Berichte Jugendaustausch

Besuch einer Jugendgruppe aus Bethlehem im Juni 22 bei uns

Vorbemerkung: Weitere Infos zu den besuchten Einrichtungen und Organisationen findet ihr unter Spendenaktionen bzw. Projekte.

Vom 18.-25-6.22 war eine 15-köpfige Schülergruppe der Talitha-Kumi-Schule (inkl. 2 Lehrer/-innen) im Rahmen eines Austauschprogramms am Berufskolleg Opladen bei uns zu Besuch. Die Gruppe war bei Gastfamilien in St. Augustin-Birlinghoven und -Ort untergebracht. Flughafentransfer und Transport von Birlinghoven zu den Orten der jeweiligen Programmpunkte erfolgte mit 2 gemieteten Mercedes- Kleinbussen mit extra großem Kofferraum für Gepäck, Getränke etc. und unseren Mitarbeitern Alex Strauß und Roland Gras als Fahrer, wobei von letzterem auch die folgenden Bilder stammen.

1. Tag: Samstag, 18. Juni: St. Augustin-Birlinghoven – Düsseldorf

Bei der Ankunft der Gruppe am Flughafen Köln gab es mehrere Verspätungen, da sich die große Reisetasche eines Jugendlichen nicht auf dem Gepäckband befand und zunächst eine zeitraubende Verlustanzeige aufgegeben werden musste. (Erst 3 Wochen später wurde die Tasche am Flughafen Tel Aviv gefunden!). Zudem verzögerte sich auch der Flug einer Schülerin, die statt von Amman von Tel Aviv abfliegen konnte. Daher geriet unser gesamter Zeitplan durcheinander. Zudem herrschten tropische Temperaturen von über 37 Grad. Hinzu kamen Missverständnisse wegen der Unterbringung einzelner Mädchen, die gerne zusammen in einer Gastfamilie übernachtet hätten, was aber wegen Änderungen bei unseren Gastfamilien nicht so leicht war. Immerhin konnte sich die Gruppe in ihren Gastfamilien etwas von der langen Reise erholen, die am 17.6. um 6 Uhr in Bethlehem begann und am 18.6. um ca. 10 Uhr am Kölner Flughafen endete.

Die Palästinenser/-innen dürfen – mit Ausnahme derjenigen mit jordanischem oder israelischem Pass – nur über Amman ins Ausland fliegen. Das heißt in diesem Fall, dass sie mit einem Minibus von Bethlehem zum 80 km entfernten jordanischen Grenzübergang Allanby-Brücke fahren müssen, wo es oft lange Wartezeiten und intensive Kontrollen gibt. Danach geht es mit Taxis zum Flughafen von Amman und über Istanbul nach Köln.

Um 18.15 Uhr fuhren wir dann zum Zirkus Roncalli, der sein Zelt gerade in dieser Austauschwoche in Düsseldorf (statt in Köln) aufgeschlagen hatte. Wegen des „Bilderbuchwetters“ gab es große Probleme, unsere Busse am völlig überfüllten Rheinpark zu parken, sodass sich Hin- und Rückfahrt erheblich verzögerten. Erst nach Mitternacht war die Gruppe wieder bei ihren Gastfamilien. Das faszinierende Zirkus-Programm (eine gelungene Mischung aus Varieté, Magie, Akrobatik und Darbietungen von Clowns zwischen den einzelnen Auftritten der Artisten) entschädigte dann jedoch vollauf für die Probleme dieses 1. Tages.

Zirkus Roncalli im Düsseldorfer Rheinpark

2. Tag: Sonntag, 19. Juni: St. Augustin-Menden – Bonn

Am Sonntag konnte die Gruppe dann etwas länger schlafen, da wir von Birlinghoven nur nach Sankt Augustin-Menden fahren mussten, um am evangelischen Gottesdienst im Freien vor der Emmaus- Kirche um 10 Uhr (inklusive einer Taufe) mit anschließendem Gemeindefest teilzunehmen.

Gemeindefest in Sankt Augustin-Menden

Dort trafen unsere Gäste zufällig ihre Deutschlehrerin, die in der Talitha-Kumi-Schule unterrichtet und während der palästinensischen Schulferien in Sankt Augustin lebt. Beim anschließenden Gemeindefest mit Mittagessen gab es viele Gelegenheiten zu Gesprächen mit deutschen Jugendlichen, aber auch anderen Gemeindemitgliedern, die bereits in Bethlehem gewesen und auch schon deren Schule besucht hatten. Um 16.30 Uhr fuhren wir dann zum GOP-Varieté-Theater nach Bonn, wo wir wieder eine tolle Show mit atemberaubenden artistischen Einlagen erleben konnten, die ebenfalls alle begeisterte. Nach dem Abendessen in der Pizzeria Baaz ging die Gruppe zu ihren Gastfamilien, da wir am nächsten Tag um 8 Uhr in Leverkusen sein mussten.

GOP-Varieté-Theater in Bonn

3. Tag: Montag, 20. Juni: Leverkusen-Opladen – St. Augustin

Diesmal mussten wir schon früh morgens von Birlinghoven losfahren, da wir zum über 50 km entfernten Berufskolleg Opladen (BKO) fahren und wegen der Staugefahr auf der A3 um kurz nach 7 Uhr abfahren mussten, um rechtzeitig am BKO mit unserem Austauschprogramm beginnen zu können. Nach verschiedenen Kennenlernspielen inklusive eines abwechslungsreichen „Speed Datings“ unter der bewährten und souveränen Leitung von Marcus Nick und 3 weiteren BKO-Lehrer/-innen sammelten die Jugendlichen in ihren deutsch-palästinensischen Gruppen mittels Brainstorming Ideen, wie sie die vorgesehenen Wände/Mauern im Eingangsbereich am BKO mit Symbolen und Wörtern des Friedens, Respekts, Glücks, der Liebe und Toleranz sowie der Solidarität mit der Ukraine gestalten könnten. Zwar sollte die Mauer ebenso wie die in Bethlehem kreativ bemalt werden. Unsere Gäste verstanden jedoch sehr schnell, dass diese Mauer – im Unterschied zu der in Bethlehem – eine Friedensmauer sein sollte, die verbindet, statt trennt. Jugendliche des BKO interviewten die Mitglieder der Workshops bezüglich der Kooperation mit den deutschen SchülerInnen sowie des gesamten Austauschprogramms und drehten dabei einen kurzen Videofilm.

Der 1. Tag am BKO

Mittags gab es für die TN des Workshops aus Zeitgründen ein Mittagsbuffet im Chinarestaurant. Danach fuhren wir mit unserer Gruppe zur Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg nach Sankt Augustin, wo wir uns eingehend über die dortigen Studiengänge und -bedingungen informierten. Fahed, der wie einige andere an der Talitha-Kumi-Schule ein deutsches Abitur gemacht hat, hofft nun, dass er dort einen Studienplatz bekommt. Mohammad und Marwan haben sich ebenfalls an vielen deutschen Universitäten beworben und möchten auf jeden Fall in Deutschland studieren. Danach gab es die Gelegenheit, im HUMA-Zentrum zu shoppen sowie deutsche Sim-Karten zu kaufen und freischalten zu lassen, bevor wir vom Bürgermeister Prof. Leittersdorf ganz herzlich empfangen wurden. Er berichtete in hervorragendem Englisch von den Aufgaben und der täglichen Arbeit eines Bürgermeisters, seiner Motivation für diesen Beruf, seinen Zukunftsvisionen und ging auch auf die vielen Fragen unserer Gruppe ein. Nach einem Gruppenfoto verabschiedeten wir uns und fuhren recht früh zum Abendessen in die Pizzeria Baaz in Birlinghoven, da unsere Gäste schon recht müde war und diesmal früher schlafen gehen wollte.

Gruppenbild mit Bürgermeister Prof. Leittersdorf (3. Von links)

4. Tag: Dienstag, 21. Juni: Leverkusen-Opladen – Bonn

Wieder starteten wir morgens schon um 7 Uhr Richtung Leverkusen, wo unter professioneller Anleitung einer Lehrerin mit dem Fach „Gestaltung“ die Arbeiten in den Gruppen an der Ausgestaltung der Mauern/Wände am BKO fortgesetzt wurden. Nach dem Workshop gab es für alle Schüler/-innen wieder das Mittagsbuffet im Chinarestaurant. Danach fuhren wir mit unserer Gruppe zum Werkverkauf von Haribo nach Bad Godesberg, wo sich unsere Gäste mit den verschiedensten Produkten (natürlich halal) und Geschenkartikeln von Haribo eindeckten. Danach nahmen wir an einer sehr informativen englischsprachigen Führung durch das Haus der Geschichte teil, wobei der Bau und Fall der Berliner Mauer unsere Gäste zu intensiven Diskussionen über ihre Mauer in Palästina anregte. Der ausgestellte sowjetische Panzer von 1945 sowie die Niederschlagung von Aufständen in Ostberlin und in Prag erhielten angesichts des Ukraine-Krieges plötzlich eine erschreckende Aktualität. Großes Interesse zeigten einige Jugendliche auch an der 68er Revolution und der RAF, da sie diese Themen in ihrem deutschen Geschichtsunterricht in Bethlehem behandelt hatten.

Haus der Geschichte: Sowjetischer Panzer (1945) und Trabbi nach dem Mauerfall (1989)

Eine Schülerin konnte an der Führung nicht teilnehmen, da sie Kreislaufprobleme hatte. Als sich ihr Zustand im Haus der Geschichte verschlimmerte, wurde sie in Begleitung ihrer Lehrerin Sanaa mit dem Rettungswagen ins Waldkrankenhaus nach Bad Godesberg zur Untersuchung gebracht. Da man uns seitens der Notaufnahme mitteilte, dass man uns umgehend über die Untersuchungsergebnisse informieren würde, fuhren wir mit der Gruppe zunächst weiter zum Rheinauenpark, wo die Jugendlichen Fußball, Federball usw. spielten.

Bonner Rheinauenpark mit japanischem Garten

Ich fuhr dann mit meiner Frau ins Krankenhaus und wir nahmen die erschöpfte, aber gesunde Schülerin und ihre Lehrerin mit zum Abendessen in die Pizzeria Baaz, wo wir auf unsere Gruppe trafen.

5. Tag: Mittwoch, 22. Juni: Leverkusen-Opladen – Brühl

Mittlerweile hatten sich unsere Gäste an die frühe Abfahrt am Morgen gewöhnt, sodass wir wieder pünktlich um 8 Uhr mit der Fortsetzung des kreativen Workshops fortfahren konnten.

Der 3. Tag des Workshops am BKO

Alle Schüler/-innen beeilten sich sehr mit ihren Arbeiten, da sie möglichst früh zum Brühler Phantasialand fahren wollten. Besonders für unsere Gäste war dieser Besuch des größten Freizeitparks in Europa ein unvergessliches Erlebnis. In der Pizzeria Baaz aßen wir wieder zu Abend und tauschten uns aus über die vielen einmaligen Erlebnisse des Tages.

Das Phantasialand in Brühl

6. Tag: Donnerstag, 23. Juni: Leverkusen-Opladen – Düsseldorf

Zum letzten Mal fuhren wir um 7 Uhr morgens von Birlinghoven zum BKO nach Opladen, wo die deutschen und die palästinensischen Schüler/-innen die Wandmalereien beendeten und die letzten Vorbereitungen für die Präsentation der Ergebnisse des Workshops vor der Lokalpresse trafen. Zu Beginn berichteten je 2 palästinensische Jugendliche über die Zusammenarbeit in ihren Gruppen sowie über den Austausch und erläuterten die Ausgestaltung der Friedenswand. Sie zeigten sich ebenso begeistert vom gesamten Austausch wie der stellvertretende BKO-Schulleiter Matthias Momberg und der aus der Nähe von Gießen angereiste deutsche Schulleiter der Talitha-Kumi-Schule Matthias Wolf.

Ganz links: der Schulleiter der Talitha-Kumi-Schule Matthias Wolf

Abschlusspräsentation mit Tanzeinlage der palästinensischen Jugendlichen

Das Ziel des Projekts war das gegenseitige Kennenlernen und das Überwinden von Grenzen. Die Friedenswand soll dauerhaft sichtbares Zeichen dafür sein. Mit der legendären Filmmusik von „Pirates of the Caribbean“ des Komponisten Klaus Badelt wurde sie den Gästen präsentiert. Zu sehen ist zum einen eine orangefarbene Sonne, die die Wörter Respekt, Glück, Liebe sowie eine Friedenstaube in ihrer Mitte trägt. Zum anderen sind einige Symbole zu erkennen, wie das Peace-Zeichen und Herzen, die die Unterstützung und Solidarität mit den Ukrainern hervorheben sollen. Vor der Mauer zeigten unsere Gäste zur Eröffnung etliche Tanzeinlagen, an der sich auch deutsche Schüler/- und Lehrer/- innen beteiligten. Der von den Jugendlichen erstellte Film über den Workshop rundete diese Präsentation ab. Anschließend gab es bei Gegrilltem und verschiedenen Salaten im Schulhof des BKO die Gelegenheit, die Höhepunkte dieses Austauschs noch einmal Revue passieren zu lassen.

Gemeinsames Grillen nach Ende des Workshops

Danach fuhren wir mit unserer Gruppe nach Köln und nahmen dort an einer englischsprachigen Führung durch den Kölner Dom teil. Angesichts der hohen Temperaturen führten wir mit einer Redakteurin des General-Anzeigers das vereinbarte Interview mit einzelnen Jugendlichen über unseren Austausch an einem schattigen Platz unterhalb des Domes.

Gruppenbild mit einer Redakteuerin des General-Anzeigers (7. Von links)

Von dort fuhren wir zur letzten Veranstaltung ins Apollo-Varieté-Theater nach Düsseldorf, wo uns bei einem 3-Gänge-Menü wieder eine tolle Show geboten wurde.

Apollo-Varieté-Theater nach Düsseldorf

Etwas überflüssig fanden einige von uns nur die Comedy-Darbietung des permanent kalauernden Steve Eleky, der über seine eigenen „Witze“ selbst am meisten lachte, aber nur einen Teil des Publikums zum Mitlachen animieren konnte. Infolge der über einstündigen Rückfahrt kamen wir erst nach 23 Uhr bei den Gastfamilien an.

7. Tag: Freitag, 24. Juni: Königswinter (Schifffahrt etc.), Siegburg

Diesmal konnten unsere Gäste länger schlafen, da wir erst um 9.30 Uhr nach Königwinter fuhren, um an der 2-stündigen Schiffsrundfahrt rheinaufwärts teilzunehmen – ein ganz besonderes Erlebnis für die Gruppe, da es in Palästina keinen Fluss gibt und es für sie – wie so vieles während des Austauschs – die 1. Schiffstour war. Zwar regnete es auf dem Weg zum Schiff. Danach zeigte sich der Wettergott jedoch von seiner sonnigen Seite.

2-stündige Schifffahrt auf dem Rhein

Im Hotel Maritim aßen wir zu Mittag und fuhren mit der Zahnradbahn zum Drachenfels. Einige stiegen auch hinauf zur Ruine, von wo aus man einen noch schöneren Blick auf den Rhein hat.

Auf dem Drachenfels mit Blick auf den Rhein

Auf dem Rückweg machten wir noch Halt am Schloss Drachenburg und besichtigten das sehenswerte Schloss sowie die wunderschön gestaltete Gartenanlage.

Schloss Drachenburg mit Gartenanlage

Dann fuhren wir ins Siegburger Restaurant Laredo (Wahnbachtalstr. 23, direkt an dem kleinen Fluss Sieg) zum Abschiedsessen, an dem neben der Gruppe und den Gasteltern auch einige deutsche Jugendliche des Austauschs teilnahmen. Alle Gäste, Gastfamilien und einige deutsche Jugendliche bzw. Teilnehmende an der Oktoberfahrt zeigten sich hellauf begeistert von diesem Austausch.

8. Tag: Samstag, 25. Juni: Bonn – Köln

Am letzten Tag hieß es dann, endgültig Abschied nehmen von den Gastfamilien. Von Birlinghoven fuhren wir mitsamt dem Gepäck der Gruppe nach Bonn, wo wir bei strahlendem Sonnenschein an der großen und auch für die deutschen Teilnehmenden sehr informativen 2-stündigen Stadtrundfahrt im Cabriobus (HopOn-HopOff) teilnahmen. Danach aßen wir in den Köln Arcaden zu Mittag und gaben der Gruppe nochmals die Gelegenheit zum Shoppen und Kauf von Geschenken für Freunde und Familie. Wegen des Chaos am Kölner Flughafen beim Einchecken und der Sicherheitskontrolle brachten wir unsere Gäste 3,5 Stunden vor Abflug zum Flughafen. Es gelang uns, sie in der richtigen Schlange vor dem Schalter von Turkish Airlines zu platzieren. 15 Minuten vor Abflug passierten sie die Sicherheitskontrolle, so dass unsere Gruppe gerade noch rechtzeitig an Bord gehen konnte.

Fazit:

Insgesamt war dies – abgesehen von einigen Pannen am 1. Tag – ein sehr gelungener Austausch, wobei mein besonderer Dank allen beteiligten Jugendlichen, den Lehrer/-innen besonders vom BKO, unseren Mitarbeitern bzw. den Fahrern Roland Gras und Alex Strauß sowie unseren Gastfamilien gilt. Die Fahrten nach Leverkusen zum BKO und die 2 Fahrten nach Düsseldorf waren doch sehr weit, sodass wir versuchen werden, im nächsten Jahr eine geeignete Schule in Sankt Augustin oder Umgebung zu finden. Dies ist jedoch nicht einfach, da die meisten in Frage kommenden Schulen bereits genügend eigene Schulpartnerschaften haben. Zudem werden wir uns bemühen, geeignete Veranstaltungen im Wesentlichen im Raum Bonn-Köln anzubieten. Wir freuen uns schon sehr auf ein Wiedersehen mit der Gruppe im Oktober in Bethlehem.

Gregor Schröder