinen im Dorf Khan al-Ahmar und zur Autoreifenschule. Der Rest der Gruppe konnte den kurzen, aber steilen Weg problemlos bewältigen. Eid informierte uns auf Englisch über den jahrzehntelangen heroischen (bisher dank großer Unterstützung aus dem In- und Ausland erfolgreichen) Kampf gegen die von Israel geplante Zwangsumsiedlung. Er selbst war schon in New York und im Deutschen Bundestag. Viele Prominente (u.a. der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz) waren schon dort.

Wie beim ToN (s.o, 4. Tag) hat das israelische Militär ebenfalls den direkten Zugang mit dem Auto durch einen Roadblock versperrt. Mangels Geld für eine Schule haben die Beduinen aus alten Autoreifen selbst eine Schule gebaut und die Wände anschließend verputzt. Direkt außerhalb des Zaunes ihrer Schule gibt es einen Wasser- und Stromanschluss, da dort wieder israelische Siedlungen geplant sind (sowie auch noch einen Vergnügungspark und einen weiteren Flughafen). Sie dürfen die Anschlüsse aber nicht benutzen und müssen deshalb das Wasser von einer weit entfernt liegenden Wasserstelle holen.

Bei den Jahalin-Beduinen in der Jüdischen Wüste und Autoreifenschule

Wasseranschluss außerhalb der Schule und Foto mit Beduinensprecher Eid abu Khamis Jahalin (Mitte)

Nach Besichtigung der Autoreifenschule übergaben wir unsere gesamten Schulmaterialien. Von mir erhielt er noch zusätzlich als Zeichen der Solidarität eine JIK-Spende von 1 T €, worüber sich Eid natürlich riesig freute.

Danach fuhren wir nach Jericho, der tiefst gelegenen und (einer der) ältesten Städte der Welt. Zwar kann man in der Ausgrabungsstätte Tell es-Sultan noch Reste der Mauer von Jericho mit der ältesten bekannten Treppe (ca. 8050 v. Chr.), sonst aber nur Ruinenreste, so dass eine Besichtigung nur für Fachleute interessant ist.

Deshalb fuhren wir sofort zum Hisham-Palast, wo wir nach einem recht informativen, aber leider veralteten Film die wundervollen, 2021 freigelegten und überdachten Mosaiken des Palasts bewundern konnten.

Hisham-Palast

Der Palast des Hisham ist eine nur noch in Ruinen erhaltene umayyadische Palastanlage fünf Kilometer nördlich von Jericho. Fertiggestellt wurde er vermutlich unter der Regentschaft des Kalifen Hisham oder seines Nachfolgers al-Walid II. um 743 n. Chr. Neben dem Palastgebäude befanden sich auf dem Gelände auch eine separate Empfangshalle, ein großzügig angelegtes Bad sowie eine Moschee. Nur wenige Jahre nach seiner Errichtung ist das Bauwerk durch ein Erdbeben zerstört und verlassen worden.

Der Palast des Hisham war als Winterresidenz angelegt und bestand aus mehreren einzelnen Gebäuden. Das größte Bauwerk war die im Westen gelegene, ursprünglich zweistöckige Wohnanlage, daneben gab es eine Moschee und ein Badehaus mit angeschlossenem Musikzimmer. Im Osten des Komplexes befand sich der 40 × 135 Meter große Vorhof mit einem zentral gelegenen, von einem Pavillon überdachten Brunnen. Der Palast besaß eine reich stuckverzierte und ursprünglich farbige Fassade, die nur noch teilweise erhalten ist. Außerdem verfügte er über ein eigenes Wasserreservoir, das über ein noch heute teilweise erhaltenes, acht Kilometer langes Aquädukt und weitere ausgeklügelte Bewässerungsanlagen mit Frischwasserquellen verbunden war.

Das im Norden der Anlage gelegene, überdurchschnittlich große Badehaus leitet sich architektonisch von römischen Vorbildern ab. Es wurde durch ein Hypokaustum beheizt und verfügte über Latrinen. Der Boden der Empfangshalle ist mit einem sehr gut erhaltenen Mosaik bedeckt. Eines der Einzelmotive zeigt einen früchtetragenden Baum – wohl den Baum des Lebens – mit drei Gazellen und einem angreifenden Löwen. Das aus 6 Mio. Teilen bestehende Mosaikensemble ist in Restaurationsarbeiten bis 2021 vollständig freigelegt und touristisch erschlossen worden: Eine Stahlkonstruktion führt Besucher in mehreren Metern Höhe über die Anlage hinweg, so dass die überwiegend geometrischen Darstellungen von oben betrachtet werden können. Die massiven Säulen der Anlage sind mit Akanthuskapitellen verziert, das nicht mehr erhaltene Dach war mit Gewölben gedeckt und von einer Kuppel bekrönt. Menschen- und Tierfiguren in großer Fülle rundeten die Dekoration ab. Insgesamt werden die Mosaike, Stuckgestaltungen und Skulpturen des Palastes, die deutliche sassanidische und byzantinische Einflüsse zeigen, zu den hochwertigsten Arbeiten der Zeit überhaupt gezählt.

Jericho: Hisham Palast: Rosettenstein und Blick auf Palastanlage mit überdachtem großen Mosaikfußboden

Mosaik mit Baum des Lebens (Paradies): Löwe jagt eine Gazelle und Mosaikfußboden im großen Palast

Danach besichtigten wir die 2011 erbaute, wundervoll bemalte rumänisch-orthodoxe Kirche mit großem Gästehaus für die vielen rumänischen Arbeitskräfte (Insgesamt 12,8 % der Arbeitnehmer/-innen Israels sind Gastarbeiter, vor allem aus China, Rumänien, Bulgarien, der Türkei, den Philippinen und Thailand. Diese billigen Arbeitskräfte, die oftmals unterbezahlt sind und für die weder Steuern noch Sozialabgaben entrichtet werden, sind eine zusätzliche Belastung für den Arbeitsmarkt.).

Jericho: Rumänisch-orthodoxe Kirche

Wir fuhren dann mit der Seilbahn hinauf zum griechisch-orthodoxen Felsenkloster, wo wir am Eingang die Probleme mit unserer Kleidung wegen nicht genügend bedeckter Knie, Arme und des Brustbereichs bei Frauen wieder dank bereitgestellter Röcke, zusätzlicher Schals etc. lösen konnten (wie beim Tempelberg, s.o. 2. Tag).

Jericho: Blick auf das Felsenkloster am Berg der Versuchung und Blick auf die Oase in Jericho

Nach Besichtigung des Klosters und Blick auf gegenüberliegenden Höhlen und die gesamte Gegend von Jericho fuhren wir wieder zurück zur Talstation und gelangten zur Quelle Ain es-Sultan mit dem Aussichtspunkt im Schatten eines Feigenbaumes bei einem Teich und einem Brunnen, die von der Quelle gespeist werden.

Jericho: Schattiger Platz unter einem Feigenbaum an der Ain es-Sultan Quelle

Berg der Versuchung

Der Berg der Versuchung ist ein Berg wenige Kilometer außerhalb der Stadt Jericho im Westjordanland. Nach christlicher Überlieferung soll Jesus von Nazareth an diesem Ort den Versuchungen des Teufels widerstanden haben, während er dort 40 Tage lang fastete. An seinem Hang befindet sich heute das griechisch-orthodoxe Kloster Qarantal (Deir al-Quruntul), dort hinauf führt die Jericho-Seilbahn. Um 340 n. Chr. verließ Chariton der Bekenner, Gründer des ersten Klosters in der Wüste Juda, dieses aufgrund von Überfüllung und gründete auf der Spitze des Berges eine Kapelle wie auch eine weitere in einer Höhle weiter unten am östlichen Hang, in der Jesus sich aufgehalten haben soll. Duka und die Höhlen in seiner Umgebung waren bis in das 8. Jh. bewohnt, bevor sie verlassen und erst in der Kreuzfahrerzeit wieder besiedelt wurden. Im Jahr 1874 kaufte die Griechisch- orthodoxe Kirche das Gelände und richtete hier 1897 das Sarandarion-Kloster ein.

Das Mittagessen nahmen wir aus Zeitgründen bei Kentucky Fried Chicken + Pizza-Hut ein und fuhren dann zur Jordantaufstelle südlich von Jericho, wo einige von uns – nur mit einem weißen Gewand bekleidet – ein Taufbad im Jordan nahmen.

Jordantaufstelle südlich von Jericho und das Taufbad

Edgar brachte uns danach direkt nonstop zum Grenzübergang Araba-Border, 2 km nördlich von Eilat, den wir noch rechtzeitig gegen 18:00 erreichten, obwohl Edgar wohl aus Übermüdung zunächst weiter nach Eilat Richtung ägyptischer Grenzübergang Taba gefahren war, was ich jedoch sofort bemerkte, sodass wir nur ein paar Minuten Zeit verloren.

Nachdem wir die israelische Grenzkontrolle reibungslos passiert hatten, mussten wir unser Gepäck ca. 300 Meter durch Niemandsland transportieren, ehe wir zur jordanischen Grenze kamen, wo wir ganz problemlos unsere Visa bekamen. Hinter der Grenze stiegen wir dann in einen großen Reisebus und wurden von unserem deutschsprachigen „Reiseleiter“ sehr herzlich begrüßt, der diese Bezeichnung aber mangels Erfahrung bzw. Ausbildung (?) leider nicht verdiente. Er hatte das mit der Reiseagentur schriftlich vereinbarte Programm nicht und musste sich erst anhand meines Programms für diese 4 Tage entsprechend informieren.

Das Problem war, dass in der Corona-Zeit mehrere Reiseagenturen insolvent wurden und z.T. unter neuem Namen weitermachten. Zudem war unser bisheriger hervorragender deutschsprachiger Reiseleiter Mahmoud Younis, der wieder eine neue Reiseagentur gegründet hatte, 2020 an Krebs gestorben.

Erst nach einigen Irrfahrten fanden Busfahrer und Reiseleiter unser großes 4-Sterne-Hotel in Aqaba, wo wir dann zu Abend aßen und anschließend noch durch die Stadt bummelten.

12. Tag: Mittwoch, 12.10.: Aqaba – Wadi Rum

Nach dem Frühstück besuchten wir das SOS-Kinderdorfs in Aqaba und besichtigten auch ein Haus, in dem mehrere Jugendliche mit einer Kinderdorfmutter lebten. Auch hier überbrachte ich eine JIK-Spende von 1 T € für diese vorbildliche Einrichtung. Danach besuchten wir die griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde (ca. 200 Mitglieder) in Aqaba mit Kirche, Kindergarten und Internat/Schule (hoher muslimischer Schüler-Anteil wie in Palästina und ich übergab ebenfalls eine JIK-Spende über 1 T € besonders für diejenigen Kinder, die sich den Schulbesuch nicht leisten können). Danach schwammen wir im Roten Meer im 5-Sterne-Berenice-Beach-Club in Aqaba, unweit der Grenze zu Saudi-Arabien. Am späten Nachmittag fuhren wir dann nach Wadi Rum zu unserem Mazayen Luxury Rum Camp, das inzwischen sehr touristisch und viel größer als 2019 ist. Es gab keinen mit Fackeln beleuchteten Eingangsbereich und die Beduinen trugen bereits normale anstelle ihrer traditionellen Kleidung. Abends gab es dann wieder das traditionelle Beduinen-Gericht Zarb (s.o., 5. Tag).

Aqaba: SOS-Kinderdorf und Kindergarten der griech.-orthodoxen Kirche in Aqaba

Geistlicher Leiter der Kirche mit Reiseleiter Amin und mir und Baden in Aqaba im Roten Meer

Nach dem Abendessen versammelten wir uns vor unseren Bungalows, da wir uns dort ungestörter unterhalten konnten. Der Bereich, an dem sich die TouristInnen nach dem Abendessen versammeln konnten, war infolge der schlechten, dafür aber überlauten Musik für uns ungeeignet. Einige unternahmen noch eine Nachtwanderung in die Wüste.

13. Tag: Donnerstag, 13.10.: Wadi Rum

Da der geplante Ballonflug erst am Samstag früh stattfinden sollte, konnten wir später frühstücken und danach zu einem 2-stündigen Kamelritt ausreiten. Was allen TN auch sehr gefallen. Nicht nur ich war jedoch froh, dass wir nach 2 Stunden wieder absteigen konnten, da das Sitzen auf einem Kamel auf Dauer doch recht unbequem ist. Nachmittags unternahmen wir dann mit 3 Toyota Pick-ups eine 4-stündige Jeeptour durchs Wadi Rum bis zum Sonnenuntergang. Es war für uns ebenfalls ein sehr schönes Erlebnis, wenn auch viel weniger abenteuerlich und spektakulärer als 2016-19, da die Beduinen nicht so rasant wie früher fuhren und einzelne TN nur noch eine kurze Strecke gegen Bezahlung fahren lassen wollten. Auch die Streckenführung war früher interessanter. Nach dem „Zarb“-Abend-Buffet versammelten wir uns wieder vor unseren Bungalows, wobei einige wiederum eine Nachtwanderung unternahmen und von einer Anhöhe aus den klaren Sternenhimmel bewundern konnten.

Wadi Rum: Kamelritt und Jeeptour

zu Gast bei Beduinen und – Auf einer hohen Brücke (siehe Startbild unserer Webseite)

Felsformationen im Wadi Rum

14. Tag: Freitag, 14.10.: Wadi Rum – Petra – Wadi Rum

Nach dem Frühstück fuhren wir nach Petra, wobei mir der jordanische Reiseleiter Amin über die Dauer seiner Führung mehrmals unterschiedliche bzw. verwirrende Angaben machte. Nachdem wir unterwegs eine gefüllte Pita und ein Getränk als Proviant mitgenommen hatten, begann die leider sehr unprofessionelle Führung in der ehemaligen Nabatäerstadt durch Amin. Einige verließen deshalb hinter dem Schatzhaus die wenig informative Führung vorzeitig, um Petra auf eigene Faust zu erkunden. Trotzdem ist Petra natürlich immer wieder ein unvergleichliches Erlebnis. Auf der Rückfahrt hielten wir am Petra Panorama-Aussichtspunkt, von wo wir nochmals einen atemberaubenden Blick von oben auf die Petra-Schlucht und Umgebung werfen konnten. Nach dem Abendessen versammelten wir uns zum letzten Mal vor unseren Bungalows bei anregenden Gesprächen und Reflexionen des wundervollen Jordanienaufenthalts.

Petra

Die Blütezeit der Stadt begann etwa im 2. Jahrhundert v. Chr. als Petra Hauptstadt des Nabatäer – Reiches war, das bis Damaskus und kurz vor Jerusalem reichte und die beeindruckenden in den Felsen gehauenen Fassaden entstanden. 106 n. Chr. besiegte Kaiser Trajan die Nabatäer und besetzte Petra. Zu dieser Zeit hatte die Felsenstadt Petra etwa 30.000 Einwohner, aber durch Änderungen der Handelswege, die von den Römer beschlossen wurden begann der Niedergang der Stadt.

Nach zwei Erdbeben und der Eroberung der Region durch die Araber wurde die Stadt verlassen und es entstand der Mythos von der verschollenen Felsenstadt. 1812 wurde Petra vom Schweizer Johann Burckhardt wiederentdeckt. Der legendäre Ruf von Petra ist auf die kunstvollen bis zu 40 Meter hohen Fassaden und Häuser, die direkt in den Fels gehauen wurden, begründet. Am meisten abgebildet wird das Schatzhaus von Petra, das in einer Indiana Jones Verfilmung der Standort des heiligen Grals war. Weitere große Bauwerke sind die Felsengräber mit dem Ed-Deir und das große römische Amphitheater. Heute ist Petra eine der bedeutendsten und meistbesuchten Sehenswürdigkeiten im Nahen Osten und zählt zu den 7 neuen Weltwundern.

Petra: Schatzhaus und Höhlengräber

15. Tag: Samstag, 15.10.: Wadi Rum – Masada – Totes Meer – Bethlehem – Jerusalem

Frühmorgens um 6 Uhr wurden unsere TN mit 2 Jeeps vom Camp abgeholt und zu der Stelle gebracht, von wo aus die Ballonfahrt startete. Da der Ballonkorb ein Fassungsvermögen von 14 Personen (maximal 1.000 kg) hatte, mussten Roland und ich als „Schwergewichte“ auf diese Ballonfahrt verzichten. Für die 14 TN war es ein unvergleichliches Erlebnis. Durch die Verschiebung der Ballonfahrt auf den Tag der Abreise verzögerte sich die Ankunft am Grenzübergang. Nach einigen zusätzlichen Problemen bei der Wiedereinreise nach Israel trafen wir unseren Fahrer Edgar erst 2 Stunden später als geplant, sodass wir 3 Stunden nonstop nach Masada fuhren. Nach einem informativen, aber ideologisch sehr überladenen Film fuhren wir mit der Seilbahn zum Palast und sahen wir uns ca. 1 Stunde das sehr weitläufige Areal an (inkl. Nordpalast, Synagoge und großer Zisterne).

Wadi Rum: Ballonflug, Gruppenbild mit Reiseleiter Amin (2. Bild ganz links)

Masada – Geschichte und Gegenwart

410 Meter über dem Toten Meer ließ Herodes der Große von 36-30 v. Chr. ein Bergmassiv von über 18 ha einebnen und einen gigantischen Winterpalast errichten mit mehreren Palästen, Thermenanlagen, Palastvillen (alles mit Marmor ausgelegt und prachtvoll bemalt), Lagerhäusern, Zisternen etc., wovon heute nur noch wenig zu sehen ist. Nach seinem Tod 4 v. Chr. errichteten die Römer hier eine kleine Garnison. Nachdem jüdische Zeloten 66 n. Chr. den Jerusalemer Königspalast gestürmt und die römische Besatzung niedergemetzelt hatten, eroberte Titus in einer Strafaktion 4 Jahre später Jerusalem und ließ den Tempel zerstören. Masada war jetzt die letzte Zuflucht der Zeloten im aussichtslosen Kampf gegen die Römer und um ihre Freiheit. Am 2.5.73 n. Chr. fiel nach 4-jähriger Belagerung die als uneinnehmbar geltende Festung. Die Römer hatten Tausende von Kriegsgefangenen gezwungen, eine Rampe zu bauen, über die sie mit ihren Kriegsmaschinen die Mauern der Festung zum Einsturz brachten. Laut dem römisch-jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus hätten ca. 1.000 Männer, Frauen und Kinder über 15.000 römischen Soldaten widerstanden, bis sie den Massenselbstmord der Kapitulation vorzogen. Archäologische Funde stellen diese Darstellung jedoch in Frage. Vermutlich haben er und spätere Geschichtsschreiber den „Mythos Masada“ vom tapferen Widerstand der Juden bewusst vergrößert. „Masada (= Israel) darf nie wieder fallen“ hieß es noch vor einigen Jahren bei der dortigen Vereidigung israelischer RekrutInnen. Die Festung steht politisch für den unbedingten Freiheitswillen Israels, womit die Verbindung zur Shoa hergestellt wird.

Gesamtansicht von Masada und Synagoge

Blick von Masada aufs Tote Meer und Kalia Beach am Toten Meer bei Qumran

Da wir viel Zeit verloren hatten, besuchten wir nicht den sehenswerten Botanischen Garten von Ein Gedi und fuhren direkt nach Qumran, wo wir lediglich ein Mittagessen einnahmen, das zum kostenlosen Besuch des Kalia Beach am Toten Meer berechtigte (sonst 70 NIS pro Person). Aus Zeitgründen und weil die Ausgrabungsstätte in Qumran außer dem Blick auf die Höhlen, in denen die Schriftrollen vom Toten Meer gefunden wurden, wenig Spektakuläres bietet, verzichteten wir auch auf eine Besichtigung und fuhren direkt zum Kalia Beach, wo wir zumindest noch 1,5 Stunden Zeit hatten, um das einmalige Erlebnis des Badens im Toten Meer zu genießen.

Qumran und die Schriftrollen vom Toten Meer

Die Schriftrollen vom Toten Meer sind eine Gruppe von antiken jüdischen Texten, die elf Höhlen nahe der archäologischen Stätte Khirbet Qumran im Westjordanland zugeordnet werden. Von 1947 bis 1956 wurden die Höhlen entdeckt, meist von Beduinen. Die Handschriften wurden teils aus dem Antikenhandel erworben, teils bei der archäologischen Untersuchung der Höhlen gefunden. Etwa 15 Buchrollen sind noch als solche erkennbar. Der Rest, geschätzt 900 bis 1000 Rollen, ist in mehr als 15.000 Fragmente zerfallen. Die Handschriften werden aufgrund der Buchstabenformen (paläografisch) in die Zeit vom 3. Jh. v. Chr. bis ins 1. Jh. n. Chr. datiert. Mit der Radiokarbonmethode wurde diese Datierung in einigen Fällen überprüft und bestätigt. Die meisten Texte sind in hebräischer Sprache verfasst; fast alle sind literarisch und haben einen religiösen Inhalt. Alltagstexte wie z. B. Briefe gibt es kaum. Der literarische Charakter unterscheidet die Qumranhandschriften von anderen antiken Textfunden in der Region (mit Ausnahme von Masada) und lässt sie, trotz der Vielfalt des Inhalts, für viele Fachleute als zusammengehörig erscheinen.

Im Qumranschrifttum hebt sich eine Gruppe von Texten heraus, die in einer jüdischen Gemeinschaft mit besonderer Prägung verfasst worden waren. Diese Gemeinschaft nannte sich selbst Jachad und wird in der Forschung oft mit den Essenern identifiziert. Mitglieder des Jachad befolgten die Gebote der Tora mit großer Radikalität und darüber hinaus eigene Gebote, von denen man außerhalb des Jachad nichts wusste. Der Jachad lehnte den Jerusalemer Tempel ab und glaubte, dass die Liturgie in der eigenen Gruppe den Jerusalemer Opferkult ersetzen könne. Viele Verfasser waren überzeugt, in der Endzeit zu leben. Das war kompatibel mit einem Interesse an Weisheitsliteratur, die im Spektrum der Qumranschriften gut vertreten ist. Personen des Urchristentums werden in den durchschnittlich 100 Jahre älteren Qumrantexten nicht genannt.

Zum aktuellen Forschungsstand: Prof. Reinhard Kratz „ Qumran – Die Schriftrollen vom Toten Meer und die Entstehung des biblischen Judentums“, München 2022)

Wir fuhren danach ins Restaurant „The Tent“ in Beit Sahour zum Farewell-Abend mit 3 LehrerInnen, den pälastinensischen Jugendlichen und einigen Eltern sowie den Familien unseres Fahrers Husam, von Tony Nassar (Schulleiter der Dar Al-Kalima-Schule in Bethlehem) und dessen Bruder Daoud Nassar.

Nach dem Geldumtausch der überflüssigen NIS und JOD aller TN in € durch mich mit Hilfe von Patrick trafen unsere Gäste ein und wir feierten bei typisch palästinensischem Essen ca. 2 Stunden unseren Abschied.

Alle waren hellauf begeistert von diesem intensiven Austausch und den vielen Begegnungen mit palästinensischen Jugendlichen, von denen einige bereits am Austausch im Juni bei uns teilgenommen hatten. Leider war das Restaurant sehr groß und recht unpersönlich, da wir keinen abgetrennten Bereich für uns hatten. Auch war das Essen nicht gut wie im Al Hakoura Restaurant.

Gegen 22 Uhr fuhren wir zum Birgittinnen-Kloster am Fuße des Ölbergs und hielten eine Kurzreflexion der gesamten Fahrt. Ich bedankte mich als Reiseleiter bei der wunderbaren Gruppe mit 2 kleinen Symbolen aus Olivenholz (Davidstern und Jerusalem-Kreuz, s.u.), die diese Fahrt auf ganz besondere Weise symbolisierten.

Am frühen Morgen (16.10.) fuhr uns Edgar zum Flughafen, wo wir uns von ihm verabschiedeten, dann ohne große Probleme bei den obligatorischen Sicherheitsfragen an Bord gingen, unseren Heimflug (mit Zwischenstopp in Istanbul) mit den sehr komfortablen Flugzeugen von Turkish Airlines antraten und sicher in Köln landeten.

Abschiedsabend im Restaurant „The Tent“ und Abschied von Edgar am Flughafen Ben Gourion

Fazit:

Es war wieder eine überwältigende Fahrt mit einer sehr harmonischen und interessierten Gruppe. Nur wenige Programmpunkte (u.a. am 8. Tag) sollten künftig besser geplant werden. Die jordanische Reiseagentur bzw. den deutschsprachigen Reiseleiter Amin werde ich wohl nicht mehr buchen. Im Übrigen bietet jede Fahrt neue, unvorhersehbare Herausforderungen, die man vorher nicht planen kann. Wenn die nächste Gruppe 2023 genauso angenehm und leicht zu führen ist wie die in diesem Jahr, freue ich mich jetzt schon riesig auf die nächste Fahrt. Vielleicht wird ja ein neues Leitungsteam mich ab 2025 ablösen können.

Euer Gregor

Davidstern, Menora und Jerusalem-Kreuz

Davidstern – Menora – Jerusalem-Kreuz

1. Davidstern

Je nach Zweck und Verwendung des Hexagramms variiert auch die Deutung dieses Symbols. Zum Beispiel wird der Davidstern als symbolische Darstellung der Beziehung zwischen Menschen und Gott interpretiert. Das nach unten weisende Dreieck besagt: Der Mensch hat sein Leben von Gott erhalten. Das nach oben weisende Dreieck besagt: der Mensch wird zu Gott zurückkehren. Der Umriss hat 6 äußere Spitzen und 6 nach innen geknickte Ecken, die zusammen 12 Ecken bilden. Diese 12 Ecken des Sterns sollen die 12 Stämme Israels darstellen. Außerdem stehen die 6 Dreiecke für die 6 Schöpfungstage und das große Sechseck in der Mitte steht für den 7. Tag, den Ruhetag (wie bei der Menora, dem 7-armigen Leuchter).

In der hellenistischen Welt war das Hexagramm zunächst ein allgemein von Juden und Nichtjuden verwendetes dekoratives Motiv und hatte keinen direkten Bezug zum Judentum. Im Frühmittelalter bekam das Hexagramm eine abwehrende Bedeutung und wurde gleichermaßen von Muslimen, Christen und Juden als Talisman gegen Dämonen und Feuergefahr verwendet. Man stattete Kirchengebäude, Bibelmanuskripte sowie christliche und jüdische Unterschriften auf amtlichen Dokumenten mit diesem Symbol aus. Um das 14. Jh. verbanden jüdische mystische Texte das Hexagramm als Talisman – sowie andere Symbole – mit älteren Darstellungen auf einem Schild, der mit der Macht Gottes verbunden gewesen sein und einst König David geschützt haben soll (Das Hexagramm besteht aus zwei gleichseitigen, ineinander verwobenen Dreiecken – griechisch „Delta“ = Anfangs- und Endbuchstabe von David). Mit dem Aufkommen des Buchdrucks im 15. Jh. verwendeten einige jüdische Verleger in Europa das Hexagramm für die Gestaltung ihrer Imprimatur.

Die jüdische Gemeinde von Prag verwendete den Magen David (Davidstern) auf ihrem Banner zum 1. Mal 1490 bei den öffentlichen Feierlichkeiten anlässlich der Krönung von Vladislav II. zum König von Ungarn. 1598 erteilte Kaiser Rudolf II. dem Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Prag Mordechai Meisel als Zeichen einer besonderen Gnade das Recht, für seine Privatsynagoge ein gleich gestaltetes Banner anfertigen zu lassen. Die Banner wurden nur zu besonderen Anlässen wie Krönungsfeierlichkeiten, Besuchen des Königs in Prag oder Geburt eines Thronfolgers aus der Synagoge geholt und öffentlich gezeigt. Im Laufe der Geschichte erfuhren die Banner einige Änderungen. So wurde seit der Mitte des 16. Jh. im Davidstern ein Judenhut eingebettet.

Mit der Aufklärung im 18. Jh. an galt das Hexagramm als allgemeines Glaubenssymbol. In Europa weckte die Judenemanzipation Hoffnungen auf eine volle Staatsbürgerschaft in den neugebildeten europäischen Nationalstaaten. Bisher war das Judentum von den übrigen Buchreligionen nie als gleichwertig anerkannt worden. Für die integrationsbewussten Juden der Aufklärung, die sich für das Judentum als Religion einsetzten, wurde ein Symbol erforderlich, das die Religion, wie das Kreuz das Christentum, repräsentierte. Als solches Symbol bot sich der Davidstern (Magen David) an. Nichtjüdische Architekten verwendeten den Magen David, um beim Synagogenbau die ähnlichen Gebäudeformen von Kirchen abzugrenzen.

Als europäische Juden Ende des 19. Jh. schließlich tatsächlich zunehmend gleichberechtigt und am politischen Geschehen beteiligt wurden, wuchs allerdings der Antisemitismus in nicht-jüdischen Kreisen. Als Antwort darauf kann der Zionismus betrachtet werden: die Bewegung zur Errichtung eines selbstständigen jüdischen Nationalstaates. Die Zionisten übernahmen den Magen David, eher als säkulares, denn als religiöses Symbol. In der NS-Zeit wurde den nach den Rassegesetzen als Juden geltenden Personen mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 zwangsweise das Tragen einer abgewandelten Version des Magen David, des „Judensterns“ („Gelben Sterns“), zur öffentlichen Kennzeichnung ihrer Kleidung auferlegt. Das kann als Wiederholung von Geschehnissen des mittelalterlichen Europas gesehen werden, indem christliche Fürsten das Tragen eines Gelben Flecks anordneten, um die Juden für die Christen kenntlich zu machen.

Mit der Staatsgründung Israels am 14.5. 1948 wurde der Magen David zum Emblem der Nationalflagge Israels. M. E. war die Wahl des Davidsterns als Symbol Israels aufgrund der Vorgeschichte keine gute Wahl.

2. Die Menora dagegen ist das älteste friedlich-religiöse Symbol des Judentums, da schon Mose von Gott den Auftrag erhielt, eine Menora anzufertigen, und ist nicht so negativ politisch vorbelastet bzw. ideologisch aufgeladen.

3. Jerusalem-Kreuz

Das Zeichen, das mit dem 1099 von den Kreuzfahrern gegründeten Königreich Jerusalem verbunden ist, erscheint tatsächlich auf Münzen, Siegeln und Flaggen, die nichts mit der Welt der Kreuzzüge zu tun haben. Es ist ein griechisches Kreuz, bei dem in den 4 Quadranten nochmals jeweils ein kleineres griechisches Kreuz angeordnet ist. Die 5 Kreuze des Jerusalemkreuzes werden als die 5 Wunden Christi gedeutet. Wahrscheinlich ist das Jerusalemkreuz die Entwicklung eines griechischen Kreuzes mit kleinen Punkten anstelle der kleinen griechischen Kreuze, die von den allerersten christlichen Gemeinden im Nahen Osten in der Römerzeit, tausend Jahre vor den Kreuzzügen, verwendet wurden. Viele Zeichen, die an verschiedenen Orten des Heiligen Landes gefunden wurden, beziehen sich auf das Jerusalemkreuz, einschließlich einer bestimmten Anzahl von Mosaiken, in denen es in einer Form erscheint, die mit seiner gegenwärtigen Darstellung vollkommen identisch ist. Sein Ursprung kann bis zu den Phöniziern in Form eines weißen Achtpunktkreuzes zurückverfolgt werden, was die 8 darzustellen Seligpreisungen von Christus repräsentieren soll. Mit den Kreuzzügen erhielt das Jerusalem-Kreuz neben der spirituellen Bedeutung eine politische Bedeutung und eine territoriale Identität. Es wurde erstmals 1099 vom Kreuzritter Gottfried von Bouillon als Wappen verwendet. Er machte das Wappen des Herzogtums Bouillon, das belgische Krückenkreuz mit vier zusätzlichen griechischen Kreuzen, zum Symbol und Staatswappen des Königreichs Jerusalem. Dort wurde es in Gold auf Silber bis 1291 verwendet. Im 14. Jh. wurde das Kreuz in roter Farbe unter König Giorgi V. dem Strahlenden bis zum 15. Jh. zur Flagge Georgiens. Die meist adligen Jerusalempilger, die am Heiligen Grab zum Ritter des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem geschlagen wurden, erkoren es im 14. Jh. ebenfalls zu ihrem Emblem, ähnlich den Kanonikern vom Heiligen Grab. Die Darstellung eines lateinischen Kreuzes ohne den Gekreuzigten findet sich erstmals auf Sarkophagen des 4./5. Jahrhunderts. Das lateinische Kreuz setzte sich vor allem im abendländischen Christentum durch, wo es als die tatsächliche Form des Kreuzes Jesu empfunden wurde (daher „Passionskreuz“). Es ist daher die übliche Form des Kruzifixes in der westlichen Tradition. Spätestens mit der Darstellung des leidenden Jesus am Kreuz wurde der Focus auf die Kreuzigung Jesu gelegt, womit dann natürlich die Nichtchristen, besonders die Juden (= „Christusmörder“), zur Zielscheibe von Verfolgungen wurden. Die frühen Christen z.B. in Rom verwendeten dagegen als ihr geheimes religiöses Erkennungszeichen den Fisch, wobei jeder Buchstabe ein Wort symbolisierte (griechisch „ἰχθύς“ (Ichthys): Ιησούς – Iesóus – Jesus, Χριστός – Christós – Christus (der „Gesalbte“, auf Hebräisch „Maschiach“ = Messias), Θεού – Theoú – Gottes, Υιός – Hyiós – Sohn Σωτήρ – Soter – Retter, Erlöser. Auch in den römischen Katakomben wird Jesus nur als der Lehrer, der Retter, der gute Hirte, der Heiland etc. darstellt, ohne die anklagende Komponente des gekreuzigten Christus.

Die Wahl religiöser Symbole kann also durchaus eine Veränderung dieser Religion selbst bewirken.